Branchenmeldungen 21.03.2013
Frauen leben länger – bei geringerer Lebensqualität
Anlässlich des Weltfrauentags am 8.
März 2013 präsentierte das Institut für Gender Medicine der MedUni
Wien ein alarmierendes Ergebnis geschlechtsspezifischer Forschungen.
Laut aktuellen Studien ist die gesundheitsbezogene Lebensqualität
von Frauen deutlich schlechter als die von Männern.
In Österreich und in Europa leben
Frauen im Schnitt um rund sechs Jahre länger als Männer. Sehr
positiv für die Frauen, könnte man meinen, insbesondere auch was
die Gesundheit von Frauen angeht. Diese gängige Annahme stimmt aber
nicht. Sieht man genauer hin, zeigt sich laut Alexandra
Kautzky-Willer, Leiterin der Gender Medicine Unit an der MedUni Wien,
dass Frauen gegenüber Männern häufiger an chronischen Krankheiten
und Funktionseinschränkungen leiden und eine schlechtere
gesundheitsbezogene Lebensqualität aufweisen.
Karin Gutiérrez-Lobos, Vizerektorin
der MedUni Wien für Lehre, Gender und Diversity, die die erste
Professur für Gender Medicine in Österreich an der MedUni Wien
initiiert hat, betont: „Diese aktuellen Ergebnisse bestätigen, wie
wichtig Gender Medicine ist. Die Ergebnisse zeigen deutlich, dass
gerade der Gleichbehandlungsstatus von Frauen ein wichtiger
Einflussfaktor auf die Gesundheit ist. Verbessern sich nämlich etwa
Sozialstatus, Gleichbehandlungsindex oder Karrieremöglichkeiten,
steigt auch die gesundheitsbezogene Lebensqualität.“
Sexualhormone, Rollenbild und
Sozialverhalten machen den Unterschied
Ebenfalls von großer Bedeutung sind
laut Kautzky-Willer die bei Frauen stärker ausgeprägten
Lebensphasen, welche stark durch die Veränderungen der
Sexualhormone, aber auch durch das jeweilige Rollenbild beeinflusst
sind.
Ab der Pubertät sind Frauen mehr als
Männer von Schmerzsyndromen wie Reizdarm, Fibromyalgie und Migräne,
aber auch Autoimmunerkrankungen wie Lupus, multiple Skerose,
Schilddrüsenfunktionsstörungen oder Asthma betroffen.
Zyklusanomalien, ein unerfüllter Kinderwunsch oder
Schwangerschaftskomplikationen können wichtige Hinweise auf ein
erhöhtes späteres Krankheitsrisiko geben. Nach einem
Schwangerschaftsdiabetes haben Frauen z.B. ein sieben Mal höheres
Diabetesrisiko und ein deutlich erhöhtes Gefäßrisiko.
Lebensstiländerungen wie Rauchen, Einnahme der Pille, Stress und
Bewegungsmangel führen – vor allem von jungen Frauen – zur
Zunahme der Sterblichkeit durch Herzinfarkt. Ab der Menopause sind es
vor allem Fettstoffwechselstörungen, Bluthochdruck, Herz-Kreislauf-
Erkrankungen und Osteoporose, die Frauen vermehrt zu schaffen machen.
Im hohen Alter sind Frauen schließlich signifikant stärker von
Alzheimer-Demenz, Inkontinenz und Immobilität betroffen. Und wäre
das alles noch nicht genug, haben Frauen gegenüber Männern auch
noch doppelt so oft mit einer Depression zu kämpfen.
„Hinter diesen deutlichen
Unterschieden stehen verschiedene Gründe. Zu nennen wären neben den
vielen Unterschieden in der Biologie und den Sexualhormonen vor allem
unterschiedliche Auswirkungen von Umwelteinflüssen, Unterschiede im
Lebensstil, Geschlechterrollen und das unterschiedliche
Sozialverhalten“, so Kautzky-Willer. Aber auch die Ursachen und
Auswirkungen von Stress sind bei Männern und Frauen unterschiedlich.
Aktuelle Studie erforscht
geschlechtsspezifische Unterschiede im Coping von
Autoimmunerkrankungen
Eine aktuell laufende, interdisziplinäre
Studie der Universitätsklinik für Innere Medizin III der MedUni
Wien und der Gender Medicine Unit untersucht eine Reihe von
Autoimmunerkrankungen unter geschlechtsspezifischen Aspekten. Zu
Morbus Crohn, einer häufigen Erkrankung des Darms, liegen bereits
erste Ergebnisse vor. Kautzky-Willer: „Verbessern sich die soziale
Unterstützung, die Zufriedenheit im Job und die Selbstwirksamkeit,
so wirkt sich das bei Männern und Frauen gleichermaßen positiv auf
den Krankheitsverlauf aus. Für Frauen sind neben der
Krankheitsaktivität aber vor allem Wertschätzung und eine gute
Belastbarkeit wichtig.“ Für die Behandlung von
Autoimmunerkrankungen könnten sich durch die Ergebnisse in Zukunft
neue geschlechtssensible Ansätze ergeben.
Quelle: Medizinische Universität Wien