Branchenmeldungen 15.09.2016
Selbstverwaltung auch in den KZVen wieder stärken
FVDZ-Landesvorsitzender Christian Berger sieht grundlegenden Reformbedarf – aktuelle Missstände alarmieren.
Die Einführung der Hauptamtlichkeit in den Kassenärztlichen und Kassenzahnärztlichen Vereinigungen im Jahr 2005 durch den Sozialgesetzgeber hat eine „Schwächung der ehrenamtlichen Selbstverwaltung“ zur Folge, so der Landesvorsitzende des Freien Verbandes Deutscher Zahnärzte (FVDZ) in Bayern, Christian Berger.
Dental Tribune: Der Freie Verband hat in der Vertreterversammlung (VV) der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Bayerns (KZVB) im Verlauf des letzten Jahres durch mehrere Abwahlanträge gegen die beiden Vorstandsmitglieder, Dr. Janusz Rat und Dr. Stephan Böhm, für Aufsehen gesorgt. Zuletzt hatten die beiden Vorstände keine Mehrheit mehr in der VV. Ihre Abwahl bzw. Amtsenthebung scheiterte jedoch an einem Geschäftsordnungs-Patt. Wie geht es jetzt weiter?
Berger: Dass es gravierende Gründe für die Anträge auf Amtsenthebung gab – und dies nicht nur aus Sicht des Freien Verbandes – zeigt die Tatsache, dass es auch mit Unterstützung aus den Reihen der Fraktion Zukunft Zahnärzte Bayern (ZZB) im Juli letztlich zur Auflösung des Arbeitsvertrages des stellvertretenden Vorsitzenden des KZVB-Vorstandes kam. Die Vorwürfe an seine Adresse waren – aus Sicht seiner Freunde von ZZB – so gravierend, dass ein renommierter Münchner Arbeitsrechtler den ganzen Tag in der Vertreterversammlung zubrachte, um die Delegierten zu beraten. Dabei kam die Diskussion über die Nebentätigkeiten des Vorsitzenden des Vorstands der KZVB, Dr. Janusz Rat, wesentlich zu kurz. Dessen „Ghostwriter“-Aktivitäten bei Wikipedia unter dem Pseudonym „Partynia“ haben die Affäre, die auch schon den Bayerischen Landtag beschäftigt hat, erst ins Rollen gebracht. Ich bin dankbar, dass die Vertragszahnärztinnen und Vertragszahnärzte in Bayern bei der Wahl im Juli 2016 den Kandidaten des Freien Verbandes Deutscher Zahnärzte auf regionaler Ebene ihr Vertrauen geschenkt haben. Jetzt haben wir die Möglichkeit, die Verhältnisse in der KZVB wieder vom Kopf auf die Füße zu stellen.
Nun gibt es zwei Wahlanfechtungen aus dem ZZB-Lager. Wie stehen Sie dazu?
Das sind zwei Kollegen, die als absolute Parteigänger des noch amtierenden Vorsitzenden Dr. Janusz Rat nicht mehr in die Vertreterversammlung gewählt worden sind. Ich kann nur sagen: Der Landeswahlausschuss hat die Listen zur Wahl allesamt zugelassen. Derselbe Landeswahlausschuss hat die jetzt geltend gemachten Bedenken gegen die Zulassung der Kandidaten des Freien Verbandes Deutscher Zahnärzte zurückgewiesen. Es ist ein bemerkenswerter Vorgang, dass sich der Justitiar der KZVB, Dr. Christian Freund, in seiner Stellungnahme gegenüber dem Landeswahlausschuss überraschend auf die Seite der Wahlanfechter und damit gegen die Entscheidungen des von der KZVB berufenen Wahlausschuss stellt. Das zeigt einmal mehr, dass von Selbstverwaltung derzeit keine Rede mehr sein kann, sondern dass – fast wie im Absolutismus – ausschließlich der KZVB-Vorsitzende, unterstützt von seinem Hausjuristen, Entscheidungen trifft. Dabei warne ich vor Spielchen, jetzt per Antrag auf einstweilige Anordnung vor dem Sozialgericht den Wählerwillen zu unterlaufen. Tricksereien schaden der Selbstverwaltung und führen zu einem weiteren Gesichtsverlust des noch amtierenden Vorsitzenden.
