Branchenmeldungen 23.10.2025

Nachgefragt: Experten zum Thema „Implantologische Chirurgie“



Die implantologische Chirurgie umfasst verschiedene Techniken, die darauf abzielen, den Kieferknochen optimal für den Einsatz von Implantaten vorzubereiten. Dazu gehören Verfahren wie Knochenaugmentation, Sinuslift-Operationen und minimalinvasive Techniken, die die Heilung fördern und Komplikationen minimieren.

Nachgefragt: Experten zum Thema „Implantologische Chirurgie“

Foto: BoBloob – stock.adobe.com

Der Einsatz fortschrittlicher Technologien, wie 3D-Bildgebung und navigierte Chirurgie, ermöglicht eine präzisere und individuellere Durchführung der Eingriffe, was die langfristige Prognose der Patienten verbessert. In diesen Seiten teilen Experten ihre Einschätzungen zu den neuesten Fortschritten und Herausforderungen.

Dr. Fabian Meinke, M.Sc., Privatpraxis Zaritzki Fine Dentistry


Präzision, Effizienz und neue Maßstäbe

Die fortschreitende Digitalisierung hat das Potenzial, die implantologisch-chirurgische Arbeitsweise grundlegend zu verändern. Durch den digitalisierten Workflow können komplexe anatomische Situationen präoperativ erkannt und berücksichtigt werden. Navigierte Verfahren ermöglichen es, auch in schwierigen Regionen – etwa in Nervnähe oder bei limitierter Knochen- höhe – vorhersagbare Ergebnisse zu erzielen. Moderne Implantate mit weiterentwickelten Oberflächen und stabileren Werkstoffen ermöglichen immer kürzere und schmalere Implantatkörper. Dieser Prozess hilft dabei, aufwendige chirurgische Verfahren in der Implantologie zu minimieren, was die Implantologie insgesamt für Patienten zugäng- licher macht, indem es die operative Belastung senkt und so auch zu einem positiveren Image in der Bevölkerung führt. Besonders innovativ ist aktuell unter anderem die Kombination digitaler Planung mit individuell gestaltbaren, scanbaren Gingivaformern. Diese ermöglichen in geeigneten Fällen ein transgingivales Einheilkonzept, wodurch zusätzliche Eingriffe wie Frei- legung, Abformung oder Anprobe entfallen. Die finale Versorgung kann so häufig bereits nach acht bis zehn Wochen erfolgen. Der Zugewinn an Effizienz, Vorhersagbarkeit und Patientenkomfort ist signifikant. Dennoch bleibt der Erfolg abhängig von der Akzeptanz in der Breite der Behandlerschaft. Digitale Workflows müssen verstanden, angewendet und aktiv in den Praxisalltag integriert werden. Wer sich mit diesen Möglichkeiten jetzt auseinandersetzt, erkennt schnell: Die Prozesse sind heute schlanker, sicherer und praxisorientierter als je zuvor. Der Trend zur vollständig digitalisierten Implantologie – von der Planung über die navigierte Chirurgie bis zur CAD/CAM-gefertigten Versorgung – ist nicht mehr aufzuhalten und definiert in Zukunft die neue Benchmark unserer Disziplin.

