Branchenmeldungen 12.04.2017
KFO-Patientenakte 2.0 – „von Papier zu Digital“
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Die elektronische Patientenakte ist die Zukunft. Dies gilt für alle ärztlichen Bereiche. Ihre Etablierung wurde in den vergangenen Jahren bis heute immer weiter vorangetrieben. Umso wichtiger ist die Schaffung von grundlegenden Voraussetzungen in den Praxen, um den juristischen und tatsächlichen Anforderungen Genüge zu tun. Die rechtlichen Rahmenbedingungen sollen im Folgenden erläutert werden.
Warum Patientenakten?
Patientenakten haben in erster Linie eine Beweis- und Dokumentationsfunktion. Einerseits soll sie den Behandlungsverlauf lückenlos aufzeichnen. Andererseits dient sie sowohl dem Behandler als auch dem Patienten für etwaige Entlastungs- oder Belastungsbeweise, wenn Unstimmigkeiten auftreten. Dies wird mit einem gesetzlich festgeschriebenen Recht auf Einsichtnahme durch den Patienten untermauert: Das am 26.2.2013 in Kraft getretene Patientenrechtegesetz besagt, dass dem Patienten gemäß § 630 g BGB unverzüglich Einsicht in die vollständige, ihn betreffende Patientenakte zu gewähren ist. Ausnahmen gelten hier nur für Patienten in einer therapeutischen Behandlung sowie bei erheblichen Rechten Dritter, beispielsweise bei Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft. Dies wurde bereits gerichtlich bestätigt. In einem Urteil des Landgerichts Kiel vom 30.3.2007, Az. 8 O 59/06 wurde ein Chirurg dazu verurteilt, seiner Patientin Einsicht in ihre Patientenakte zu gewähren. Er argumentierte zwar, die Patientin würde die Unterlagen auf Dauer und nicht nur für die Einsichtnahme behalten. Die Klägerin aber versicherte, dass sie die Unterlagen nur solange zur Einsicht behalte, bis die notwendige Auswertung durch eine fachkundige Person durchgeführt werde. Das Gericht entschied zu ihren Gunsten, sodass ihr Einsicht zu gewähren war. Dabei kann die Einsichtnahme auch außerhalb der Praxisräume gewährt werden.
Beweiswert von Patientenakten bei Gericht
Im Falle einer Klage gilt der Grundsatz der freien Beweiswürdigung. Das Gericht urteilt unter Berücksichtigung des gesamten Sachvortrags sowie aller Beweise nach freier Überzeugung. Der Behandler muss beweisen, dass die Dokumente weder lückenhaft noch nachträglich veränderbar waren. Er muss alle Zweifel bezüglich der Echtheit des Dokumentes widerlegen können. Dies ist grundsätzlich nur durch den Vergleich mit dem Originaldokument möglich. Wenn das Originaldokument nicht mehr vorhanden ist, liegt das Risiko der Beweislast beim Behandler. Falls das Gericht an der Echtheit des Dokuments zweifelt, muss es hierfür jedoch auch Anhaltspunkte geben. Das Gericht akzeptiert als Beweismittel auch die glaubhafte Versicherung des Behandlers und die medizinische Plausibilität der Behandlung. Das Gericht kann die Dokumente auch anzweifeln, wenn sie entsprechende Anhaltspunkte dafür aufweisen. Indizwirkung haben beispielsweise nachträgliche Veränderungen und Anfertigungen mit zeitlichem Abstand. Das Oberlandesgericht Naumburg vom 26.1.2012, Az. 1 U 45/11 hat entschieden, dass auch, wenn keine revisionssichere Software benutzt wurde, dies nicht zur Minderung des Beweiswerts führen muss. Nun führt aber gemäß §630f Abs. 1 S. 2 und 3 BGB die Nutzung nicht-revisionssicherer Software automatisch zur Verminderung der Beweiskraft. Der sicherste Weg ist also die Verwendung einer revisionssicheren Praxissoftware. Um auch der Dokumentationspflicht gerecht zu werden, gilt die Aufbewahrungspflicht. Bei der zahnärztlichen Dokumentation ist die Aufbewahrungsfrist in § 12 MBO-Z zahnärztliche Dokumentation geregelt: 1) Der Zahnarzt ist verpflichtet, Befunde und Behandlungsmaßnahmen chronologisch [....] mindestens zehn Jahre nach Abschluss der Behandlung aufzubewahren. Diese Regelungen gelten, soweit nicht nach anderen Vorschriften andere Aufbewahrungsfristen bestehen. Davon abweichend sind zahnärztliche Modelle mindestens zwei Jahre nach Abschluss der Behandlung aufzubewahren. Diese Regelungen gelten, soweit nicht nach gesetzlichen oder anderweitigen Vorschriften längere Aufbewahrungsfristen bestehen. § 28 IV RöV und § 43 III Strahlenschutzverordnung schreiben z. B. eine Aufbewahrungsfrist von 30 Jahren vor. Um diesem Erfordernis gerecht zu werden, ohne in einer Papierflut unterzugehen, oder sogar die einfache Zugänglichkeit noch nach Fristende sicherzustellen, ist die digitale Aufbewahrung der Schritt in die Zukunft.
