Branchenmeldungen 01.12.2016
Nutzen oder Schaden? Fluoridlacke bei Schmelzkaries an Milchzähnen
Vorbericht publiziert: Nutzen oder Schaden mangels Studien unklar
Während Karies bei Erwachsenen und Jugendlichen rückläufig ist,
zeigen Untersuchungen bei den unter 3-Jährigen fast keine Reduktion
dieser Art von Zahnschäden. Das Institut für Qualität und
Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) untersucht derzeit, ob
Fluoridlacke, die lokal auf oberflächliche, erst beginnende Schäden am
Zahnschmelz aufgetragen werden, den betroffenen Kindern Vorteile bieten.
Die vorläufigen Ergebnisse dieser Nutzenbewertung liegen nun vor.
Demnach bleiben Nutzen oder Schaden unklar, da es bisher keine
geeigneten Studien gibt.
Weiße Flecke können Vorboten der Karies sein
Karies kann bereits kurz nach Durchbruch der Milchzähe auftreten und für
die betroffenen Kleinkinder schmerzhaft sein. Verlieren sie frühzeitig
ihre Milchzähne, kann das ihr Kauvermögen beeinträchtigen und nicht nur
die Entwicklung der Sprache, sondern auch der bleibenden „zweiten“ Zähne
behindern. Mit initialer Kariesläsion bezeichnen Fachleute Karies im
Frühstadium, bei dem der Zahnschmelz eingelagerte Mineralien verliert,
was als weiße „Kreideflecken“ an der Oberfläche sichtbar wird.
Fluoridlacke sollen Remineralisation fördern
Um diesen Prozess zu bremsen oder zu stoppen, wird versucht, erneut
Mineralien in den Zahnschmelz einzulagern. Aufgrund verschiedener
biochemischer Mechanismen ist Fluorid geeignet, diese Remineralisation
zu befördern. Fluoridverbindungen werden deshalb Zahncreme beigemengt.
Aber auch als Lack kommt der Stoff zum Einsatz. Soll dieser Fluoridlack
der Prophylaxe dienen, wird in der Regel das komplette Gebiss behandelt.
Zu therapeutischen Zwecken kann man den Lack aber auch lokal begrenzt,
auf die bereits sichtbar betroffenen Stellen im Milchgebiss auftragen.
Allein die lokale Applikation initialer Kariesläsionen ist Gegenstand
dieser Nutzenbewertung.
Art der Intervention ermöglicht RCT
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler suchten deshalb nach
Studien, die einen direkten Vergleich anstellen zwischen der Therapie
mit einer lokal begrenzten Fluorid-Lackierung einerseits und einer
alternativen oder einer Schein-Behandlung (Placebolack) andererseits.
Dabei sind begleitende Maßnahmen wie etwa professionelle Zahnreinigung
oder Ernährungsberatungen zugelassen, sofern diese in beiden
Studienarmen in gleicher Weise eingesetzt werden. Aufgrund der Art der
Intervention sind randomisierte kontrollierte Studien (RCT) möglich.
Studien unterscheiden nicht zwischen Therapie und Prophylaxe
Solche Studien gibt es bislang allerdings nicht. Denn von einer Ausnahme
abgesehen unterscheiden die verfügbaren Studien nicht zwischen Therapie
und Prävention. Das zeigt sich darin, dass der Fluoridlack nicht nur
lokal begrenzt, sondern auf das gesamte Milchgebiss aufgetragen wurde.
Bei einigen Studien waren zudem die erhobenen Zielkriterien nicht
patientenrelevant: der Grad der Remineralisation allein ist für die
Patientinnen und Patienten nicht spürbar, wohl aber die Notwendigkeit
einer Zahnfüllung.
Schließlich wurden bei vielen Studien die Daten mit den
Behandlungsergebnissen nicht patienten-, sondern zahnbasiert
ausgewertet. So bleibt aber unberücksichtigt, dass der Zustand eines
einzelnen Zahns abhängig ist von einer ganzen Reihe von
patientenindividuellen Faktoren, z. B. von der jeweiligen Mundhygiene.
Somit bleiben Nutzen und Schaden lokal applizierter Fluoridlacke auf
initialen Kariesläsionen im Milchgebiss unklar. Geeignete Studien wären
aber machbar, weshalb der Vorbericht auch konkrete Vorschläge zu einem
geeigneten Design enthält.
Zum Ablauf der Berichtserstellung
Den vorläufigen Berichtsplan für dieses Projekt hatte das IQWiG im Mai
2016 vorgelegt und um Stellungnahmen gebeten. Diese wurden zusammen mit
einer Würdigung und dem überarbeiteten Berichtsplan im August 2016
publiziert. Stellungnahmen zu dem jetzt veröffentlichten Vorbericht
werden nach Ablauf der Frist gesichtet. Sofern sie Fragen offenlassen,
werden die Stellungnehmenden zu einer mündlichen Erörterung eingeladen.
Quelle: Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)