Wissenschaft und Forschung 30.01.2025
Warum Säugetiere einen starren Unterkiefer haben
Von den langen Kieferknochen des Blauwals bis zu den knochenzerkleinernden Kiefern der Hyäne und den zarten Kinnknochen des Menschen – die unteren Kieferknochen von Säugetieren zeigen eine bemerkenswerte Vielfalt. Auf den ersten Blick scheint der einzelne Kieferknochen auf jeder Seite des Kopfes, der einen steifen Unterkiefer bildet, keinen Vorteil gegenüber anderen Wirbeltieren zu bieten, die bis zu 11 Knochenteile in ihrem Kiefer haben.
Krokodile besitzen einen stärkeren Biss im Verhältnis zu ihrer Größe als Hyänen, obwohl sie fünf Knochen im Kiefer haben. Schlangen, die mit vier Kieferknochen ihren Kiefer artikulieren, können ihren Mund weiter öffnen als Bartenwale und sogar ihre Kiefer ausrenken, um Beute zu verschlingen, die größer ist als ihr Kopf. Sogar ausgestorbene Hadrosaurier, die sechs Kieferknochen besaßen, konnten Pflanzen effizienter zerkauen, als es moderne Kühe können.
Vorteil mit nur zwei Kieferknochen?
Der Forscher Jack Tseng von der University of California untersuchte, wie sich die Kiefer von Säugetieren im Vergleich zu Nichtsäugetieren verhalten und kam zu dem überraschenden Ergebnis, dass der einzelne Kieferknochen keinen großen Vorteil bietet. Vielmehr bieten mehrere Kieferknochen mehr Flexibilität und Geschwindigkeit. Diese Einschränkung der Säugetiere hat jedoch ihre Vielseitigkeit bei der Nahrungsaufnahme nicht beeinträchtigt.
„Es gibt einen Kompromiss zwischen der Flexibilität, die mehrere Kieferknochen bieten, und der erhöhten Steifigkeit, die ein einzelner Kieferknochen ermöglicht“, erklärte Tseng. Säugetiere haben sich als äußerst vielseitige Esser entwickelt, auch ohne die Flexibilität, die mehrere Kieferknochen bieten.
Zudem stellte Tseng fest, dass die Struktur des Kiefers weniger mit seiner Funktion verbunden ist, als man erwarten könnte. Säugetierkiefer sind biomechanisch stärker eingeschränkt als Nichtsäugetierkiefer, jedoch bieten sie eine größere Vielfalt an Formen. Diese Steifigkeit der Kiefer ist ein charakteristisches Merkmal von Säugetieren.
Ein weiterer interessanter Punkt ist, dass die zusätzlichen Kieferknochen der Wirbeltiere im Laufe der Evolution in Teile des Innenohrs umgewandelt wurden, was den Säugetieren vermutlich ein besseres Gehör verschaffte. Diese Umwandlung führte zu einem steifen Kiefer, der den Säugetieren Vorteile wie die Fähigkeit, Knochen zu zerbrechen, verschaffte. Gleichzeitig schränkte diese Steifigkeit die Variationen des Kiefers ein.
Zusammengefasst zeigt die Forschung, dass Säugetiere mit ihren steiferen Kiefern eine größere Bisskraft haben, jedoch weniger flexibel sind als Tiere mit mehreren Kieferknochen. Diese Entwicklung hat die Säugetiere jedoch nicht davon abgehalten, sich an eine breite Palette von Nahrungsarten anzupassen.
Quelle: University of California
Dieser Artikel ist unter dem Titel „Ein faszinierendes Rätsel“ in der Dental Tribune Deutschland erschienen.