Abrechnung 17.09.2012

Früh übt sich



Früh übt sich

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Schon seit Langem gibt es in Deutschland das System der allgemeinen ärztlichen Früher­kennungsuntersuchungen bei Kindern. Hierdurch soll gewährleistet werden, dass zu einem möglichst frühen Zeitpunkt alle Kinder auf Fehlentwicklungen und Krankheitssymptome ­untersucht werden. Seit dem 1.7.1999 sind auch zahnärztliche Früherkennungsuntersuchungen (kurz: FU) im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung in den BEMA aufgenommen. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat die zahnärztliche FU für Kleinkinder vom dritten bis zum sechsten Lebensjahr eingeführt.

Die erste Früherkennungsuntersuchung soll grundsätzlich im dritten Lebensjahr durchgeführt werden, in der Zeit vom 30. bis zum 36. Lebensmonat. Zwei weitere Früh­erkennungsuntersuchungen sollen im Abstand von mindestens zwölf Monaten bis zum vollendeten sechsten ­Lebensjahr folgen. Das bedeutet, dass bei einer Untersuchung unserer kleinsten Patienten im dritten Lebensjahr nach dem 30. Monat eine Früherkennungsuntersuchung erfolgen soll. Erscheinen die Eltern oder Erziehungsberechtigten mit ihrem Kind erst nach dem dritten Geburtstag, kann von diesem Grundsatz abgewichen und
die erste FU-Untersuchung auch zu einem späteren ­Zeitpunkt durchgeführt werden. Die weiteren FU-Unter­suchungen werden dann jeweils mit einem zeitlichen ­Abstand von zwölf Monaten durchgeführt.

Leistungsinhalt der FU

Die Früherkennungsuntersuchung (FU) umfasst gemäß den Abrechnungsbestimmungen die folgenden Leistungen:

1. Eingehende Untersuchung zur Feststellung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten einschließlich Beratung
(Inspektion der Mundhöhle)
Die eingehende Untersuchung richtet ihr Hauptaugenmerk auf die Früherkennung von Karies und der Ermittlung des individuellen Kariesrisikos. Ebenso Zahnstellungs- und Kieferanomalien, Erkrankungen der Mundschleimhaut und des Zahnfleisches können hier festgestellt werden.

2. Einschätzung des Kariesrisikos anhand des dmf-t-Index
Der „dmf-t-Index“ stellt eine Klassifizierung dar, mit ­deren Hilfe in kürzelhafter Form der Grad der kariösen ­Erkrankung eines Gebisses festgehalten wird.
Dabei bedeuten die englischsprachigen Abkürzungen Folgendes:
„d“     „diseased“ oder „decayed”, d.h. an Karies
erkrankte Zähne,
„m“     „missing”, d.h. fehlende (also wegen Karies
entfernte) Zähne,
„f“     für „filled”, d.h. gefüllte Zähne,
„t“     für „teeth“ (Zähne).
Nach den Kriterien des Gemeinsamen Bundesausschusses, die bei der BEMA-Nr. FU anzuwenden sind, wird unter einem hohen Kariesrisiko verstanden, wenn bei einem Kind in einem Alter bis
3    Jahre ein dmf- t    >    0,
4    Jahre ein dmf- t    >    2,
5    Jahre ein dmf- t    >     4,
6    Jahre ein dmf- t    >    5 vorliegt.

Beispiel: Annalena ist fünf Jahre alt. Sie hat am Zahn 75 eine kleine Füllung und bei der Untersuchung eine weitere kariöse Läsion. Der dmf-t lautet „2“ und damit liegt kein höheres Kariesrisiko vor. Jonas ist dreieinhalb Jahre alt und hat eine kleine Füllung an 85 und eine weitere Füllung an 24. Ansonsten ist sein Gebiss kariesfrei. Sein dmf-t-Index lautet ebenfalls „2“, aber aufgrund seines Alters wird er in ein hohes Kariesrisiko eingestuft. Mit der BEMA-Neurelationierung wurde festgelegt, dass eine Fluoridierung schon vor dem 6. Lebensjahr erfolgen kann, wenn das Kind ein hohes Kariesrisiko aufweist, und zwar zweimal pro Kalenderhalbjahr. Wird bei Ver­sicherten vom 30. bis zum 72. Lebensmonat ohne Kariesrisiko eine Fluoridierung durchgeführt, handelt es sich um eine außervertragliche Leistung, die vorab mit einer schriftlichen Vereinbarung gemäß §4 Abs. 5 BMV-Z bzw. § 7 Abs. 7 EKV-Z privat nach GOZ vereinbart werden muss. Demnach kann bei Jonas die Fluoridierung als Vertragsleistung abgerechnet werden, Annalenas Eltern müssen die Fluoridierung als Privatleistung selbst bezahlen.

