Branchenmeldungen 02.02.2018

WIN-Anwendertreffen erneut mit Teilnehmerrekord

WIN-Anwendertreffen erneut mit Teilnehmerrekord

Foto: DW Lingual Systems GmbH

Zum vierten Mal fand das beliebte Event als eine der größten KFO-Veranstaltungen Deutschlands statt. Knapp 800 Kieferorthopäden und Zahnmedizinische Fachangestellte waren nach Frankfurt am Main gekommen, um ihre Erfahrungen rund um den klinischen Einsatz der WIN-Apparatur auszutauschen. So viele wie noch nie.

Dass die linguale Behandlungstechnik und insbesondere der Einsatz des voll individualisierten WIN-Bracketsystems sich wachsender Beliebtheit erfreuen, wurde Ende November in Frankfurt am Main deutlich. Knapp 800 Kieferorthopäden sowie Zahnmedizinische Fachangestellte (und somit rund 100 Besucher mehr als im Vorjahr!) vertieften beim 4. Deutschen WIN-Anwendertreffen ihr Wissen und bescherten den Organisatoren einen neuerlichen Teilnehmerrekord.

Kurs für Zahnmedizinische Fachangestellte

Wie immer praxisnah und mit hilfreichen Tipps und Tricks versehen, fand am ersten Tag dieses zweitägigen Events der Kurs für das Praxisteam statt. Prof. Dr. Dr. h.c. Dirk Wiechmann hatte hierfür erneut Themen herausgesucht, mit denen sich Zahnmedizinische Fachangestellte jeden Tag konfrontiert sehen und die zudem eine wichtige Rolle bei der Realisierung eines reibungslosen Praxisworkflows spielen. Den Anfang machte das Thema „Nachkleben“. In den vielen Jahren, in denen die linguale Behandlungsmethode durch Professor Wiechmann angewandt wird, hat sich hierbei eine bestimmte Vorgehensweise etabliert, die er den Teilnehmern vorstellte. Dabei verdeutlichte er u. a., wie wichtig die korrekte Sitzposition des Nachklebenden ist. „Sie sollten darauf achten, stets eine gute Sicht auf den nachzuklebenden Zahn zu haben, die der Perspektive des Screenshots ähnelt “, so der Hinweis des Referenten. Wird z. B. die UK-Front nachgeklebt, sollte hinter dem Patienten Platz genommen werden (12-Uhr-Position). Bei der OK-Front empfiehlt sich die Sitzposition direkt vor dem Patienten (7-Uhr-Position), der bei abgewinkelter Kopfstütze seinen Kopf überstreckt. So hat der Nachklebende den Screenshot, auf den vorab noch einmal geschaut werden sollte, 1:1 passend zur Mundsituation. Ist ein Bracket im Seitenzahnbereich nachzukleben, muss seitlich des Patienten gesessen werden. Zudem ist darauf zu achten, dass der Screenshot nicht gespiegelt erscheint. Ist dies der Fall, muss sich zur anderen Seite gesetzt werden (Nachkleben im Seitenzahnbereich des ersten und vierten Quadranten).

Das A und O für ein erfolgreiches Nachkleben stellt auch die Wahl des richtigen Klebers dar. Hierbei sind mittlerweile Produkte verfügbar, die kein extra Bonding mehr erforderlich machen. Voraussetzung ist jedoch, dass der Kleber ausreichend benetzend und „standfest“ ist. Ist er nämlich zu dünnfließend, rutscht das Bracket vom Zahn. Als geeignete Kleber empfiehlt Professor Wiechmann Light BondTM Thin Paste (lichthärtend, Fa. Reliance) so­ wie NX3 NexusTM (dualhärtender Kompositzement, Fa. Kerr). Des Weiteren wurde sich mit Strategien beim Ausformen von Engständen befasst. Anhand von Fallbeispielen bekamen die Teilnehmer das korrekte Vorgehen bezüglich Bracketplatzierung sowie Einligieren von Bögen bei unterschiedlich ausgeprägten Engständen vermittelt. Dabei wurde so mancher Kniff gezeigt (z. B. Einsatz komprimierter Bögen zum Öffnen von Lücken, Verwendung von Stopps, Off­Center ­Platzierung von Brackets usw.).

