Finanzen 18.10.2011
Von Amateuren und Profis
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Haben Sie schon einmal erlebt, dass Sie einem Patienten ein Goldinlay am Backenzahn unten rechts perfekt einpassen und dieser Patient Sie nach vier Jahren anruft und fragt, warum Sie ihm vor vier Jahren oben links eine Amalgamfüllung verpasst hätten, er hätte doch ausdrücklich für unten rechts ein Goldinlay vereinbart?
Etwa so ein Erlebnis hatte ich gestern, als mich kurz nach 8 Uhr morgens eine leicht aufgelöste Klientin anrief. Sie sei mit der Performance ihres Depots unzufrieden und überhaupt sei der AXA-Immoselect im Depot gar kein offener Immobilienfonds, sondern ein Hedgefonds und beim Beratungsgespräch hätten sie und ihr Mann mir ausdrücklich gesagt, dass die Anlagestrategie „defensiv“ sein solle … Da musste ich erst mal schlucken, um dann ganz vorsichtig zu klären, was passiert war. Es stellte sich heraus, dass das Arztehepaar sich von einem Bekannten zu einem Beratungsgespräch mit einem „Finanzberater“ eines der bekannten „Strukturvertriebe“ überreden lassen hatte. Der hatte sich die Depotunterlagen zeigen lassen und flugs errechnet, dass das Ende 2005 angelegte Kapital von 170.000 Euro inzwischen nur noch 147.000 Euro wert sei. Er begründete dies mit der risikoreichen Struktur des Depots, die z.B. einen „Hedgefonds wie den AXA Immoselect“ beinhalte.
Ich weiß nicht, wo dieser „Experte“ rechnen gelernt hat, denn der Wert des Depots nach Abzug aller Kosten und Spesen lag bei knapp 188.000 Euro. Das Depot war über alle Krisen inklusive der Finanzkrise und der aktuellen Krise hinweg bis auf einen Monat immer im Plus gelegen und der AXA Immoselect ist und bleibt ein offener Immobilienfonds und ist definitiv kein „hoch riskanter Hedgefonds“. Nach einem 20-minütigen Telefonat und einer fünfseitigen E-Mail waren die Klientin und ihr Mann wieder beruhigt, bedankten sich für die ausführliche Stellungnahme und schrieben mir, dass sie diesen „Finanzfachmann“ nicht mehr in ihr Haus kommen ließen.
Ich finde es schon erstaunlich, welche Amateure sich immer wieder voller Selbstbewusstsein als „Finanzexperten“ präsentieren und mit ihrem Nonsens-Geschwafel gutgläubige Laien völlig verunsichern. Eine ganze Reihe von Zahnärzten hat sich in der letzten Zeit wieder vermehrt auf das vermeintlich sichere Betongold gestürzt, weil sie in absehbarer Zeit eine Hyperinflation und/oder Währungsreform und/ oder Staatspleite erwarten. Ich teile diese Befürchtungen nicht, aber da kann man ja durchaus auch unterschiedlicher Meinung sein. Eine relativ klare Sache ist der Kauf eines selbstgenutzten Hauses oder einer selbstgenutzten Wohnung, da Sie in dem Fall Ihr eigener „Mieter“ sind. Anders sieht es bei Wohnimmobilien als Kapitalanlage aus. Die werden vermietet, und da beginnt dann schnell ein Drama, das jegliche Freude und Rendite vertreibt. Wer hat nicht schon im Freundes- oder Bekanntenkreis Schauergeschichten von unbezahlten Mieten und verwüsteten Wohnungen gehört? Vielleicht haben Sie selbst schon einschlägige Erfahrungen gemacht. „Mietnomaden“ – durchaus auf sehr hohem Niveau mit Luxuskarosse vorfahrend und souverän auftretend – rauben dem Immobilieninvestor den letzten Nerv, beschäftigen Anwälte und Gerichte monate-, wenn nicht gar jahrelang und am Ende bleibt der Vermieter doch mit langem Gesicht auf allen Kosten und einer ruinierten Immobilie sitzen, für die er seit Monaten keinen Cent Miete erhalten hat.
„Profivermieter“ vs. „Amateurvermieter“
Beim ersten Schritt der Vermietung unterscheiden sich die beiden normalerweise nicht. Beide treffen i.d.R. aus der Menge der Mietinteressenten nach rationalen oder irrationalen Kriterien eine engere Auswahl an Mietern oder lassen die Vorauswahl von einem Makler treffen. Danach agieren beide anders.
1. Der Profi trifft die Endauswahl auf jeden Fall immer selbst und trifft sich mit den ein, zwei, drei Endkandidaten. Der Amateur lässt die Endkandidaten zu sich nach Hause kommen oder trifft sie in der zu vermietenden Immobilie. Der Profi vereinbart für das persönliche Treffen kurzfristig und unkompliziert ein Treffen beim Mietinteressenten – dann weiß er anschließend nämlich, wie seine Mietwoh-nung nach einiger Zeit aussehen wird.
2. Der Amateur lässt sich Gehaltsnachweise/Steuerbescheide/Anstellungsnachweise schicken, am besten gleich noch per E-Mail als PDF, weil so das Fälschen besonders leicht ist. Der Profi lässt sich Originale vorlegen und verlangt ggf. vom Steuerberater bestätigte Einkommensnachweise. Den Steuerberater ruft er natürlich an, um sicherzugehen, dass der die Einkommensbestätigung auch wirklich selbst erstellt hat.
3. Der Profi recherchiert auch im Internet, was er dort so alles über seinen möglichen künftigen Mieter und unter Umständen über dessen privates Umfeld so findet. Google, Facebook, XING & Co. sind oft reiche und aussagekräftige Fundgruben.
4. Der Amateur ist zufrieden, wenn das Einkommen nachgewiesen ist. Der Profi lässt sich Namen und Adresse des vorherigen Vermieters geben und bittet darum, sich dort eine Referenz über den Mieter einholen zu dürfen. Und die holt er sich auch und erkundigt sich, wie das Zahlungsverhalten des Mietinteressenten bisher war und ob es Ärger bei der Nebenkostenabrechnung gegeben hat.
5. Der Profi lässt sich auch mehr als eine persönliche Referenz schicken, checkt diese kurz im Web und ruft dann dort auch an. Das ist vielleicht am Anfang etwas aufwendig, aber es schützt und spart unter Umständen viel, viel Zeit und noch viel mehr Ärger. Alle meine Klienten, die so vorgehen, haben seither nie mehr Ärger mit Mietern gehabt.