Branchenmeldungen 15.04.2024

Fragen und Antworten rund um das Thema Xerostomie

Fragen und Antworten rund um das Thema Xerostomie

Foto: Asiya Hotaman & Igor Levin – Shutterstock.com

Circa ein Fünftel der weltweiten Bevölkerung leidet an Mundtrockenheit – für Betroffene gehen damit ­unangenehme Symptome wie Sprech-, Kau- und Schluckbeschwerden oder brennende Lippen und Zunge einher. Zudem gefährden Xerostomie und Hyposalivation die Mundgesundheit, da Speichel die Zähne und Mundschleimhaut vor Schäden schützt. In folgendem Interview gibt Dr. med. dent. Christoph ­Schoppmeier Einblicke in Therapiemöglichkeiten.

Wie verbreitet ist Xerostomie bzw. Hyposalivation?

Mundtrockenheit ist ein weitverbreitetes Phänomen, dessen Prävalenz in jüngster Zeit neu erfasst wurde. Dabei schwankt die Prävalenz von Xerostomie bzw. Hyposalivation aufgrund variierender Diagnostikkriterien und populationsbezogener Unterschiede beträchtlich. Dennoch wird geschätzt, dass zwischen 10 und 20 Prozent der weltweiten Bevölkerung Symptome von Xerostomie aufweisen, wobei ältere Menschen stärker betroffen sind. Neuere Erkenntnisse, die durch groß angelegte Übersichtsarbeiten gestützt werden, haben die ursprünglich berichtete Prävalenz von etwa 20 Prozent revidiert. Nach diesen umfassenden Analysen wurde die Prävalenz von Mundtrockenheit auf 30 Prozent bei Patienten ab 60 Jahren korrigiert.7 Diese Revision stellt einen signifikanten Anstieg dar und unterstreicht die klinische Relevanz dieser Erkrankung. Neuere Studien zeigen zudem geschlechtsspezifische Unterschiede in der Prävalenz von Hyposalivation. Auffallend ist, dass Frauen deutlich häufiger betroffen sind als Männer. Dies wird auf eine Reihe von Faktoren zurückgeführt, darunter hormonelle Unterschiede, spezifische Gesundheitsprobleme und möglicherweise die höhere Lebenserwartung von Frauen. Diverse weitere Faktoren beeinflussen diese Prävalenz, da­runter Polypharmazie (viele Medikamente können die Speichelsekretion negativ beeinflussen) sowie spezifische Krankheitszustände, wie zum Beispiel das Sjögren-Syndrom, eine Autoimmunerkrankung, die vornehmlich die Speichel- und Tränendrüsen betrifft.

Wie lassen sich Personen mit Xerostomie in der Praxis optimal betreuen und was sind Ihre Empfehlungen für die häusliche Pflege?

Erster Schritt zur Milderung der Symptome ist die Modifikation des Lebensstils.26 Eine angemessene Hydratation, insbesondere durch Wasseraufnahme, spielt eine zentrale Rolle bei der Erhaltung der Mundfeuchtigkeit. Die Vermeidung von Tabak und Alkohol kann ebenfalls dazu beitragen, die Symptome zu minimieren, da beide Substanzen die Mundtrockenheit potenzieren können. Zudem kann eine ausgewogene Ernährung, reich an Obst und Gemüse, den Speichelfluss anregen. Schließlich unterstützen regelmäßige Mundhygienemaßnahmen wie das Zähneputzen mit fluo­ridier­ter Zahnpasta und die Verwendung von fluoridierten Mundspülungen die Reduktion des Kariesrisikos, das durch die verringerte Spül- und Pufferkapazität des Speichels begünstigt wird.

In Bezug auf die Zahnpflege ist der Einsatz von Produkten mit Calcium- und Phosphationen wie CPP-ACP oder Hydroxyl­apatit sinnvoll. Hydroxylapatit ist aufgrund seiner Ähnlichkeit mit dem natürlichen Zahnschmelz ein biomimetischer Wirkstoff. Najibfard et al. haben gezeigt, dass Hydroxyl­apatit auch bei geringem Speichelfluss wirksam ist.27 Von der alleinigen Anwendung von Hydroxyl­apatit­produk­ten statt Fluoriden muss aufgrund der deutlichen dokumen­tierten Überlegenheit von Fluoriden in Hinblick auf Kariesprävention abgeraten werden. Darüber hinaus sollten Produkte mit Wirkstoffen mit polaren funktionellen Gruppen wie Glycerin, Sorbitol oder Betain empfohlen werden, da diese Feuchtigkeit im Gewebe zurückhalten und für ein angenehmes Mundgefühl sorgen können. Neben der mechanischen Plaquekontrolle durch das Zähneputzen kann durch antimikrobielle Wirkstoffe wie Xylitol, Zink oder Lactoferrin eine zusätzliche Hemmung des Biofilmwachstums erreicht werden. Vor allem bei älteren Menschen kann eine Vielzahl von Fluoridierungsmaßnahmen empfohlen und praktisch umgesetzt werden, besonders wenn ein erhöhtes Karies­risiko festgestellt wird. Diese Maßnahmen können neben den allgemeinen Plaquekontrollmaßnahmen eine signifikante Rolle bei der Prävention und nichtinvasiven Therapie von Wurzelkaries spielen.