Was muss sich Ihrer Auffassung nach ändern, um die Selbstverwaltung innerhalb der KZVB zu stärken?
Zunächst einmal muss die Machtposition des Vorstandes auf ein gesundes Maß zurückgeführt werden. Derzeit gibt es nach der Satzung zwei Vorstände. Wenn sich die beiden Vorstandsmitglieder bei Abstimmungen oder Vorgehensweisen nicht einigen, entscheidet nach Satzung allein der Vorsitzende. Nach dem Ausscheiden des Kollegen Dr. Böhm haben wir die Situation, dass die KZVB mit ihren rund 10.000 Mitgliedern seit August ganz allein von Dr. Rat geführt wird. Was der Vorstand innerhalb seines Wirkungskreises tut oder unterlässt, entscheidet nur er. Wir haben vorgeschlagen, die Zahl der Vorstände auf drei zu erhöhen, um im Interesse eines ausgewogenen Meinungsbildungsprozesses Mehrheitsentscheidungen im Vorstand zu ermöglichen. Außerdem wollen wir die Zahl der Mitglieder der Vertreterversammlung anheben, um die Mitsprachemöglichkeiten der Basis zu verbessern. Persönlich habe ich auch immer wieder angemahnt, dass alle in der Körperschaft vertretenen Gruppierungen vertrauensvoll zusammenarbeiten müssen. Es kann nicht sein, dass alle verantwortlichen Ehrenamts-Positionen innerhalb der KZVB nur von Parteigängern des Vorsitzenden besetzt werden. Auch das schadet der Selbstverwaltung.
Nun wird kolportiert, Sie wollten einen externen Manager aus dem Krankenkassenumfeld in den künftigen Vorstand der KZVB wählen.
Kompletter Unsinn! Bei uns hat sich noch kein Krankenkassenmitarbeiter beworben. Ich halte eine solche Bewerbung auch nicht für wahrscheinlich. Wir haben immer betont, dass wir in der KZVB Zahnärzte an der Spitze brauchen, die ihre eigene Praxis bisher erfolgreich führen. Ein Blick in andere KZVen, zum Beispiel der KZV Baden-Württemberg, zeigt allerdings, dass nicht nur Zahnärzte den hauptamtlichen Vorstand bilden können, sondern auch Nichtzahnärzte. Im Übrigen gibt es ja auch Beispiele, dass aus der ärztlichen Selbstverwaltung qualifizierte Leute zur Krankenkasse gegangen sind. Die Art, wie die KZVB in den letzten Jahren ihre Konflikte beispielsweise mit der bayerischen AOK „gemanagt“ hat, zeigt mir jedenfalls, dass künftige Vorstände zahnärztliche Kompetenz brauchen und professioneller werden müssen, um wieder auf Augenhöhe verhandeln zu können.
Sprechen wir über die Inhalte. Sie haben einen Politikwechsel gefordert. Was meinen Sie damit?
Die zahnärztliche Selbstverwaltung, bestehend aus Kammern und Kassenzahnärztlichen Vereinigungen, muss angesichts der gesundheits- und versorgungspolitischen Herausforderungen stärker kooperieren. In Bayern ist der Konflikt zwischen KZVB und Bayerischer Landeszahnärztekammer fast schon institutionell. Das wollen wir ändern. Es macht keinen Sinn, sich auf Feldern Konkurrenz zu machen, auf denen Zusammenarbeit gefordert ist. Hier denke ich beispielsweise an Themen wie Fortbildung und Qualitätssicherung. Selbstverwaltung funktioniert nicht nach dem „Top-down“-Prinzip, sondern als „Bottom-up“-Konzept. Die große Ehrenamtsstudie der BLZK, die wir in diesen Tagen veröffentlicht haben, zeigt die Bereitschaft vieler Kolleginnen und Kollegen, sich aktiv in die Arbeit einzubringen. Was sie davon abhält, ist auch unnötiger Streit des Führungspersonals. Das muss beendet werden.
Das Interview ist in der aktuellen Ausgabe der Dental Tribune Deutschland erschienen.