Ein weiteres Kursthema stellten die Möglichkeiten der Klasse II­ Korrektur dar. Insgesamt sieben Behandlungsansätze (FKO, Extraktion, Klasse II­-Gummizüge, flexible Bite Jumper, TADs, Chirurgie sowie Herbst), die heutzutage je nach Ursache und Ausmaß der Malokklusion bei Klasse II­Patienten Anwendung finden, wurden mithilfe klinischer Fälle besprochen. Und selbstverständlich gab es auch hier wertvolle Tipps mit auf den Weg.

Abschließend stand die Beantwortung der zehn am häufigsten während einer klinischen Beratung gestellten Fragen im Mittelpunkt. „Warum halten meine Brackets nicht?“, „Sind einige Brackets schief geklebt?“ oder „Warum stehen die Prämolaren noch rotiert?“ sind oft zu hörende Fragen im Rahmen von Patientengesprächen, wobei den 1. Platz folgende Frage einnimmt: „Kann man das auch mit Lingualtechnik behandeln?“ Die entsprechende Antwort des Referenten ist kurz und klar: „Wenn eine vorliegende Zahnfehlstellung vestibulär behandelt werden kann, ist es auch lingual möglich!“

Anwendertreffen

Das Anwendertreffen am nächsten Tag startete traditionell mit dem WIN­-Update. Professor Wiechmann ergriff das Wort und gab den anwesenden Kieferorthopäden zunächst einen aktuellen Literaturüberblick*. Was die technischen Neuerungen der letzten zwölf Monate betraf (inklusive des mit Spannung erwarteten Status quo der selbstligierenden WIN­-Bracketvariante), ließ er die Gäste noch ein wenig zappeln, um dann an späterer Stelle ausführlich zu berichten. Erst einmal wurden interessante Vorträge präsentiert, wie z. B. der von Prof. Dr. Christian Sander zum Thema „Verbesserung des Friktionsverhaltens einer vollständig individuellen lingualen Apparatur“. Dieser stellte u. a. die Ergebnisse einer Studie vor, die untersuchte, wie sich die vollständig individuell hergestellten Lingualbrackets IncognitoTM und WIN bezüglich ihres Gleitwiderstandes unterscheiden. Hierfür wurde je ein Bracket genannter Systeme mit verschiedenen Bögen (.016'' x .022'' NiTi und .016'' x .024'' Stahl) getestet. Zudem wurde ein .016'' x .024'' Stahlbogen, beschichtet mit Diamond­-Like-­Carbon, in Kombination mit dem WIN­-Bracket getestet. In allen Bogenkombinationen wies das WIN­-Bracket deutlich niedrigere Gleitwiderstände auf. Zudem konnte durch die DLC­-Beschichtung eines herkömmlichen Stahlbogens der Gleitwiderstand beim Lückenschluss signifikant reduziert werden. Professor Sander ging zudem auf aktuell laufende Studien ein, die zeigen, dass – wenn zusätzlich zum DLC-­beschichteten Stahlbogen auch WIN­Brackets mit DLC­-Beschichtung zum Einsatz kommen – die Friktion nochmals reduziert werden kann.

Mit welchem Engagement sich Dr. Andrea Foltin mit der lingualen Orthodontie beschäftigt, wurde im anschließenden Vortrag deutlich. Als die heute in Wien niedergelassene Kieferorthopädin ihren M.Sc. in Lingual Orthodontics an der Medizinischen Hochschule Hannover absolvierte, war sie von der Ausbildung und ihrer praxisnahen Umsetzung so begeistert, dass sie sich der Lingualtechnik nach Ausbildungsabschluss unbedingt intensiver widmen wollte. Als Teil des Lehrkörpers der Abteilung Kieferorthopädie der Universität Wien bildet Dr. Foltin heute unter der Leitung von Univ.­Prof. Dr. Hans-­Peter Bantleon die Postgraduierten auch in der Lingualtechnik aus. Als besonders empfehlenswert und inspirierend beschrieb sie ihre Ausbildung im berufsbegleitenden Masterstudiengang (M.Sc. in Lingual Orthodontics) in Hannover. Das zweijährige Weiterbildungsprogramm stellt neben den theoretischen Grundlagen der Lingualbehandlung insbesondere die klinischen Aspekte in den Vordergrund. An den monatlichen Wochenendveranstaltungen werden dabei von jedem Teilnehmer mehrere Lingualpatienten unter fachkundiger Anleitung behandelt. Dr. Foltins Begeisterung hat sicherlich viele Kollegen motiviert, sich weitergehend über diesen weltweit einzigartigen Studiengang zu informieren (www.mh-hannover.de/lingual­orthodontics.html). Eine Anmeldung ist bis zu 31. März jeden Jahres möglich.