3.    Ernährungs- und Mundhygieneberatung der Erziehungsberechtigten mit dem Ziel der Keimzahlsenkung durch verringerten Konsum zuckerhaltiger Speisen und Getränke und verbesserter Mundhygiene
Die Erziehungsberechtigten sollen im Rahmen der Früh­erkennungsuntersuchungen darüber beraten werden, welche Maßnahmen zur Keimzahlsenkung, zur Ver­besserung der Mundhygiene und zur Verbesserung der Ernährung mit dem Ziel der Reduktion zuckerhaltiger Speisen und Getränke ergriffen werden können.

4.    Empfehlung und ggf. Verordnung geeigneter Fluoridierungsmittel zur Schmelzhärtung (Fluoridtabletten, fluoridiertes Salz, fluoridierte Zahnpasta und dergleichen)
Ebenfalls aufgeführt wird im Rahmen der individuellen Beratungen bei der FU die Empfehlung zum Gebrauch von Fluoridierungsmitteln. Diese umfassen z.B. Fluoridtabletten, fluoridiertes Speisesalz, fluoridhaltiges Mineralwasser und Nahrungsbestandteile, fluoridhaltige Zahnpasten und andere Mundhygieneartikel usw.

Eingehende Untersuchung (BEMA-Nr. 01) neben BEMA-Nr. FU

Die BEMA-Nr. 01 kann neben der BEMA-Nr. FU in dem­selben Kalenderhalbjahr nicht abgerechnet werden. Im folgenden Kalenderhalbjahr kann die BEMA-Nr. 01 frühestens vier Monate nach Erbringung der BEMA-Nr. FU abgerechnet werden.

Beispiele hierzu:

1. Friederike, vier Jahre alt

In diesem Fall ist eine Abrechnung der FU nicht möglich, obwohl zwischen 01 und FU mehr als vier Monate liegen, da im gleichen Halbjahr schon eine 01 abgerechnet wurde.

2. Niklas, fünf Jahre alt

Bei Niklas kann die 01 nicht abgerechnet werden, weil FU und 01 wiederum im gleichen Halbjahr liegen.

3. Jan, drei Jahre alt

Jan hat seine Besuche in zwei Halbjahre gelegt. Nun können sowohl die FU als auch die 01 abgerechnet werden.


Beratung (BEMA-Nr. Ä1) neben BEMA-Nr. FU

Im Zusammenhang mit Früherkennungsuntersuchungen kann die BEMA-Nr. Ä1 nicht abgerechnet werden. In der Kommentierung der KZBV wurde angeführt, dass ­jedoch Beratungen, die nicht inhaltlich im Zusammenhang mit der FU stehen, zusätzlich berechnungsfähig seien.

Beispiel: Annalena kommt am 6. April zur Früherkennungsuntersuchung. Die Eltern werden über die regelmäßige Zahnpflege und die notwendige Fluoridierung beraten. Da die Beratung in direktem Zusammenhang mit der Früherkennungsuntersuchung steht, ist sie nicht gesondert berechnungsfähig. Lukas kommt ebenfalls am 6. April zur Früherkennungsuntersuchung. In der vorhergehenden Woche (am 30. März) war er schon in der Praxis, weil er bei einem Sturz mit dem Roller die oberen Schneidezähne leicht lädiert hatte. Es wird eine Vitalitätsprüfung durchgeführt und die ­Eltern werden darüber beraten, dass eine regelmäßige Überprüfung der geschädigten Zähne notwendig ist. Da die Beratung mit der Früherkennung nicht im Zusam­menhang steht, kann sie zusätzlich berechnet werden.

Können im Zusammenhang mit der FU Privatleistungen anfallen und abgerechnet werden?
Bei vielen Kindern sind eine Früherkennungsunter­suchung und vier Fluoridierungsmaßnahmen pro Jahr eine gute Basis für den Start ins zahngesunde Leben. Nicht immer sind diese Maßnahmen jedoch ausreichend. Ist eine intensivere und engmaschige Betreuung notwendig, können zusätzliche Sitzungen vereinbart werden. Diese sind dann bei gesetzlich versicherten Kindern mit den Eltern privat zu vereinbaren. Eine Vereinbarung erfolgt dann gem. § 4 Abs. 5 BMV-Z für Primärkassen bzw. § 7 Abs. 7 EKV-Z für Ersatzkassen. Dabei können folgende Leistungen vereinbart werden:

Die alten Leistungen nach Nr. 100 (Mundhygienestatus) und 101 (Remotivation) wurden durch eine neue konkrete Abrechnungsbestimmung ergänzt. Die Leistungen erhalten nach der Systematik der GOZ 2012 eine neue Gebührenziffer (1000/1010) und darüber hinaus wurden die Abrechnungsbestimmungen konkretisiert. Jetzt heißt es: „Im Zusammenhang mit den Leistungen nach den Nummern 1000 und 1010 sind Leistungen nach den Nummern 0010, 4000 und 8000 sowie Beratungen und Untersuchungen nach der Gebührenordnung für Ärzte nur dann berechnungsfähig, wenn diese Leistungen anderen Zwecken dienen und dies in der Rechnung begründet wird.“ Damit ist klar: Neben Mundhygienestatus (Nr. 1000) und Remotivation (Nr. 1010) dürfen berechnet werden:

