Patienten 13.06.2014
Panik beim Zahnarzt – wie Sie das Problem mit der Angst lösen
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Ein Hightech-Bohrer rotiert. Die Mundspülung läuft. Und dann der Duft des Desinfektionsmittels. Spätestens wenn sie den Fuß in die Praxis ihres Zahnarztes setzen, empfinden die meisten Deutschen Angst. Wie weitverbreitet sie ist, belegt die Statistik: 70 Prozent geben an, unmittelbar vor dem Zahnarztbesuch verängstigt zu sein. Dass sie trotzdem hingehen und nicht zu den 10 Prozent gehören, die den Besuch vermeiden, liegt daran, dass sie Wege und Mittel gefunden haben, „Herr ihrer Angst“ zu werden.
Angst als Indikator – Angst als Widerstand
Was viele nicht ahnen: Unsere Angst ist kein Schreckgespenst, sondern ein fürsorglicher Begleiter, der es gut mit uns meint. Angst ist etwas Existenzielles. Das bedeutet nicht nur, dass sie uns vollständig erfasst, sondern auch, dass sie zu einem wesentlichen Bestandteil des Menschseins gehört.
Und das aus gutem Grund. Denn der Entscheidungsspielraum, den unsere Vorfahren aus grauer Urzeit hatten, war denkbar knapp. Es war überlebenswichtig für sie, drohende Gefahren zu erkennen und sofort zu reagieren. Die Angst versetzte sie in die Leistungsbereitschaft, die sie dafür benötigten. Weit aufgerissene Augen, Blässe, angespannte Muskeln und flache Atmung zählen sicher nicht zu den attraktivsten Eigenschaften eines Menschen. Aber ohne sie wäre er den Gefahren in der freien Wildnis schutzlos ausgeliefert gewesen.
Die Zahnarztphobie, oder besser Zahnbehandlungsangst, ist eine noch junge Ausprägung desselben Verhaltensmusters, zählt aber inzwischen zur zweithäufigsten Angsterkrankung. Dass sie so weitverbreitet ist, hängt eng mit unserer biologischen Entwicklung zusammen. Denn unser Mund ist nicht nur hochempfindlich, sondern auch in der Lage, zwischen verschiedenen Nahrungsqualitäten zu unterscheiden. Psychologen bestätigen das: Kein anderes Organ verfügt über diese hohe sensorische Qualität. Mit ihrer Hilfe bauen wir in unserer ersten Entwicklungsphase ein Urvertrauen auf, das für die Beziehung zwischen Mutter und Kind sowie unsere weitere Entwicklung bedeutsam ist. Auch Jahre später bleiben wir auf unser hochleistungsfähiges Sinnesorgan angewiesen und reagieren empfindlich auf Störungen.
Ursachenforschung – sind die Gene schuld?
Je nach Disposition kann eine einzige traumatische Erfahrung einen Menschen so sehr prägen, dass sie zur Angst wird. Sage und schreibe 63 Prozent der Patienten geben an, aus diesem Grund Angst vor Schmerzen zu haben. Manch einer entwickelt die lähmende Angst selbst dann, wenn andere von einer solchen Erfahrung berichten. Welche Rolle dabei der behandelnde Zahnarzt spielt, zeigt eine Statistik, wonach 32,2 Prozent der Angstpatienten das unsensible Verhalten ihres Arztes beklagen. Wer sich abgewertet fühlt, nur weil er ungern zum Zahnarzt geht, ist mit Recht misstrauisch.
Die gute Nachricht: Heutzutage muss niemand Angst vor dem Zahnarzt haben. Es gibt einige Zahnärzte, die sich auf die Behandlung von Angstpatienten spezialisiert haben und eine Behandlung unter lokaler Betäubung anbieten. Sie bringen das nötige Feingefühl für ihre Patienten mit und sind fachlich darin geschult, sie schmerzfrei zu behandeln.
Die Narkose ist jedoch nur etwas für den Notfall. Denn langfristig riskieren Patienten, dass sich ihre Ängste verselbstständigen und sich die Phobie manifestiert. Der wissenschaftliche Behandlungsstandard ist eindeutig: Angstpatienten benötigen Mut und Beistand, damit sie die Kraft aufbringen, sich mit ihrer Problematik auseinanderzusetzen und psychopharmakologische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Der Grund: Nur 30 Prozent der Patienten, die mit einer Narkose behandelt werden, bauen ihre Ängste langfristig ab.
Angstpatienten, die sich dennoch nicht überwinden können, einen spezialisierten Zahnarzt aufzusuchen, sollten jedoch nicht gleich aufgeben. Am besten, sie wenden sich an einen Facharzt für Psychotherapie oder einen Psychiater. Im geschützten Rahmen einer Gesprächstherapie erhalten sie die Möglichkeit, den Ursachen ihrer Phobie auf den Grund zu gehen und die Angst vor dem Zahnarztbesuch zu überwinden. Wie erfolgreich eine psychotherapeutische Behandlung sein kann, zeigt eine aktuelle Studie der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster.