Wissenschaft und Forschung 24.08.2011
Psychologie-Studie: Vertrautheitsgefühl beeinflusst unsere Entscheidungen
Psychologen
beschäftigen sich schon lange mit der Frage, welche einfachen Regeln
den Menschen dabei helfen, Entscheidungen zu treffen. Eine dieser
einfachen Regeln ist die sogenannte Rekognitionsheuristik. Diese besagt,
dass man sich bei der Beurteilung von mehreren Objekten für jenes
entscheidet, das man wiedererkennt. In Verhaltensexperimenten wurde
diese Präferenz für bekannte Alternativen bereits nachgewiesen. „Wir
konnten jetzt durch neurowissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass
sich der Entscheider hierbei tatsächlich durch ein Vertrautheitsgefühl
leiten lässt.“, erklärt Timm Rosburg, promovierter Psychologe an der
Universität des Saarlandes, der gemeinsam mit den Saarbrücker Kollegen
Axel Mecklinger und Christian Frings die Forschungsergebnisse
veröffentlicht hat.
Die Wissenschaftler nutzten zur Untersuchung der Rekognitionsheuristik
die Elektroenzephalografie (EEG), bei der die elektrische Aktivität des
Gehirns gemessen wird. In der hirnelektrischen Antwort spiegelt sich das
Gefühl der Vertrautheit in den ersten 300 bis 500 Millisekunden wider,
während der Abruf weiterer Information später einsetzt. In der Studie
bekamen die Testpersonen zwei Städtenamen genannt und sollten
entscheiden, welches die größere Stadt ist. Wie erwartet wählten die
Versuchspersonen tatsächlich in 90 Prozent der Fälle den bekannten
Städtenamen. Anhand der aufgezeichneten EEG-Daten konnten die Forscher
außerdem feststellen, dass bekannte Städtenamen ein größeres
Vertrautheitsgefühl hervorriefen. „Der wichtigste Befund unserer Studie
ist jedoch, dass wir die Antwort der Versuchspersonen mittels dieser
frühen Hirnantworten vorhersagen können, und dies gilt auch, wenn wir
spätere Reaktionen des Gehirns in die Analyse mit einbeziehen. Das frühe
Gefühl von Vertrautheit hat also wesentlichen Einfluss für solche Art
von Entscheidungen“, erläutert Christian Frings.
Ein solches Verhalten führe häufig zu richtigen Entscheidungen, da die
bekanntere Stadt wie in dem Versuchsbeispiel auch oft die größere sei.
Auch bei anderen Fragen, wie zum Beispiel welcher Tennisspieler ein
Match gewinnt, läge man mit dem prominenteren Spieler häufiger richtig.
„Es gibt aber auch Situationen, in denen die Rekognitionsheuristik zu
nachteiligen Entscheidungen führen kann. Das kann man etwa am
Aktienmarkt beobachten: Bekanntere Unternehmen werden dort oft nach oben
katapultiert, allein wegen ihrer häufigen Nennung in den Medien. Das
sagt jedoch nichts über den inneren Wert einer Aktie aus“, gibt Timm
Rosburg zu Bedenken.
Die Saarbrücker Wissenschaftler wollen mit ihrer Studie auch der
Gedächtnisforschung neue Impulse geben. „Bisher haben Psychologen die
Frage, wie wir Entscheidungen fällen, vor allem in
Verhaltensexperimenten untersucht. Durch unseren neurowissenschaftlichen
Ansatz konnten wir erstmals nachweisen, dass das Vertrautheitsgefühl
nicht nur beim Erinnern, sondern auch beim Entscheiden eine wichtige
Rolle einnimmt.“, erklärt Professor Mecklinger. Die Erkenntnisse könnten
auch dazu beitragen, schwierige Entscheidungsprozesse besser zu
handhaben. „Wenn wir wissen, dass wir uns von vertrauten Dingen leiten
lassen, sollten wir uns das in schwierigen Situationen bewusst machen
und eine kritische Distanz dazu einnehmen“, meint Mecklinger.
Der Fachartikel “When the Brain decides” von Timm Rosburg, Axel
Mecklinger und Christian Frings wird in Kürze in „Psychological Science“
erscheinen, einer der wichtigsten internationalen Zeitschriften für
Psychologie.
Qelle: Universität des Saarlandes