Branchenmeldungen 08.09.2020
„Viele junge Zahnärzte kämpfen um ihre mentale Gesundheit“
Für viele ist der Beruf des Zahnarztes eine absolute Erfüllung, für andere eine nicht zu unterschätzende Herausforderung und für wiederum andere eine klassische Kombination aus beidem. Doch gerade jüngere Zahnärzte, frisch von der Universität, müssen einen erheblichen Spagat absolvieren – das theoretisch Gelernte in der täglichen Praxis umsetzen, und zwar zur vollen Zufriedenheit zunehmend anspruchsvoller Patienten. Keine kleine Aufgabe! Dass hier die digitale Zahnmedizin helfen kann, Sicherheit zu gewinnen und vor allem auch den Spaß an der Sache nicht zu verlieren – davon ist der Londoner Zahnarzt Dr. Simon Chard überzeugt. Dabei ist Chard nicht nur einer der erfolgreichsten englischen Zahnärzte seiner Generation, sondern auch Ambassador einer neuen Ausrichtung in der Zahnmedizin, die eng an die Digitalisierung geknüpft ist: die Slow Dentistry®.
Dr. Chard, was sind für Sie die Vorteile der digitalen Zahnmedizin für Patienten und Behandler?
Die Tools und Workflows der digitalen Zahnmedizin, vom Intraoralscanner über Laser bis künstliche Intelligenz und mehr, verändern unsere Arbeit zum vielfach Besseren. Davon bin ich absolut überzeugt, und das erlebe ich täglich in der Versorgung meiner Patienten. Die Patienten gewinnen an Komfort und erleben gleichzeitig eine effizientere Versorgung als noch vor zehn Jahren. Ich versorge zum Beispiel 95 Prozent meiner Patienten heute mit Restaurationen in nur einer einzigen Sitzung. Die Patienten müssen keinen weiteren Termin vereinbaren und bekommen keine weitere Betäubung, die für viele sehr unangenehm ist. Mir hingegen ermöglicht die digitale Zahnmedizin nicht nur ein innovatives und mich anspornendes Arbeiten – es macht mir einfach unheimlich viel Spaß –, sondern vor allem auch eine große Vorhersagbarkeit des Behandlungsziels und eine wirkliche Kontrolle. Das ist für uns Zahnärzte, die in der Regel – mich eingeschlossen − einen kleinen Kontrolltick haben, ein großer Mehrwert, der gerade jungen Zahnärzten sehr hilft.
Warum profitieren gerade junge Zahnärzte von der Digitalisierung?
Weil wir einem zunehmenden Druck ausgeliefert sind. Zumindest kann ich das für die jungen britischen Zahnärzte sagen. In Großbritannien sind Zahnmedizinstudium und Training bei Weitem nicht ausreichend für das, was wir danach sofort in der Praxis leisten müssen. Viele junge Zahnärzte kämpfen deshalb ganz massiv um ihre mentale Gesundheit; das Thema Selbstmord ist hier viel präsenter als man denken mag. Es wird nur leider wenig darüber gesprochen. Die jungen Zahnärzte benötigen Rückhalt aus der beruflichen Community und die Möglichkeit, Behandlungserfahrungen zu sammeln. Und genau hier kommen auch die digitalen Tools ins Spiel. Denn die digitale Zahnmedizin objektiviert das eigene Tun, indem der Workflow einer Behandlung zu jedem Zeitpunkt nachvollziehbar und kontrollierbar ist. Das stärkt nicht nur das Vertrauen in die eigene Arbeit, sondern auch das Verhältnis zwischen Zahnarzt und Patient, das in Großbritannien oftmals auf wackeligen Füßen steht. Indem der Patient, durch eine bestmögliche Aufklärung und Visualisierung der Behandlungsschritte, nachvollziehen kann, was, wie und warum gemacht wird und welche Erwartungen realistisch sind, entspannt sich automatisch die Behandlungssituation.
Sie sind Ambassador einer relativ neuen Ausrichtung der Zahnmedizin, der Slow Dentistry® – Worum geht es dabei und wie kam es zu Ihrer Zusammenarbeit?
Ganz vereinfacht gesagt steht die Slow Dentistry für einen Fokus auf Qualität und Sicherheit in der Zahnmedizin. Sie bringt weltweit Behandler zusammen, die sich in ihrer täglichen Arbeit gezielt vier Qualitätskriterien verpflichtet haben: der korrekten Betäubung des Behandlungsgebietes, der Verwendung eines Kofferdams, der kompromisslosen Desinfektion des Arbeitsumfeldes, Equipments und der Instrumente sowie einer umfassenden Aufklärung der Patienten im Vorfeld einer jeden Behandlung. Als mich Dr. Miguel Stanley, einer der Mitinitiatoren der Slow Dentistry, kontaktierte und fragte, ob ich als Ambassador fungieren wolle, konnte ich mich sofort mit der Arbeits- und Vorgehensweise identifizieren und bin seitdem aktives Mitglied der Community. Mich haben schon einige Patienten gezielt aufgesucht, weil ich Slow Dentistry praktiziere. Letztlich steht das „slow“, also das „langsam“ für eine im Tempo an den Patienten angepasste Zahnmedizin. In unserer immer schneller werdenden Welt fordert die Slow Dentistry auf, Prioritäten zu setzen, und zwar beim Patienten und seinen Bedürfnissen. Die digitale Zahnmedizin korrespondiert perfekt mit diesen Ideen, denn sie nimmt die Patienten mit auf unsere Reise und stellt unter anderem eine reproduzierbare Qualität sicher.
Das Interview ist in der dentalfresh erschienen.
Foto Teaserbild: Simon Chard