Ein effizientes und zuverlässiges Konzept zur Distalisation im Oberkiefer stellte Professor Wiechmann anschließend vor. Dieses umfasst die Insertion von vier Minischrauben. Pro Seite wird dabei je ein Pin vestibulär (AbsoAnchor®) sowie palatinal (Dual­TopTM) gesetzt. Die Distalisation erfolgt durch direktes Belasten der Pins mittels Gummikette; eine aufwendig zu installierende und kostspielige Suprakonstruktion wird damit unnötig. Einen entscheidenden Faktor für die Erfolgsrate der Minischrauben stellt dabei u. a. das Kippmoment dar, d. h. die Pins dürfen nach der Insertion zwar direkt belastet, jedoch nicht überlastet werden. Ein zu großes Kippmoment ist an einer zu stark gespannten Gummikette erkennbar (Module deutlich geöffnet). Zu beachten seien zudem Neigungswinkel und Ort der Insertion. Der vestibuläre Pin sollte in einem 45°­-Winkel zur Okklusionsebene eingebracht werden, wobei der palatinale Pin so dicht wie möglich an die palatinale Wurzel des 6ers zu setzen ist.

„Kann ein einfacher Fall ein Chirurgiefall sein?“ Dieser Frage widmete sich Dr. Jean­-Stéphane Simon in einem sehr klinisch orientierten Vortrag. Anhand von Fallbeispielen unterschiedlichster Indikationen stellte er das jeweilige Vorgehen inklusive kieferorthopädischer Vorbehandlung sowie KFO­-Therapie nach erfolgter Chirurgie vor, ging u. a. auf die Bogenfolgen ein und gab wertvolle Empfehlungen. Nach der Mittagspause griff Professor Wiechmann seinen Faden zum WIN­-Update wieder auf und präsentierte aktuelle Entwicclungen. Er gab z. B. bekannt, dass ab sofort die im Vortrag von Prof. Dr. Sander erwähnten, DLC­ beschichteten Stahlbögen für den Lückenschluss sowie DLC­-beschichtete WIN­-Brackets für den Seitenzahnbereich erhältlich sind. Zudem seien alle Bögen (auch NiTi) mit Expansion (2 cm) für den OK sowie mit Kompression (1 cm) für den UK bestellbar. Für das direkte Nachkleben können kleinere, runde Tubes für den 7er bezogen werden. Des Weiteren können Anwender mit pdf­-Dateien des Set­-ups arbeiten, bei denen verschiedene Ansichten darstellbar sind. Zudem sind neue Marketingmaterialien verfügbar – ein Video zur Patientenmotivation sowie Praxisposter.

Was die Entwicklung des selbstligierenden WIN-­Brackets angeht, sei man einen großen Schritt vorangekommen. So wurde ein komplett neuer Schließmechanismus mit einem superelastischen Clip entwickelt. Dieser ist fest mit dem Bracketkörper verbunden und wird zum Öffnen „verbogen“. Durch einen vorgetorqueten Slot konnte zudem die Größe des Brackets deutlich reduziert werden, sodass das SL­-Bracket genauso flach wie das bisherige WIN­-Bracket ist. Momentan wird die SL-­Variante klinisch getestet.

Bevor Prof. Dr. Michael Wolf das Wort ergriff, ging Professor Wiechmann noch kurz auf die Derotation von Front­- und Seitenzähnen ein und stellte vier Szenarien und das jeweilige klinische Vorgehen vor. Bei Professor Wolf stand das Thema „Langzeitstabilität“ im Mittelpunkt. Er präsentierte die Ergebnisse seiner Master-Thesis und zeigte anhand seiner Untersuchungen auf, inwieweit bei der Planung der posttherapeutischen Retention der Einsatz individueller lingualer Apparaturen Vorteile bietet. Mit der Vorstellung der Top 10 einer optimalen Strategie im Finishing sowie wertvollen Hinweisen zur Vermeidung häufiger Fehler beim Behandlungsabschluss endete das vierte Deutsche WIN­-Anwendertreffen.

Die vollständige Literaturliste gibt es hier.

Dieser Beitrag ist in den Kieferorthopädie Nachrichten 1+2/18 erschienen.

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