Prof. Dr. Matthias Karl, Universitätsklinikum Marburg


Implantologie im Wandel: Strukturerhalt statt schneller Lösungen

Vielleicht ist es der Technikgläubigkeit der Zeit geschuldet, dass der Anspruch unserer Implantatpatienten an Versorgungsqualität, Vorhersagbarkeit und Behandlungsdauer in den letzten Jahren exorbitant gewachsen ist. Unabhängig vom jeweiligen Ausgangszustand und teilweise auch nach Entfernung vorbestehender Implantate wird dennoch eine Restitutio ad integrum, teilweise sogar eine „Selbstoptimierung“ der dentalen Situation erwartet. In dieses Mindset passen dann auch Begriffe wie „Ter- minal Dentition“, die nur durch Extraktion und „All-on-X“ therapiert werden können – idealerweise als Sofort- versorgung. Bei aller Evolution von Biomaterialien und chirurgischen Techniken zeigt sich jedoch, dass ortsständiger Knochen und Weichgewebe absolut wertvoll für den langfristigen Erfolg implantatprothetischer Rehabilitationen sind. Ebenso bedeutsam erscheint die Propriozeption noch vorhandener und therapierbarer Restzähne, vor allem mit Blick auf die Belastungsgröße der Restaurationen. In unserer alternden Patientenklientel mit vermehrten Co-Morbiditäten erscheint primär der Strukturerhalt und ein kontrolliert langsames Vorgehen sinnvoll. Oftmals sind weniger limitierte finanzielle Ressourcen ein Problem als vielmehr die mangelnde Vorhersagbarkeit chirurgischer Interventionen. Die Implantologie hat eine dramatisch positive Entwicklung genommen, mit einem gigantischen Portfolio an Materialien, Techniken und Komponenten, die bei überlegter Planung und Anwendung alle Indikationen sicher abdecken. Es liegt vielmehr an uns, die Dinge sinnvoll einzusetzen, der Biologie Zeit zu geben – die jeder Patient mit Blick auf die erhoffte Langlebigkeit der Versorgungen hat – sowie das Zusammenspiel von Chirurgie und Prothetik zu optimieren, um beispielsweise Augmentationen zu vermeiden bzw. zu minimieren. Moderne Implantologie inseriert nicht in möglichst kurzer Zeit möglichst viele Implantate, sondern respektiert vorhandene Zähne und nutzt ortsständigen Knochen optimal, anstatt diesen thermisch zu schädigen und anschließend mit einem aggressiven Implantat zu komprimieren. So banal es klingen mag, aber die langsame Aufbereitung der Osteotomie mit immer scharfen Instrumenten wäre hier ein Anfang. Die Tools dazu sind selbstverständlich vorhanden – aber nutzen wir sie auch immer?

ZTM Frank Löring, Inhaber DKZ, Witten


KI in der Implantatplanung: Unterstützung statt Vorgabe

Es wird häufig die Ansicht vertreten, dass der Einsatz von KI die Implantatplanung verbessert. Dem möchte ich widersprechen – und zwar nicht aus Prinzip, sondern aufgrund der Erfahrungen, die wir heute bereits gemacht haben. Es gibt viele Behandler, die erfolgreiche Implantationen durchführen und auch in Zukunft weiterhin exzellente Ergebnisse erzielen werden. Dabei folgt jedoch jeder einem eigenen Ansatz und Behandlungsstil. Wenn nun KI zum Einsatz kommt, müsste der zugrunde liegende Algorithmus auf den individuellen Behandlungsweg und -stil abgestimmt werden. Und das lässt sich nicht pauschalisieren. In der Diagnostik sieht es anders aus: Hier wissen wir aus zahlreichen Studien, dass KI eine höhere Treffsicherheit erzielt – etwa bei der Auswertung radiologischer Bilder, unabhängig von der Körperregion. Doch den eigentlichen Behandlungsweg von einer KI vorgeben zu lassen, halte ich für bedenklich. Viel sinnvoller erscheint es mir, die KI so zu trainieren, dass sie bevorzugte Behandlungsansätze unterstützt.