0010    Eingehende Untersuchung
4000    Parodontalstatus
8000    Funktionsanalyse
Ä1        Beratung
Ä5        Symptombezogene Untersuchung
Ä6    Untersuchung des stomatognathen Systems,
wenn diese Leistungen nicht im Rahmen der Prophylaxe erbracht werden, sondern anderen Zwecken dienen (z.B. Kariesdiagnostik, PA-Diagnostik, Kiefergelenkerkrankungen, Kieferorthopädie) und wenn dies in der Rechnung begründet wird. Andere Leistungen neben Nr. 1000 und 1010 unterliegen keiner Beschränkung.
Nach den Änderungen in §10 GOZ ist die vorgeschriebene Mindestdauer in der Rechnung anzugeben.

GOZ-Nr. 1040 Professionelle Zahnreinigung (PZR)

Bei erheblichen Putzdefiziten ist zusätzlich zur häuslichen Zahnpflege eine professionelle Unterstützung erforderlich.
Der Leistungsinhalt der Nr. 1040 ist wie folgt beschrieben: Die Leistung umfasst das Entfernen der supragingivalen/gingivalen Beläge auf Zahn- und Wurzeloberflächen einschließlich Reinigung der Zahnzwischenräume, das Entfernen des Biofilms, die Oberflächenpolitur und geeignete Fluoridierungsmaßnahmen, je Zahn oder Implantat oder Brückenglied.

Während Fluoridierungsmaßnahmen zur Kariesprophylaxe nach Nr. 1020 neben der professionellen Zahnreinigung ausgeschlossen sind, ist jedoch die Fluoridierungsmaßnahme zur Behandlung überempfindlicher Zahnflächen nach Nr. 2010 möglich.

Neben der professionellen Zahnreinigung können folgende Leistungen nicht berechnet werden:
– 1020    Fluoridierung zur Kariesvorbeugung
– 4050/4055    Entfernung harter/weicher Zahnbeläge
– 4060     Kontrolle nach Belagentfernung
– 4070/4075    Subgingivale Konkremententfernung/
geschlossenes Vorgehen
– 4090/4100    Lappenoperation/offenes Vorgehen

Eine ggf. notwendige zusätzliche Reinigung der Zunge und Wangenschleimhaut im Sinne einer Full-Mouth-Desinfektion ist analog gem. §6 Abs. 1 GOZ zu berechnen.

GOZ-Nr. 2000 Versiegelung von kariesfreien Zahnfissuren mit aushärtenden Kunststoffen, auch Glattflächenversiegelung

Die gesetzlichen Krankenkassen bezahlen die Versiegelung der kariesfreien Fissuren der ersten und zweiten Molaren der zweiten Dentition. Ist eine Versiegelung der Milchmolaren notwendig, ist diese nur als Privatleistung möglich.
Wie schon in der GOZ 88 wird die Versiegelung kariesfreier Fissuren nach der Nr. 2000 berechnet. Dabei beschränkt die GOZ die Berechnung nicht auf die Molaren (wie bei der IP5 bei gesetzlich Versicherten). Die Versiegelung ist für den Bereich kariesfreier Fissuren oder Grübchen bei Milch- und bleibenden Zähnen berechenbar. Darüber hinaus kann die Leistung auch für die ­Versiegelung von Glattflächen, z.B. Wurzeloberflächen, ­berechnet werden. Da Glattflächen- und Fissurenversiegelungen zwei verschiedene, unabhängige Leistungen ­beschreiben, die auch unabhängig voneinander nebeneinander an einem Zahn anfallen können, können diese dann auch nebeneinander berechnet werden. Eine erweiterte Fissurenversiegelung wird wie eine definitive Füllung berechnet. Die Versiegelung bei Entfernen eines Bandes, eines Brackets oder eines Attachments ist ­Bestandteil der Nummern 6110 bzw. 6130 und kann in derselben Sitzung nicht gesondert berechnet werden. Neben der Versiegelung kann die Nr. 4050/4055 (Entfernung harter/weicher Beläge) bzw. die Nr. 1040 (professionelle Zahnreinigung) berechnet werden.

Wie muss sich die Zahnarztpraxis auf diese ­Patientenklientel vorbereiten?

Große Investitionen sind für die systematische Einführung der FU in der Zahnarztpraxis zunächst nicht notwendig – die übliche Praxisausstattung ist ausreichend. Später wird man über ein spezielles Mundhygienezentrum in der Praxis nachdenken und innerhalb der Praxis­organisation einige Umstellungen vornehmen müssen (z.B. Einstellung einer Fachkraft, Terminplaner Prophylaxe etc.). Hat man sich erst einmal ausgiebig dieser Altersgruppe zugewandt, kann sich der Zulauf schnell erhöhen, denn auch die Kleinen machen Mundpropaganda. So erzählen sie gern ihren kleinen „Kollegen“ im Kindergarten von der tollen Kinderzahnarztpraxis, und locken große und kleine Prophylaxepatienten in die Praxis und bilden damit die Klientel der Praxis von morgen.

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