Branchenmeldungen 15.03.2013
Fachübergreifende Frühjahrstagung der DGParo
Nach Scalen und Kürettieren stellt
sich bisweilen die Frage: Schrauben oder Kleben?
Schaut man sich das Motto der
diesjährigen Frühjahrstagung der Deutschen Gesellschaft für
Parodontologie am 1. und
2. Februar 2013 im historischen Poelzig Bau der Goethe‐Universität
Frankfurt am Main an, so mag sich der eine oder andere verwundert die
Augen reiben und zweifelt im richtigen Film, respektive in der
Fortbildungstagung zu sein. Denn das Motto „Implantattherapie heute
– die Evolution des Züricher prothetischen Konzepts“ ging über
das Feld der reinen Parodontitistherapie deutlich hinaus. Doch der
parodontologisch tätige Zahnarzt ist gut beraten, für den Fall
gewappnet zu sein, in dem ein Zahn nicht mehr zu halten ist. Vorgestellt wurden bei dieser
Veranstaltung Anfang Februar eine Reihe junger Wissenschaftler aus
Zürich, die man in dieser Besetzung, wenn überhaupt, noch nie zu
hören bekommen hat. Auch die Art der Fragestellungen unterschied
sich grundsätzlich von konventionellen Veranstaltungen.
Etwa wenn es um das „Handling von
Extraktionsalveolen“ ging, dem Thema von PD Dr. Ronald Jung.
Drei Möglichkeiten bot er dem aufmerksamen Auditorium an: die
Sofortimplantation, die Kieferkammerhaltung und die Spontanheilung.
Letztere erweist sich in der Regel als erste Option, obwohl es im
ersten Jahr zu einem Volumenverlust um 50 Prozent kommt. Diesen
Abbauprozess gilt es zu verhindern. Als erste Möglichkeit bietet
sich die Extraktion in Kombination mit der Implantatversorgung an.
Aber auch hier stellt sich ein Knochenverlust von 50 Prozent in einem
vergleichbaren Zeitraum ein. Die nächste Option ist die Verbindung
der Implantation mit einer gesteuerten Geweberegeneration (GBR). Erst
bei der Verbindung mit einer internen Füllung kann der
Substanzverlust signifikant auf einen Wert von 15 bis 20 Prozent
zurückgedrängt werden. Anzumerken ist, dass ein positiver Effekt
bereits dadurch entsteht, dass der Lappen komplett geschlossen werden
kann. Insgesamt ist, so Jung, die GBR die am besten dokumentierte
Technik, Knochen zu erhalten, wenn man eine lange Einheilungszeit in
Kauf nimmt. Highlight seiner Präsentation war die
Vorstellung der Punch Technik (Soft Tissue Preservation): eine
einfache Methode, um die Weichgewebsdicke und ‐qualität zu
verbessern. Sie kann bei der Socket Preservation angewandt werden.
Dabei ist primär auf eine knochenschonende Extraktion zu achten. Danach wird die innere Alveole
revidiert und sorgfältig gereinigt. Schließlich wird ein
Transplantat mit einer Stärke von 2 mm und einem Durchmesser von 8
mm mit einer Stanze am Gaumen entnommen, das sehr sorgfältig
platziert und anschließend vernäht wird. Bei diesem Vorgehen erhält
man nach kurzer Zeit eine sehr gute Weichgewebssituation.
Komplikationen können allerdings bei fehlender Papille und der damit
verbundenen nicht ausreichenden Blutversorgung auftreten.
Was unter „Biomechanische
Herausforderungen – Extensionen und kurze Implantate“ erwartet
werden darf, zeigte Dr. Sven Mühlemann. Aus seiner Sicht sind
kurze Implantate solche unter einer Länge von 9 Millimeter. Anhand
der vorgestellten Studien konnte nachgewiesen werden, dass kurze
Implantate mit einer Länge von bis zu 8 mm vergleichbare
Überlebensraten zeigen wie lange Implantate. Signifikant ist, dass
die hohe Verlustrate – in einem Fall waren es 4,5 Prozent – von
kurzen Implantaten vor der Belastung darauf hindeute, dass der
Einfluss biomechanischer Faktoren, wie zum Beispiel die
„Crown‐to‐Implant‐Ratio“ eine eher untergeordnete Rolle
spiele. Deshalb steht er Extensionsbrücken auf kurzen Implantaten
gelassen gegenüber. Angemerkt wurde, dass kurze Implantate
im Oberkiefer eine signifikant höhere Misserfolgsrate aufweisen als
im Unterkiefer. Empfohlen wurde bei spongiösem Knochen ein
angepasstes chirurgisches Protokoll. Auch die
Oberflächenbeschaffenheit spielte mit signifikanten Unterschieden
von glatter zu rauer Oberfläche eine wesentliche Rolle: die
Misserfolgsrate von rauen Oberflächen lag um 29 Prozent signifikant
niedriger als die der glatten.
