Branchenmeldungen 09.05.2022

Zahnmedizin mit Weitblick – Mikronährstofftherapien im Fokus

Zahnmedizin mit Weitblick – Mikronährstofftherapien im Fokus

Foto: Danijela – stock.adobe.com

Zahnmedizin kann nicht nur, sondern muss heute mehr sein als eine reine Betrachtung versorgungsbedürftiger Zähne und die Umsetzung und Anleitung von Präventionsmaßnahmen in der Patientenbetreuung. Sie sollte Aspekte einschließen, die bisher kaum bis wenig für den Erhalt der Mundgesundheit und die Therapie von Erkrankungen in Betracht gezogen wurden: hierzu zählen unter anderem der Vitalstoffhaushalt (Mikronährstoffe) von Patienten. Warum zunehmend über Mikronährstoffe gesprochen wird, wenn es um eine effektive Parodontitistherapie geht, verrät das folgende Interview mit Dr. med. dent. Heinz-Peter Olbertz, Mikronährstoffexperte und Fachreferent für Systemtische CMD und Parodontologie.

Herr Dr. Olbertz, Sie geben regelmäßig Seminare zur Mikronährstofftherapie bei Parodontitis. Warum ist dieses Thema so zeitgemäß?

Die Menschen haben in den vergangenen Jahren ein erweitertes Bewusstsein für die Themen Ernährung, Entzündung und Darm- gesundheit entwickelt und werden vielerorts über die Sinnhaftigkeit von Mikronährstoffen, also dem gezielten Einsatz von Nahrungs- ergänzungen, informiert. Immer mehr Patienten sind sich bewusst, dass Obst, das zu jeder Jahreszeit scheinbar frisch angeboten wird, schlichtweg nicht immer frisch und nährstoffreich sein kann. Dazu kommen industriell verarbeitete Lebensmittel, Auslaugung der Böden und vieles mehr: Die Nahrung kann heute kaum noch den Nährstoffbedarf decken. Das Bewusstsein geht also wesentlich von den Patienten aus. Wir leben immer länger; die sogenannten Best Ager nehmen aktiv weiter am Leben teil, genießen und gestalten ihren letzten Lebensabschnitt. Für ihre Vitalität ist es besonders wichtig, Defizite auszugleichen. Das zeigt sich auch in der Zahnmedizin: Der ältere Patient war früher zahnlos oder hatte nur noch eine Restbezahnung. Das ist heute nicht mehr vorstellbar. Unter Einbezug von Implantaten haben ältere Menschen heute in der Regel mehr oder weniger volle Bezahnung. Und die wollen sie erhalten und stabilisieren. Das war für Prothesenträger eher uninteressant.

Woran liegt es, dass heute so viele Menschen unter chronischen Entzündungen leiden?

Die Entzündungslast, unter der wir stehen, hängt ent- scheidend mit unserer Ernährung zusammen. Unsere Nahrung ist zu stark industrialisiert. Moderne Produktionsformen sind nicht gesund für uns. Die Landwirtschaft ist in vielen Bereichen zu kommerzialisiert. Wenn Kühe vorrangig Kraftfutter erhalten statt Gras, produzieren sie keine wertvolle Milch, und die Butter, die aus dieser Milch gemacht wird, enthält kaum Nährstoffe. Warum kam es zum Rinderwahnsinn? Weil man Pflanzenfres ser zur Optimierung der Produktion mit Tiermehl gefüttert hat. Beim Fisch gibt es ähnlich verheerende Produktionsbedingungen. Zudem ist natürlich unsere Umwelt massiv belastet. Früher konnte man Dreck sehen. Heute leiden wir unter Feinstaub und Nanopartikeln, die auch in Kosmetika durch jede Barriere kriechen. All diese Einflussfaktoren fahren auf Dauer die Entzündungssysteme hoch. Dann wird aus dem eigentlich nützlichen und genialen Prozess der Entzündung, die im Akutfall aufflammt und sich dann wieder reguliert, ein unkontrollierter Schwelbrand. Die meisten schweren Erkrankungen, die heute im fortschreitenden Alter als mehr oder weniger normal angesehen werden, wie zum Beispiel Alzheimer, Osteoporose oder Diabetes, haben eine entzündliche Basis.

