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Punktgenaue Strahlentherapie für Krebspatienten
Tumoren des Nasen-Rachen-Raumes fallen in die Gruppe der Kopf-Hals-
oder HNO-Tumoren, an denen österreichweit jährlich rund 1.000 Personen
neu erkranken. Tumoren dieser Region stellen, aufgrund ihrer Diagnose in
einem häufig bereits lokal fortgeschrittenen Stadium und der
unmittelbaren Nähe zu wichtigen Organen bzw. Strukturen wie Rückenmark,
Speicheldrüse und Schluckapparat, eine große Herausforderung für den
Radioonkologen (Strahlentherapeuten) dar. Es ist daher besonders
wichtig, die zu verabreichende Dosis besonders zielgenau einzustrahlen,
um die Wahrscheinlichkeit unerwünschter Spätnebenwirkungen an
umliegenden gesunden Geweben so gering wie möglich zu halten.
Die Dauer einer Strahlentherapie beträgt in der Regel sieben
Wochen. Während dieses Zeitraumes kommt es zu Veränderungen im
Tumorvolumen, und damit auch in der Lage des Tumors zu umgebenden
kritischen Strukturen sowie zu körperlichen Veränderungen durch
Gewichtsab- oder Zunahme.
Medizinphysiker und Radioonkologen der Univ.-Klinik für
Strahlentherapie-Radioonkologie der Medizinischen Universität Graz sind
mit dem Leitgedanken, ein adaptives Behandlungskonzept für Patienten mit
HNO-Tumoren gemeinsam zu entwickeln, an die steirische
Innovationsschmiede JOANNEUM RESEARCH herangetreten. Ziel war es, eine
Software zu entwickeln, mit der eine Adaption (Anpassung) des
Bestrahlungsplanes über die Gesamtbehandlungsdauer exakt und
automatisiert erfolgt.
Die Bestrahlungsplanung selbst erfolgt auf Basis von
Computertomographie (CT)-Daten, die am Beginn der Therapie erhoben
werden. Eine neuerliche Planung mittels CT unter Bestrahlung wird
derzeit weltweit nur bei klar ersichtlichen Veränderungen durchgeführt,
da mit der Erstellung neuer Planberechnungen ein in praxi nicht
umsetzbarer Zeitaufwand verbunden ist, der die zeitnahe Behandlung
anderer Patienten gefährdet.
DIGITAL, das Institut für Informations- und
Kommunikationstechnologien der JOANNEUM RESEARCH, hat unter Federführung
von Institutsdirektor Dr. Heinz Mayer für dieses Problem eine Lösung
gefunden. In 14-tägigen Abständen werden erneut CT-Daten erhoben, um
auftretende Abweichungen zu berechnen und die/den behandelnden
Ärztin/Arzt bei der Strahlendosisberechnung durch einen konkreten
Vorschlag zu unterstützen. Dies bedeutet zwar zwei zusätzliche
Untersuchungen, es überwiegt jedoch der Vorteil, gesundes Gewebe dadurch
signifikant besser schützen zu können.
Die in Kooperation mit der Medizinischen Universität Graz
entwickelte Software ReDeform© ermöglicht die automatische Auswertung
der anatomischen Veränderungen im HNO-Bereich. Beim Vergleich zweier
Datensätze von unterschiedlichen Zeitpunkten ist die genaue anatomische
Änderung feststellbar, ohne rund 200 Schnittbilder per Hand bearbeiten
zu müssen. Mit Hilfe von ReDeform© werden die von der ersten
Untersuchung eingezeichneten Konturen für die Bestrahlungsplanung auf
den neuen Datensatz transferiert, wodurch eine auf den aktuellen
körperlichen Zustand des Patienten angepasste Bestrahlung ermöglicht
wird. Unter der Leitung von Klinikvorständin Univ.-Prof. Dr. Karin Kapp und des Medizinphysikers Dipl.-Ing. Dr. Peter Winkler
wurde an der Univ.-Klinik für Strahlentherapie-Radioonkologie der
Medizinischen Universität Graz eine klinische Studie durchgeführt, die
mittlerweile abgeschlossen ist. „Das Resultat dieses gemeinsamen
Projekts ist höchst erfreulich. Die vom Forschungsteam der JOANNEUM
RESEARCH entwickelte Software ReDeform© ermöglicht einen adaptiven
Therapieansatz zur kontinuierlichen Optimierung der Bestrahlungsplanung
über die gesamte Behandlungsdauer. Bei der adaptiven Strahlentherapie
wird das Bestrahlungsgerät mit 3-D-Röntgenbildgebung gekoppelt. Strahlen
werden präziser auf den Tumor gelenkt. Das umgebende, gesunde Gewebe
wird dabei vor Strahlenschäden geschont. Die bestrahlte Körperregion ist
im Laufe eines Behandlungszyklus ständig unter Beobachtung. Bei
Veränderungen der Tumorregion kann sofort nachjustiert werden“, erklärt
Dr. Winkler.
Projektleiterin DI Dr. Martina Uray freut sich, dass die Studie
erfolgreich abgeschlossen wurde und arbeitet bereits an der
Weiterführung des Projekts. Geplant ist die Ausweitung der medizinischen
Anwendung auf andere Körperregionen und auch auf alternative
bildgebende Verfahren wie etwa CBCT (digitale Volumentomografie). „Die
Erweiterung der entwickelten Lösung - also die Übertragung der
ursprünglichen Bestrahlungsplanung auf die aktuellen körperlichen
Gegebenheiten - auf andere Modalitäten und Körperregionen, ist der
nächste logische Entwicklungsschritt. Die Daten werden mit den Faktoren
Bewegung und Zeit ergänzt und in den Projekt- bzw. Behandlungsplan
eingefügt. Durch diese Erweiterungen kann ReDeform in den derzeitigen
Behandlungsablauf einer wesentlich breiteren Patientengruppe integriert
werden“, erläutert Uray.
Der Vertrieb des Medizinprodukts wird in Zukunft auch in
professionelle Hände gelegt. JOANNEUM RESEARCH verfügt über eine gut
ausgebaute Forschungs- und Wissenschaftsinfrastruktur, der Vertrieb
erfolgreicher Produkte und Services wird jedoch in andere Hände gelegt. „Wir
haben bereits zu Beginn darauf geachtet, eine ISO13485 konforme
Entwicklung sicherzustellen. Nur so war es möglich, die gemeinsam mit
der an der Medizinischen Universität Graz durchgeführten Studie
ReDeform© internationalen Firmen der Branche zur Vermarktung anzubieten.
Durch die externe Vermarktung wird ein rascher Marktzugang auf Basis
eines umfassenden Vertriebsnetzwerkes ermöglicht. Derzeit wird mit
mehreren Partnern verhandelt. Die beste Option, die auch eine
Weiterentwicklung des Produkts ermöglicht, wird wahrgenommen.“ so Mayer
über die Vertriebsstrategie.
Quelle: MedUni Graz