Festsitzende Rekonstruktionen –
aktuelle Konzepte auf Zähnen und Implantaten
Mit Spannung erwartet wurde der Vortrag
von PD Dr. Irena Sailer zur Frage: „Vollkeramik oder
Metallkeramik?“ oder heute: „konventionell oder CAD/CAM?“ Sie
machte gleich zu Anfang deutlich, dass metallkeramische Versorgungen
auch heute keinesfalls passé sind. Sie stünden zwar nicht mehr an
erster Stelle, seien aber trotzdem noch sehr aktuell. Bei der Entscheidungsfindung für einen
festsitzenden Zahnersatz müssen heute eine Vielzahl von Kriterien
berücksichtigt werden. Ein Kriterium ist die Langlebigkeit der
festsitzenden Versorgung. Ebenso wichtig ist eine Wiederherstellung
für höchste ästhetische Ansprüche. Hier sieht Sailer einen
Wechsel der Behandlungskonzepte und zwar durch eine Änderung im
Denken, im Anspruch und in der Art, wie eine Behandlung heute
angegangen wird und dabei biomimetischen Grundsätzen folgt: „Eine
Rekonstruktion muss nicht zwingend aus dem stabilsten Material
hergestellt werden, sondern aus einem Material, das am besten mit den
mechanischen, biologischen und optischen Eigenschaften der
verbleibenden natürlichen Zahnsubstanz harmoniert!“
Biologische Mediatoren zur Optimierung
der Hart‐ und Weichgeweberegeneration
PD Dr. Daniel Thoma gab einen
Ausblick auf Methoden, die in der Zukunft eine wichtige Rolle spielen
könnten: Hier stehen xenogene Knochenersatzmaterialien, wie das
rekombinate humane morphogenetische Knochenprotein rhBMP‐2 (Bone
Morphogenetic Protein 2) im Vordergrund. Ihm wird die Eigenschaft
zugeschrieben, die Bildung von Knochengewebe einzuleiten. Eine
weitere Möglichkeit ist der Platelet derived Growth Factor (PDGF)
und seine Wirkung auf das Knochenwachstum, die auch in diese
Überlegungen einbezogen wurde. Gezeigt wurde, wie rhBMP‐2 und
rhPDGF ein substanzielles Potenzial für eine lokalisierte
Knochenregeneration darstellen. Beide Materialien sind allerdings in
Europa für die klinische Anwendung bislang nicht zugelassen. Hinzu
kommt, dass vor allem rhBMP‐2 sehr teuer ist. Genannt wurden Kosten
von über 3.000 Euro pro Anwendung.
So bot sich bei dieser Tagung ein
spannender Reigen durch die aktuellen Entwicklungen in der
Zahnmedizin, bei denen der Bezug zum Fachgebiet nie aus den Augen
verloren wurde. Durch die Konzentration auf wenige Referenten, denen
dafür wesentlich mehr Zeit als sonst bei Kongressen üblich zur
Verfügung stand, bot sich den Rednern die Möglichkeit, ihre
Aussagen durch eine breite Vielfalt dokumentierter Fälle darzulegen
– sehr zur Freude der Praktiker, die damit voll auf ihre Kosten
kamen.
Als nächste Großveranstaltung der
DGParo steht die Jahrestagung vom 19. bis 21. September 2013 in
Erfurt zum Thema „Parodontologie beim älteren Patienten“ an,
gefolgt vom nächsten Frühjahrskongress am 8. und 9. Februar 2014 in
Berlin.
Quelle: Deutsche Gesellschaft für Parodontologie e. V.