Datenschutzvorschriften
Datenschutzrechtlich begegnen die Praxen hier einigen Herausforderungen. Die digitale Aufbewahrung von Patientendaten ist gegen Zugriff von außen sicherzustellen. Die Grundnorm für Datensicherung und Datenschutzkontrollen ist im §9 S. 1 BDSG geregelt. Die Generalklausel enthält die Regelung, dass jeder, der nach Maßgabe des Bundesdatenschutzgesetzes personenbezogene Daten verarbeitet, die technischen und organisatorischen Maßnahmen zu treffen hat, die erforderlich sind, um die Ausführung jener Vorschriften zu gewährleisten. Denn die digitale Archivierung, von beispielsweise Röntgenaufzeichnungen, entspricht der Speicherung von personenbezogenen Daten (§ 2 II Nr. 1 BDSG). War die Patientendokumentation früher nur eine Gedächtnisstütze des ärztlichen Behandlers, ist sie heute verpflichtend. Werden die Patientenunterlagen dem Patienten nicht zur Verfügung gestellt, führt dies automatisch zu einer Beweiserleichterung für den Patienten. Bei einer fehlerhaften Befundsicherung gilt die Beweiserleichterung nur bis zu der Vermutung, dass der Befund medizinisch positiv gewesen wäre. Wenn eine hinreichende Wahrscheinlichkeit vorliegt, ist dies ein Nachweis des hypothetischen Verlaufs über die Pflichtverletzung des Kieferorthopäden. Bei schuldhaftem Unterlassen des Behandlers, zum Schutz seines Patienten medizinisch gebotene Befunde zu sichern, erschwert dies den Nachweis über den Krankheitsstatus für die weitere Behandlung.
© Dukes - Shutterstock.com
Cloud-Dienste
Um diesem Datenaufkommen Herr zu werden, greifen viele Praxen statt auf ein internes Speichersystem auf sogenannte Cloud-Dienste zurück. Bei Cloud-Diensten handelt es sich um eine Auslagerung von Patientenunterlagen an einen externen Informationsdienstleister. Die Verwendung fällt neben dem Datenschutz auch unter das Berufsrecht. Erfolgt die Benutzung eines ausländischen Cloud-Angebotes ohne Einwilligung des Patienten, stellt dies einen Verstoß gegen das Berufsgeheimnis dar und löst damit unter Umständen Schadensersatzansprüche aus. Besonderer Beliebtheit erfreut sich der Anbieter „Dropbox“. „Dropbox“ liefert einen einfachen Zugang, für Geschäftskunden bietet es zudem einigen Speicherplatz für moderate Preise an. Das Problem bei der Dropbox jedoch sind die nicht anonymisierten Patientendaten. Im Jahr 2011 gab es in der Dropbox ein Software-Problem, sodass für vier Stunden viele Daten von Nutzern von allen Usern gesehen werden konnten. Zudem kann hier der Speicherort unklar sein, wenn beispielhaft der Server außerhalb Deutschlands bei einem Sub-Provider liegt. Hier tritt dann das „Safe-Harbor-Framework“-Problem auf. Nach dem EG-Recht zum Datenschutz ist es grundsätzlich verboten, personenbezogene Daten aus Mitgliedstaaten der EU in Staaten zu übertragen, deren Datenschutz kein dem EU-Recht vergleichbares Schutzniveau aufweist. Hierzu zählen auch die Vereinigten Staaten, da dort keine dem EU-Recht entsprechenden Regelungen bestehen. Weiterhin ist für den Dienst unerheblich, dass verschlüsselte und anonymisierte Daten nicht dem Berufsgeheimnis unterliegen. Die Dropbox-Rechte (AGBs) enthalten weitreichenden Nutzungsbedingungen durch unbestimmte Formulierungen. Situationen, in denen sich Dropbox die Offenlegung gegenüber Dritten vorbehält, sind zum Beispiel:
- Gesetz, Vorschrift oder rechtliche Bindung
- Schutz einer Person vor Tod oder schwerer Kopfverletzung
- Betrug oder Missbrauch von Dropbox und Nutzern
- „Schutz der Schutzrechte“ von Dropbox
Daher wird ein ausreichender Datenschutz nicht geleistet. Bei der Wahl eines Cloud-Anbieters ist somit stets auf das Kleingedruckte zu achten. Um den Datenschutzanforderungen zu genügen, muss die Umstellung auf die digitale Patientenakte gut vorbereitet werden. Die Anwälte der Kanzlei Gedigk & Partner beraten Kieferorthopäden fortwährend in kfo-rechtlichen Fragen. Die digitale Patientenakte ist aufgrund der rechtlichen Entwicklung als besonders aktuelles Problem in der Vergangenheit hervorgetreten. Wir stehen Ihnen mit unserer Fachkompetenz gern zur Seite!