Welchen Patienten empfehlen Sie die Einnahme von Mikronährstoffen zur Auf- wertung der Ernährung, und wie gehen Sie dabei vor?

Wenn ein Patient mit einer Parodontitis durch das zahnmedizinische Repertoire, unsere professionelle Begleitung und häusliche Eigentherapie nicht zu stabilisieren ist, empfehle ich einen aMMP-8- Test. aMMP-8, die aktive Matrix-Metalloproteinase-8, ist als Destruktionsmarker kausal am Gewebeabbau beteiligt. Das Enzym ist direkt in der parodontale n Tasche nachweisbar und baut Kollagen als Baustoff unseres Bindegewebes ab. Bei Patienten mit einem aMMP-8-Wert von über 20 ng/ml ist der Stoffwechsel durch ein Entzündungsgeschehen belastet. Dann empfehle ich die bilanzierte Diät Itis-Protect zum Diätmanagement bei Parodontitis.

Wie sieht die Parodontitisbehandlung im Jahr 2040 aus?

Da wird das Thema Silent Inflammation mit Sicherheit die entscheidende Rolle spielen. Das muss schlichtweg so sein! Weil der Schaden, der entstehen würde, wenn sich am Status quo nichts ändert, immens wäre. Wenn man erkannt hat, wie wichtig das innere Milieu ist, um den Entzündungsmodus zu verlassen, kann man das nicht mehr ignorieren. Ernährung, Bewegung und Lebensstil müssen in die parodontale Therapie integriert werden – das ist unsere einzige Chance! Eine Zahnmedizin, die keine Zusammenhänge zwischen oraler Gesundheit und dem inneren Milieu herstellt, ist zum Scheitern verurteilt. Wenn ich jemanden im Alter zwischen 30 und 40 in einer kritischen parodontalen Situation erfasse, kann ich entscheidend dazu beitragen, dass die Person mit Mitte 60 nicht unter dem metabolischen Syndrom leidet oder in polypharmazeutischer Behandlung ist. Wenn ich das vermeiden möchte, muss ich spätestens 20 Jahre vorher gegensteuern. Wo Parodontologie Primärdiagnostik betreiben kann, wird die Lebensführung eine entscheidende Rolle spielen. Und was mir wichtig ist: Als Zahnärzte können und sollten wir viel öfter eine Ernährungstherapie verordnen!

Supplementierung darmaktiver Mikroorganismen

Ganz wichtig zur Modulation chronischer Entzündungen ist die Supplementierung von Omega-3-Fettsäuren, die bei ca. 70 Prozent der Bevölkerung im Defizit sind. Magnesium- Calcium unterstützt die Regulierung des Säure-Basen-Haushaltes. Auch die Einnahme darmaktiver Mikroorganismen ist natürlich essenziell. Aufgrund ihrer Reinheit empfehle ich Produkte der Firma hypo-A. Ich nehme regelmäßig kinesiologische Testungen vor, also auch von anderen Präparaten, die meine Patienten mir zur Prüfung vorlegen, und habe nur bei ganz wenigen Herstellern Ergebnisse, die zu einer Produktempfehlung führen. Dr. med. dent. Heinz-Peter Olbertz Supplementierung darmaktiver Mikroorganismen Supplementierung

ONLINE-SEMINARE Unter dem Titel Behandlungsresistente Parodontitis? Hilfe von innen mit der Mikronährstofftherapie hält Dr. Heinz-Peter Olbertz in regelmäßigen Abständen Online-Seminare zur orthomolekularen Therapie in der Zahnarztpraxis ab. Termine und weitere Informationen unter www.hypo-a.de/paro

Dieses Interview ist in der ZWP Zahnarzt Wirtschaft Praxis 5/22 erschienen.

 Autorin: Maya Timm

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