Branchenmeldungen 28.02.2011
Funktion in der Implantologie, Parodontologie und Ästhetik
Im Bremer Atlantic Hotel Universum fand am 8. Mai das zweite Funktionssymposium für Zahnärzte und Zahntechniker statt. Neben zwei DIR®-System-Workshops eröffnete Klaus Osten vom Veranstalter FUNDAMENTAL® Schulungszentrum das Mainpodium mit hochkarätigen Referenten.
Den Auftakt zu einem mit 250 Teilnehmern komplett ausgebuchten und demnach erfolgreichen Funktionssymposium machte Prof. Dr. Udo Stratmann, Universität Münster. Der Spezialist für Anatomie demonstrierte detailliert die Funktionsweise des menschlichen Kauapparats. Dieser könne eine Kraft von über 160 kg entwickeln. So können gnathologische Dysfunktionen bei diesen Kräfteverhältnissen zu Schädigungen am ganzen Körper führen (CMD). Allerdings können durch eine genaue Analyse der Kaukräfte „intelligente“ Entlastungsschienen konstruiert werden, die dafür sorgen, dass der Unterkiefer die Möglichkeit bekommt, in die Idealposition hineinzugleiten. So seien Dysfunktionen des Kiefers erfolgreich zu therapieren. Dass dies vor allem mit dem DIR®-System gelingt, sollten die folgenden Vorträge eindrucksvoll belegen.
Dr. med. dent. Georg Risse wies in seinem Vortrag darauf hin, dass durch CMD ein jährlicher volkswirtschaftlicher Schaden von bis zu 100 Mrd. Euro entstünde. So sollte die Überprüfung der Biofunktionalität des Kauapparates bei der zahnmedizinischen Untersuchung Grundlage der Behandlung sein. Er bestätigte Stratmanns Hinweise bezüglich der zentralen Rolle der Winkelstellung des oberen Sechsers bei einer kieferorthopädischen und implantologischen Therapie. Bisher wurde diese Winkelstellung bei der Funktionsdiagnostik nicht (ausreichend) berücksichtigt und führte zwangsläufig zu fehlerhaften Therapieansätzen. Die Hebelkräfte, die durch Fehlstellungen des Kiefers auf den gesamten Körper wirken, können durch falsche Behandlung sogar verschlimmert werden.
Dr. med. dent. Michael Pampel, Coburg, berichtete über CMD-Problematik bei Berufsmusikern. So laufen zum Beispiel Geiger mit einer Körper- bzw. Kieferfehlhaltung bei verfehlter Therapie Gefahr, ihre Profession nicht mehr oder nur unter Schmerzen ausüben zu können. Auch Blasinstrumentemusiker, bei denen eine Extrembeanspruchung der Kopf- und Kiefermuskulator und eine gleichzeitige Bissfehlstellung vorliegen, schädigen ihren Körper nachhaltig.
Die Parodontologin Dr. med. dent. Marit Wendels von Gösseln zeigte in ihrem Vortrag, welche Symptome (Thrombosen, Kopfschmerzen, Nackenbeschwerden etc.) auf Dysfunktionen im Kieferbereich hinweisen können, wenn die Krafteinwirkung im Kieferbereich über den natürlichen Dämpfungsmechanismus des Kauapparates hinausgeht und der Körper diese Überbelastung nicht mehr kompensieren kann. Meistens sieht man nicht den zahnmedizinischen Defekt allein, sondern es zeigen sich mehrere Phänomene gleichzeitig: Apikale Läsionen, Paro-Endo-Defekte, verbreiteter Parodontalspalt u.Ä. Mit DIR® ist die richtige Okklusion und Schmerzursache darstellbar und konsequenterweise die darauf basierende Therapie erfolgreich. Vor allem können nach der DIR-Vermessung dysfunktionale Frühkontakte abgebildet werden, die mit konventionellen Mitteln nicht nachvollziehbar sind, so ihr Resümee. Dr. med. dent. Sabine Linsen, Oberärztin Universitätsklinik Bonn, erläuterte die biofunktionalen Unterschiede zwischen Implantaten und natürlichen Zähnen. So besitze ein natürlicher Zahn ein parodontales Ligament mit Mechanorezeptoren, die es uns ermöglichen, Belastungen sensibel wahrzunehmen. Zusätzlich hat ein natürlicher Zahn eine Axialmobilität, die weit über der eines Implantats liegt, d.h. bei Überbelastung kann ein natürlicher Zahn besser ausweichen als ein Implantat. Implantate hingegen aktivieren „lediglich“ Osseorezeptoren, die weniger Vorkontakte melden als parodontale Mechanorezeptoren. Implantate haben demzufolge weniger Taktilität als natürliche Zähne und können bei okklusalen Über- bzw. Fehlbelastungen peri-implantären Knochenverlust verursachen. Sie können zwar mehr Belastung aushalten, aber der Patient nimmt eine mögliche Überbelastung durch fehlende Rezeptoren gar nicht erst wahr.
