Businessnews 28.02.2011
Wirtschaftskrise: Auswirkungen auf deutsche Zahnarztpraxen
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Die weltweite Finanzkrise weitet sich immer mehr zur Wirtschaftskrise aus: auch in Deutschland. Entlassungen, Kurzarbeit und Insolvenzen nehmen zu. Doch wie wirkt sich die Krise auf die deutschen Zahnarztpraxen aus? Wird sie diese überhaupt erreichen? Eine Bestandsaufnahme für April 2009.
Die Wirtschaftskrise ist in Deutschland angekommen. Für den Zahnarzt ist es jetzt wichtig zu wissen, wie lange die Krise anhalten und welche Auswirkungen sie auf sein Geschäft haben wird. Dabei ist zu beachten, dass die Zahnmedizin auf grundsätzlich zwei Säulen steht, nämlich den kassengestützten KZV-Leistungen einerseits und den Privatleistungen andererseits. Sollte es nicht zum totalen Crash kommen und sollten somit allenfalls kleinere bis mittlere Einbrüche zu erwarten sein, wird sich diese Zwei-Säulen-Strategie stabilisierend auswirken. In diesem Aufsatz wird davon ausgegangen, dass es nicht zum Crash kommt, weil in einem solchen Fall ohnehin jede Prognose unseriös wäre. Im Folgenden werden nur die Auswirkungen auf die Privatleistungen, die im Mittel in deutschen Praxen circa 50 Prozent der Umsätze ausmachen, diskutiert.
Verhalten der Verbraucher
Bei kurzlebigen Wirtschaftsgütern wie z.B. Nahrungsmitteln und Motorenkraftstoffen ist für Anfang 2009 ein deutlicher Umsatzrückgang festzustellen, der allerdings in Verbindung mit einem entsprechenden Preisverfall gesehen werden muss. Im Bereich der Kommunikations- und Informationstechnik (mittellebige Wirtschaftsgüter) ist dagegen der Umsatzeinbruch eher klein. Bei langlebigen Wirtschaftsgütern wie z.B. Haushaltsgeräten ist die Kaufzurückhaltung am größten.1 Verstärkt wird diese Situation vermutlich noch dadurch, dass der Automobilhandel, dessen Umsatz ohne die Abwrackprämie vermutlich völlig abgestürzt wäre, den Geldfluss von vergleichbaren Waren weglenkt. Insgesamt neigt der Verbraucher im letzten halben Jahr also zur Zurückhaltung bei Investitionen, insbesondere in langlebige Wirtschaftsgüter des Konsumbereichs.
Wozu zählt die Zahnmedizin?
Zahnmedizinische Privatleistungen sind Investitionen der Patienten in langlebige Anlagen der eigenen Gesundheit bzw. in das Selbstwertgefühl (Wohlfühlen, Ästhetik). Doch während der Konsum in anderen Bereichen der langlebigen Wirtschaftsgüter deutlich zurückgeht, ist dies in der Zahnmedizin nicht festzustellen.
Blitzumfrage bei Zahnärzten
Bei einer (nicht repräsentativen) Blitzumfrage in deutschen Zahnarztpraxen (ländlich und städtisch) ergab sich folgendes Bild: Allgemein ist bis April kein spürbarer Umsatzrückgang festzustellen. Lediglich in einigen ländlichen Bereichen und Städten mit hoher bzw. potenziell hoher Arbeitslosigkeit sind die Patienten zurückhaltender als andernorts. Hier werden teilweise sogenannte „Kann-Leistungen“ zeitlich verschoben.
Viele Zahnärzte berichten dagegen sogar von deutlichen Umsatzzuwächsen innerhalb des letzten halben Jahres. Interessant ist, dass diese Zahnärzte dies in Verbindung bringen mit verstärkten Marketingaktivitäten verschiedener Art (Außenwirkung, Gestaltung der Praxis, extreme Kundenorientierung mit der Folge verstärkten Empfehlungsmarketings etc.). Weiterhin wird berichtet, dass die Patienten das Geld lieber beim Zahnarzt investieren als es auf der Bank zu lassen: „Auf dem Konto bringt es nichts.“
Das Besondere am zahnmedizinischen "Produkt"
Zahnmedizinische Leistungen haben offensichtlich eine Sonderstellung bei den Konsumgütern. Der Autor hat bereits in ZWP 11/20072 berichtet, dass im Gesundheitsbereich eine überproportionale Nachfragesteigerung zu erwarten ist. Dies scheint sich hier auszuwirken: Die Patienten legen ihr Geld im Zweifel lieber in ihre Zahngesundheit an als in anderen Konsumbereichen. Gestützt wird die Investitionsbereitschaft grundsätzlich von der Angst vor einer Inflation.