Insbesondere können Fluoridlacke und F-CHX-Lacke als wirksame Alternativen in Betracht gezogen werden. Die Verwendung einer hochkonzentrierten 5.000 ppm Fluoridzahnpaste (Duraphat) zeigt ebenfalls eine hohe Effektivität sowohl in der Arretierung einer aktiven Wurzelkaries als auch in der Prävention neuer kariöser Läsionen.28

Eine andere wichtige Intervention wäre die Anwendung von Silberdiaminfluorid (SDF), welche eine starke Ablagerung von CaF2-ähnlichen Präzipitaten sowie die Bildung von silber­phosphathaltigen Präzipitaten bewirkt. Zudem bietet es den Vorteil antibakterieller Silberionen, was zu einem starken therapeutischen Effekt führt.29

Speichelersatzstoffe sind Materialien, die als Alternative oder Ergänzung zum natürlichen Speichel dienen. Sie zielen darauf ab, die Auswirkungen einer reduzierten Speichel­produk­tion zu minimieren, indem sie die feuch­tig­keits­spen­dende, lubrizierende und puffernde Funktion von Speichel simulieren. Verschiedene Arten von Speichelersatzmaterialien, einschließlich Gelen, Sprays, Tabletten und Mund­spülun­gen, sind auf dem Markt erhältlich und werden in Abhängigkeit von der spezifischen Symptomatologie des Pa­tien­ten ausgewählt.

Die Wirksamkeit von Speichelersatz­mate­rialien hängt von ihrer Fähigkeit ab, eine physiologisch relevante Umgebung im Mund zu schaffen und aufrechtzuerhalten. Ein idealer Speichelersatz sollte die gleichen wichtigen Eigenschaften wie natürlicher Speichel aufweisen, einschließlich einer geeigneten Viskosität und pH-Balance. Er sollte zudem anti­mikro­bielle Bestandteile enthalten, um das Risiko von Infektionen zu reduzieren sowie Remineralisierungsmittel, um die Zahngesundheit zu fördern.

Die gängigen Speichelersatzmaterialien enthalten Substanzen wie Carboxymethylcellulose oder Hydroxyethylcellulose, die die lubrizierenden Eigenschaften von Speichel simulieren.30 Sie enthalten oft auch Stoffe wie Xylitol, das antimikrobielle Eigenschaften besitzt und die Kariesentwicklung verhindert.4, 26 Barbe et al. konnten zeigen, dass die Verwendung von GUM® HYDRAL® (Sunstar) in der Lage ist, die Mundgesundheit und die mit Xerostomie verbundene Lebensqualität wirksam zu verbessern.31 GUM® HYDRAL® soll die Mundschleimhaut vor einer durch Trockenheit bedingten Reizung schützen, indem es eine schützende Barriere bildet. Durch den Einsatz von Polyvinylpyrrolidon (PVP), Natrium­hyalu­ronat, Betain, Taurin und Propandiol soll eine Schutzschicht über die trockene Mundschleimhaut gelegt und ein mechanischer Schutz samt ausgiebiger Hydra­tation erreicht werden.


Dr. med. dent. Christoph ­Schoppmeier:

„Die Forschung zeigt, dass ein inter­professio­neller Ansatz zu einer höheren Patienten­zufriedenheit führt, die ­Symptome effizienter ­lindert und das ­allgemeine ­Wohl­befinden der Patienten verbessert.“


In Situationen, in denen Mundtrockenheit aufgrund der Einnahme bestimmter Medikamente auftritt, kann eine Anpassung der Medikation in Absprache mit dem behandelnden Hausarzt hilfreich sein,4 vor allem bei Medikamenten, die eine hohe anticholinerge Potenz haben. Durch einen Medikamentenwechsel kann diese anticholinerge Belastung so weit gesenkt werden, dass die induzierten Nebenwirkungen deutlich reduziert werden.

