Abrechnung 22.06.2017
Partielle Vestibulum- oder Mundbodenplastik
share
Mit Inkrafttreten der GOZ 2012 und den damit verbundenen Änderungen und Neuerungen sind einige altbekannte Streitpunkte leider erhalten geblieben. So werden von Kostenträgern nach wie vor ungerechtfertigte Erstattungskürzungen bei der Leistung nach GOÄ-Nr. 2675 im Zusammenhang mit Implantationen mit dem Hinweis vorgenommen, eine zusätzliche Lappenbildung sei hier nicht möglich bzw. berechnungsfähig.
Medizinische Aspekte der Vestibulumplastik
Im medizinischen Sprachgebrauch wird unter einer Plastik eine operative Formung bzw. Wiederherstellung eines rückgebildeten bzw. zerstörten Organs oder Gewebes verstanden.
Die Durchführung einer Vestibulumplastik in Verbindung mit einer Implantation dient der Verbreiterung der sogenannten „Attached Gingiva“ im Bereich des Implantats zum nachhaltigen Schutz vor einer Periimplantitis. Nur durch die fixierte Gingiva ist sichergestellt, dass die bewegliche Schleimhaut keinerlei Bewegung auf das implantatumgebende Gewebe verursacht. Außerdem bewirkt das Zahnfleisch am Implantat einen wirkungsvollen Schutz des Körpers gegen Mikroorganismen. Wie auch an einem natürlichen Zahn, kann sich am Implantat eine Tasche bilden, in die Keime dringen und eine Periimplantitis auslösen. Nicht oder nur wenig vorhandene Attached Gingiva stellt eine große Gefährdung für den Langzeiterfolg eines Implantats dar.
Diesen Ausführungen kann man übrigens auch entnehmen, dass die Vestibulumplastik keineswegs dem Wundverschluss dient, wie dies mitunter von Versicherungsstellen undifferenziert behauptet wird.
Somit kann eine Vestibulumplastik z. B. im Rahmen des Setzens von Implantaten (GOZ-Nr. 9010) oder auch erst bei der Freilegung von Implantaten (GOZ-Nr. 9040) medizinisch notwendig sein.
Die GOÄ-Nr. 2675 befindet sich darüber hinaus im Abschnitt L IX. der ärztlichen Gebührenordnung. Dieser Abschnitt ist nach § 6 Abs. 2 GOZ für den Zahnarzt zugänglich, sodass die Berechnung auch aus dieser Sicht nicht zu beanstanden ist.
Wird diese Leistung ambulant durchgeführt, was in der Zahnarztpraxis die Regel ist, kann zusätzlich eine Zuschlagsposition – hier die GOÄ-Nr. 444 – berechnet werden.
Welche Rechtsprechung gibt es zu dieser Frage?
Das Amtsgericht (AG) Köln hat am 14. Dezember 2010 (Az.: 146 C 79/09) – sachverständig beraten – ein erfreuliches Urteil erlassen. Es stellt bezüglich der Vestibulumplastik gemäß Nr. 2675 GOÄ fest, dass es sich bei dieser Leistungsposition um eine Behandlungsmaßnahme handelt, die im Sinne eines komplexen Weichgewebemanagements definiert werde. Dazu gehöre unter anderem ein sogenanntes Split-Flap-Verfahren sowie die Anwendung von mukogingivalen Schwenk- oder Rotationslappen. Wenn ein solches Weichgewebemanagement im Operationsbereich erfolge, dann seien diese eigenständig erbrachten Behandlungsmaßnahmen nicht im Sinne eines einfachen Wundverschlusses zu verstehen, sondern über eine eigenständige Leistungsposition, wie im vorliegenden Fall gemäß Nr. 2675 GOÄ je Kieferhälfte oder Frontzahnbereich, berechenbar.
Mit Urteil vom 13. Dezember 2012 bestätigt das Verwaltungsgericht (VG) München (Az.: M 17 K 11.2205), dass zu Unrecht die Ablehnung der Beihilfegewährung für die Nr. 2675 GOÄ erfolgte, die für die Anwendung des Split-Flap-Verfahrens angesetzt worden war. Die beklagte Beihilfe hatte ihre Ansicht allein auf das Argument gestützt, dass die 2675 GOÄ nur bei herausnehmbarem Ersatz mit Sattel beihilfefähig sei, der hier nicht vorliege. Die nachvollziehbare Darstellung des Sachverständigen führte allerdings zu dem Ergebnis, dass die betreffende Maßnahme eine eigenständig erbrachte Behandlungsmaßnahme darstellt. Das Vorgehen des Zahnarztes sei nach Ansicht des Sachverständigen im Sinne eines komplexen Weichgewebemanagements zu verstehen und nicht als einfacher Wundverschluss.
Fazit
Die eingangs zitierte Behauptung der privaten Krankenversicherer ist gebührenrechtlich unzutreffend. Lokal begrenzte Mundvorhof- bzw. Mundbodenplastiken werden bei bis zu zwei nebeneinanderliegenden Zähnen oder einem vergleichbaren Bereich am zahnlosen Kieferabschnitt nach der GOZ-Nr. 3240, bei größerem Operationsumfang nach der GOÄ-Nr. 2675 berechnet. Aufgrund der vielfältigen Behandlungsansätze der Weichteilchirurgie ist für eine rechtssichere Behandlung und Berechnung eine umfassende Dokumentation der gewählten Therapiemaßnahmen unabdingbar. Nicht dokumentierte Leistungen gelten im Streitfall als nicht erbrachte Leistungen!
Diese Ausführungen basieren auf dem GOZ-Kommentar von Liebold/Raff/Wissing.