Zusätzlich ist noch zu beachten, dass die Preiselastizität der Nachfrage nach zahnmedizinischen Leistungen vermutlich negativ (unelastisch) ist.3 Das heißt, dass bei Preissteigerungen kein entsprechender Umsatzrückgang zu verzeichnen ist. Im Extremfall (vollkommen unelastisch) würde sich die Nachfrage unabhängig von der Preissteigerung gar nicht verändern. Dieser Mechanismus scheint auch in der Krise zu wirken: Unabhängig von den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen bleibt die Nachfrage konstant.
Gibt es eine Inflation?
Aus Angst vor Depression und Deflation sowie der damit verbundenen Angst vor Massenarbeitslosigkeit wird weltweit mit billiardenschweren Konjunkturprogrammen und Liquiditätsspritzen versucht gegenzusteuern. Ob es eine Deflation oder eine Inflation geben wird, darüber streiten sich die Experten.
Während Peter Bofinger, einer der fünf Wirtschaftsweisen, und Hans-Werner Sinn, Chef des Münchener ifo-Instituts, eher die Gefahr einer Deflation sehen, prophezeien andere Experten wie zum Beispiel Thomas Staubhaar, Chef des Hamburgischen Weltwirtschaftinstituts HWWI, und Andreas Ries, Chefvolkswirt für Deutschland bei der italienischen Bank UniCredit, eher Inflationsraten von fünf bis zehn Prozent ab 2010.
Weiterhin erwartet zum Beispiel Wim Kösters, Professor für Geld- und Wirtschaftspolitik an der Ruhr-Universität Bochum, die Entfaltung der Wirkung von Konjunkturprogrammen und Liquiditätsspritzen bereits in den nächsten Monaten.4
Dass die Gefahr der Inflation in den USA erheblich größer ist als in Europa, hilft uns nicht, weil sie aufgrund der Globalisierung überall hinschwappen wird.
Bewertung
Aufgrund der stabilisierenden Wirkung der KZV-Leistungen und der Sonderstellung zahnmedizinischer Leistungen beim Verbraucherverhalten kann vermutet werden, dass sich die Krise, deren Ende 2009/2010 absehbar ist, vermutlich nicht gravierend negativ auf die Nachfrage nach zahnmedizinischen Leistungen auswirken wird. Allerdings müssen die Praxen vermehrt Augenmerk auf ein konsequentes Marketing richten. Die Tatsache, dass es nicht klar positionierte Praxen in der Zukunft schwerer haben werden, wird durch die Krise noch verstärkt. Hierin liegt für viele Praxen eine große Chance.
Nach der Krise wird es vermutlich zu einer Inflation kommen. Die Zahnärzte müssen daher ihren Fokus darauf richten, die Preise für ihre Leistungen rechtzeitig anzuheben. Dies ist insbesondere auch wegen der Unelastizität der Nachfrage dringend anzuraten. Zu beachten ist dabei weiterhin, dass manche Verbraucher bei Inflationsgefahr offenbar vermehrt zu Investitionen zum Beispiel in die Zahngesundheit tendieren.
Ein Umsatzrückgang ist allenfalls später und in Einzelfällen denkbar, wenn heute aus den oben genannten Gründen zahnmedizinische Versorgungen vorgezogen werden, die dann nach der Krise nicht mehr gemacht werden müssen. Aber auch hier besteht grundsätzlich wegen einer zu erwartenden überproportionalen Verbrauchsnachfrage kein Anlass zur Besorgnis.
Schließlich bleibt noch festzuhalten, dass die oben gemachten Ausführungen in Teilen auf Annahmen basieren. Wie sich die Krise wirklich auswirken wird, wird Ende 2009 zu bilanzieren sein.
Quellennachweis:
1 Statistisches Bundesamt; http://www.destatis.de, 18.4.2009
2 Sander, Th.: Gefährlicher Markt der Implantologie; ZWP 11/2007
3 Sander, Th.: Welchen Einfluss hat der Preis auf den Gewinn?; ZWP 9/2008
4 Wird alles teurer? Wirtschaftswoche, 11.4.2009
Quelle: ZWP 5/2009; Autor: Thomas Sander