Sollte eine Änderung der Medikamenteneinnahme nicht möglich sein, existieren Medikamente, die als Speichel­anreger fungieren. Sialagoga, darunter die prominenten Beispiele Pilocarpin und Cevimelin, ahmen neuronale Signale nach, um die Speichelproduktion und -sekretion zu stimulieren, da diese durch Neurotransmitter gesteuert werden.32–35 Das Hauptziel von Pilocarpin ist der Muskarin­rezeptor 1 (M1), während das Hauptziel von Cevimelin der Muskarin­rezeptor 3 (M3) ist.26 Die empfohlene Dosierung von Cevimelin beträgt üblicherweise 30 mg oral dreimal täglich. Die maximale Tagesdosis sollte 90 mg nicht überschreiten.

Bei Pilocarpin als das am häufigsten genutzte parasympathomimetische Medikament36 beträgt die übliche Anfangsdosis 5 mg oral drei- bis viermal täglich. Diese Dosis kann nach ärztlicher Anweisung auf bis zu 10 mg pro Anwendung erhöht werden. Studien wurden unter Verwendung unterschiedlicher Dosen (3 und 5 mg), mit unterschiedlichen Appli­ka­tions­metho­den (Schluckta­bletten oder Auflösen von Tabletten im Mund oder Spüllösung) durchgeführt. Eine lokalisierte Behandlung mit Pilocarpin durch das Auflösen von Tabletten oder Spülungen mit 0,1 % scheint effektiver zu sein als eine systemische Verabreichung. Beide Medikamente sind wirksam in der Stimulierung der Speichelproduktion, obwohl individuelle Reaktionen auf die Therapie variieren können. Allerdings können diese Medikamente aufgrund ihrer Wirkungsweise und der ubiquitären Expression der Muskarinrezeptoren im Körper, welche ihre Zielmoleküle darstellen, zu ernsthaften Nebenwirkungen (häufiges Wasserlassen, Schwindel und Schwitzen, Übelkeit, Durchfall, Vasodilatation, Bronchokonstriktion, Hypotonie und Bradykardie) führen und mit existierenden Krankheiten (Asthma, chronischen Lungenerkrankungen oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen) interagieren.4, 37, 38 Patienten, die Cevimelin einnehmen, können aufgrund der spezifischen Zielsetzung auf M3-Muskarinrezeptoren im Vergleich zu Pilocarpin weniger Nebenwirkungen erfahren.

In der komplexen Behandlung der Mundtrockenheit nimmt die Interaktion zwischen Zahnmedizinern und anderen medi­zini­schen Experten eine entscheidende Position ein. Die Heterogenität der Erkrankung macht ein vielschichtiges medizinisches Verständnis notwendig, in dem der Zahnarzt oftmals die koordinierende Kerntätigkeit nach entsprechender Diagnostik übernimmt. Indes sind auch andere Fachkräfte, darunter Allgemeinmediziner, Pharmazeuten, Er­näh­rungs­exper­ten und die Fachpflegekräfte mit Fokus auf spezifischen Krankheiten wie Diabetes oder neurologischen Störungen, im Prozess der Patientenversorgung essenziell involviert. Eine solche interprofessionelle Kollaboration führt zur Präzisierung von Diagnosen, maßgeschneiderten Behandlungsplänen und der frühzeitigen Erkennung und Therapie potenzieller Komplikationen.39

Neueste Untersuchungen betonen die Relevanz der interdisziplinären Zusammenarbeit in der Behandlung. Die Forschung zeigt, dass ein interprofessioneller Ansatz zu einer höheren Patientenzufriedenheit führt, die Symptome effizienter lindert und das allgemeine Wohlbefinden der Patienten verbessert.40 Gegenwärtig wird auch an Modellen zur Verbesserung der Kommunikation und Koordination zwischen den verschiedenen Gesundheitsdienstleistern gearbeitet, um die Versorgungsqualität weiter zu steigern. Dabei gewinnt die Bildung von Partnerschaften und Netzwerken zwischen unterschiedlichen Gesundheitsdienstleistern als zen­tra­le Strategie zur Optimierung der Versorgung von Patienten mit Mundtrockenheit an Bedeutung.41

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Betreuung von Patienten mit Mundtrockenheit in der Praxis und die Empfehlungen für die häusliche Pflege aufgrund der vielfältigen Ursachen dieser Erkrankung einen multidimensionalen und individualisierten Ansatz erfordern. Dieser sollte sowohl präventive als auch therapeutische Maßnahmen einschließen und auf eine umfassende interprofessionelle Zusammenarbeit abzielen.

Die Literaturliste können Sie sich hier herunterladen.

Dieses Interview ist unter dem Originaltitel „Q&A Xerostomie“ im PJ Prophylaxe Journal erschienen.

Autor: Redaktion

Diese Beiträge basieren auf den Angaben der Hersteller/Anbieter und spiegeln nicht die Meinung der Redaktion wider.

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