Zahnarzt Stefan Taubmann berichtete nach den überwiegend theoretisch-wissenschaftlichen Vorträgen seiner Vorredner über die erfolgreiche Umsetzung der therapeutischen Position nach DIR-Registrierung in definitiven Zahnersatz.
Zahnärztin Farina Blattner machte sich in ihrem Vortrag für evidenzbasierte Medizin stark und wies auf das deut-sche Netzwerk für EbM hin. Dieses unterstütze Ärzte bei der Suche nach wissenschaftlichen Standards, wobei „the chochrane library“ ein hilfreiches Onlinemedium für EbM-Studien ist. Dr. med. dent. Jochen Poth und Dr. med. dent. Alexander Dietzel referierten über „Statik und Dynamik – Prävention durch die Funktion“. Es käme darauf an, dass alle Implantate die Kieferfunktion unterstützen. So machen sich Poth und Dietzel stark für eine engere Zusammenarbeit zwischen Kieferorthopäden und Prothetikern.
ZTM Ingo Becker, M.Sc., äußerte sich zur „Computertechnologie als Vorteil für die Praxis in Ästhetik und Funktion“ und stellte ein Konzept vor, wie Zahntechniker arbeiten können, damit auch der Behandler bessere Ergebnisse erzielt. CAD/CAM-Software, die ein Kons-truieren mit Cut-back ermögliche, spiele dabei eine entscheidende Rolle. Becker informierte auch anschaulich über die werkstoffkundlichen Besonderheiten von Zirkonoxid. Vor allem haben die Abkühlprozesse nach dem Brennvorgang großen Einfluss auf die Festigkeit der Krone.
Dr. med. Andreas Oberhofer, Innsbruck, konnte als Allgemeinmediziner die Zusammenhänge von psychischen Erkrankungen mit CMD anhand thermodynamischer Untersuchungen erläutern. Eindrucksvoll beschrieb er Patientenbeschwerden, die erst nach Beseitigung von zahnmedizinischen Fehltherapien behoben werden konnten. Damit unterstrich er die Bedeutung einer ganzheitlich ausgerichteten gnathologischen Funktionsanalyse und spiegelte damit den Tenor einer außerordentlich spannenden und wegweisenden Veranstaltung wider.
Der vorletzte Redner, ZTM Volker Brosch, Essen, referierte über Ästhetik bei Frontzähnen in Verbindung mit den multiplen Einsatzmöglichkeiten des IPS e.max Keramiksystems von Ivoclar Vivadent. Krönender Abschluss war der kritische, aber inspirierende Vortrag von Prof. Dr. Ralf Brickau, International School of Management, Dortmund. Er beschrieb die betriebswirtschaftlichen Veränderungen in Zahnarztpraxen und die Notwendigkeit, festgefahrene Strukturen über Bord zu werfen, um Zusatzleistungen (auch Funktionsdiagnostik) seriös und optimal zu vermarkten. Dabei ist das Team Zahnarzt, Zahntechniker und Helferinnen gemeinsam gefordert. Im Herbst dieses Jahres wird in Stuttgart das dritte Funktionssymposium stattfinden.
Georg Isbaner für ZWP online, 10.05.2010