Eris Dragoti, Praxisklinik im Kubus


Tradition und Innovation im Einklang für nachhaltigen Erfolg

Die Verwendung von Implantaten ist heute in nahezu allen Disziplinen der Medi-zin selbstverständlich. Während orthopädische Chirurgen mit großvolumigen Endoprothesen arbeiten, bewegen wir uns in der Zahnmedizin im Bereich kleinster Strukturen. In zahlreichen Fällen weisen dentale Implantate über einen Zeitraum von zehn Jahren höhere Überlebensraten auf als orthopädische Endo-Prothesen. Der Grund liegt weniger in „besserer Chirurgie“, sondern in den biologischen Rahmenbedingungen. Wir operieren in einem hoch vaskularisierten, vergleichsweise kleinen Gebiet mit idealen Voraussetzungen für die biologische Integration. Die Biologie und Physiologie stehen in der Implantologie von Beginn an auf unserer Seite und genau darin liegt ihr Erfolgs- geheimnis. In meiner Weiterbildung lag der Schwerpunkt zunächst auf Rekonstruktion: Knochenaufbau, Weichgewebsmanagement, Augmentationsmaterialien. Der entscheidende Wendepunkt war jedoch die Erkenntnis, dass nachhaltiger Erfolg weniger in der Rekonstruktion als vielmehr in der Präservation der vorhandenen Biologie liegt. Nur wer Gewebe versteht und bewahrt, kann langfristig stabile Ergebnisse erreichen. Vor diesem Hintergrund erlebt auch die Sofortimplantation eine Renaissance: kein neues Konzept, sondern ein etablierter Ansatz, der heute, unterstützt durch modernes Implantatdesign und vertieftes biologisches Wissen, deutlich vorhersagbarere Ergebnisse liefert. Parallel dazu sehen wir eine enorme Dynamik durch digitale Workflows, navigierte Chirurgie und KI-gestützte Planung. Diese Technologien besitzen großes Transformationspotenzial, stoßen jedoch aktuell noch an Präzisions- und Standardisierungsgrenzen. Entscheidend bleibt: Technologie darf die Biologie nicht überholen. Sie muss mit ihr in Einklang stehen. Die Rahmenbedingungen unserer Arbeit verändern sich rasant. Unsere Patient/-innen werden älter, brin- gen komplexere Vorerkrankungen und Polypharmazie mit und wünschen sich gleichzeitig festen, funktionellen und ästhetisch hochwertigen Zahnersatz. Genau das zeigt sich in unserer täglichen Praxis. Patienten werden älter, Defekte größer, Erwartungen höher. Ebenso wichtig ist die Integration von Mund- und Allgemeingesundheit. Wie es der Oralwissenschaftler Robert Genco treffend formulierte: „Putting the mouth back in the body.“ Dieser Gedanke ist mehr als ein Leitspruch, er ist eine Verpflichtung, Implantologie als Teil eines größeren medizinischen Gesamtkonzepts zu verstehen.

Die chirurgische Implantologie von morgen verlangt daher drei Dinge:

  1. Langzeitdenken: Implantologie ist kein Event, sondern ein Langzeitprojekt. Prävention periimplantärer Infektionen, strukturierte Nachsorge und Erhalt von Gewebe bleiben essenziell.
  2. Anpassung an Demografie und Defekte: Ältere Patienten mit Multimorbidität und komplexere Defekte erfordern individualisierte Konzepte, die biologisch tragfähig und gleichzeitig praxistauglich sind.
  3. Balance aus Hightech und Handwerk: Digitale Workflows integrieren, aber das biologische Fundament und chirurgische Können nie aus den Augen verlieren.

Für uns junge Implantologen bedeutet das, Brücken zu schlagen zwischen Tradition und Innovation, zwischen digitaler Welt und biologischer Realität, zwischen Mund und Gesamtorganismus. Nur so können wir die steigenden Erwartungen unserer Patient/ -innen erfüllen und die Implantologie zukunftsfähig weiterentwickeln.

Nachgefragt! Nach den wertvollen Erkenntnissen unserer Experten möchten wir Sie herzlich einladen, an einer anonymen Umfrage zum Thema Periimplantitis und Risikomanagement teilzunehmen. Ziel der Umfrage ist es, ein tieferes Verständnis für die aktuellen Ansätze zur Prävention, Diagnose und Behandlung von Periimplantitis zu gewinnen und zu erfahren, wie Risikomanagement in der täglichen Praxis umgesetzt wird. Wir bedanken uns für Ihre Teilnahme! Jetzt teilnehmen!

Implantologie Journal 11/25

Implantologie Journal


Dieser Beitrag ist im IJ Implantologie Journal erschienen.

Das Implantologie Journal hat sich als eine unverzichtbare Informationsquelle für Fachleute der zahnärztlichen Implantologie etabliert. Das Themenspektrum reicht von Fachbeiträgen über aktuelle Entwicklungen in der Forschung bis hin zu Expertenmeinungen, Kongressberichten und Neuigkeiten zu den Aktivitäten der DGZI sowie Industrie. Jede Ausgabe widmet sich einem spezifischen Fokusthema, das einen Teilbereich der Implantologie vertieft.

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