Branchenmeldungen 04.03.2022

Insidertipp: Mein Weg zur „Dental-Ergonomin“

Insidertipp: Mein Weg zur „Dental-Ergonomin“

Foto: luismolinero – stock.adobe.com

Birgit Fylek ist angestellte Zahnärztin in der Praxis Dr. Brit Verbeck im bayerischen Hohenlinden. Als Generalistin behandelt sie Patienten vom Kleinkind bis ins hohe Alter. Im Jahr 2018 hat sie die Ausbildung zum „Dental-Ergonom“ absolviert. Mit welcher Motivation ist sie „Dental-Ergonomin“ geworden und mit welchem Ergebnis?

„Als ich auf die Ausbildung zur ‚Dental-Ergonomin‘ traf, war ich seit 30 Jahren als Zahnärztin tätig. Durch die hohe Belastung aufgrund der zum Teil sehr statischen Arbeit mit geforderter Feinmotorik waren Fehlhaltungen und akute Schmerzzustände entstanden. Ich überlegte aus diesem Grund sogar schon, den Beruf zu wechseln oder in die Berufsunfähigkeit zu gehen.

Bereits im Oktober 2016 hatte ich an einem Workshop bei Manfred Just zum Thema ‚Ergonomisch arbeiten in der Zahnarztpraxis‘ teilgenommen; im März 2018 belegte ich bei ihm den Workshop ‚Dem Stress aktiv begegnen – Burnout vermeiden‘. Schon seit längerem hatte ich mir Gedanken über die teilweise ungünstige Anordnung bzw. Gestaltung der Dentaleinheiten und Behandlerstühle gemacht. Durch die genannten Kurse war nun mein Interesse geweckt, mich tiefer mit der Thematik zu beschäftigen, auch als mögliche Erweiterung des Berufsfeldes. Meine Beschwerden lagen im Bereich der Halswirbelsäule, im Schulterbereich, ich hatte außerdem Rücken- und Hüftschmerzen, nach langen Behandlungstagen starke Kopfschmerzen und Schmerzen in der Beinmuskulatur. Das alles war über längere Zeit entstanden. Die Ausbildung zum ‚Dental-Ergonom‘ sollte für mich genau das Richtige sein.

Lernkurven

Im Theorieteil erlernte ich zunächst die Grundlagen der Ergonomie, also ihre Historie, Definitionen, Konzepte und Gesetze. Ebenso beinhaltete die Ausbildung die funktionelle Anatomie, das heißt Knochen, Gelenke, Faszien und Muskulatur. Ein weiterer Themenbereich war die Verhaltensergonomie mit der Ergonomie am Arbeitsplatz. Näher betrachtet wurden konkret die Bewegung und Sitzhaltung sowie die Notwendigkeit von Pausen, körperlichem Ausgleich und Entspannungsmöglichkeiten. Ein weiteres Themenfeld war natürlich ebenso die Ergonomie in der Zahnarztpraxis selbst.

Im praktischen Teil ging es um die Umsetzung des Gelernten an der Behandlungseinheit mit der richtigen Patientenlagerung, mit den passenden Sitz- oder Standpositionen, mit der korrekten Sitz- oder Standhöhe der Behandler und um entsprechende Hilfsmittel. Nicht zuletzt wurde auch die Anwendung im Empfangsbereich thematisiert mit der Einstellung von Tisch, Bildschirm, Tastatur und Maus.

Überraschungsmomente

Ich war erstaunt, wieviel Veränderungspotential bei eigentlich ausgereiften technischen Geräten hinsichtlich der Ergonomie besteht. Nach der Ausbildung zum ‚Dental-Ergonom‘ geht man tatsächlich aufmerksamer durch die Praxis und den Alltag. Besonders der positive Effekt bei den Patienten durch die Lagerung mit Hilfe von Kissen ist auffällig – kleine Ursache, große Wirkung! Ebenso haben wir Veränderungen im unmittelbaren Arbeitsumfeld vorgenommen. Neben den Tempur-Kissen zur Patientenlagerung haben wir Sattelstühle angeschafft, die ein dynamisches Sitzen ermöglichen. Auch sorgen wir für mehr Abwechslung in der Bewegung, z.B. durch die stehende Behandlung am Unterkiefer, indem wir beim Fußanlasser die Bedienungsseite wechseln, mehr Aufmerksamkeit auf die eigene Haltung legen, Bewegungen bewusster ausführen und uns Mikro-Pausen während der Patientenwechsel gönnen. Auch die Einstellung des Bürostuhls haben wir modifiziert.

Haltungsverbesserung = Positive Arbeitswahrnehmung

Als ‚Dental-Ergonom‘ habe ich diese Veränderungen in der Praxis implementiert und somit spüre nicht nur ich, sondern ebenso andere Mitarbeiter große Erleichterung. So hat der Sattelstuhl sehr große Auswirkungen auf eine optimalere Sitzhaltung sowie durch das leichtere Rollen auf die Bein- und Rückenmuskulatur. Genauso machen wir uns während der Behandlung auf ungünstige Gewohnheiten aufmerksam, das hilft uns allen sehr. Zudem hatte ich Workshops zum Thema geplant, die aber durch die Pandemie bislang nicht stattfinden konnten. Zusammenfassend kann ich eine wesentliche Verbesserung der Beschwerden bestätigen, besonders die Rücken- und Nackenschmerzen sind zurückgegangen. Ich bin auch nach langen Tagen weniger erschöpft und habe dadurch wieder mehr Freude an meinem Beruf.

Empfehlung

Meinen Berufskollegen kann ich die Ausbildung zum ‚Dental-Ergonom‘ daher nur empfehlen. Das Wissen um die Ergonomie verändert den Blickwinkel – bei Neuanschaffungen in der Praxis genauso wie beim Überdenken ‚gewohnter‘ Arbeitsabläufe. Da wir an unseren Gewohnheiten gern festhalten, ist ein ‚Dental-Ergonom‘ direkt in der Praxis – analog zu einer Hygienebeauftragten – sehr viel wert, um durch wiederkehrendes Üben mit dem Personal die gesunden Haltungen und Abläufe immer wieder zu festigen. Nicht zu unterschätzen ist auch, dass sich der bekanntermaßen hohe Krankenstand von Zahnärzten durch Probleme mit dem Bewegungsapparat dank dieses Wissens wesentlich beeinflussen lässt.

Die Ausbildung zum ‚Dental-Ergonom‘ beim Just-Institut ist praxisnah und fundiert, vieles kann sofort in der Praxis ausprobiert und umgesetzt werden, ebenso im Alltag. Außerdem gibt es ein jährliches Treffen ausgebildeter ‚Ergonomen‘ auch aus anderen Bereichen, was den Horizont noch mehr erweitert und ebenfalls sehr empfehlenswert ist. Die Ausbildung st eine sehr bereichernde Erfahrung in unserer immer komplexeren, aber leider bewegungsärmeren Arbeitswelt. Ich kann sie uneingeschränkt weiterempfehlen.“

Autorin: Birgit Fylek

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