Praxiseinrichtung 12.05.2022

Wenn keiner das Erbe antritt: Ein Praxisende in Sangerhausen



Wenn keiner das Erbe antritt: Ein Praxisende in Sangerhausen

Foto: OEMUS MEDIA AG

Nach 47 erfüllenden und intensiven Arbeitsjahren am Stück wartet die ehemalige Zahnärztin Dr. Christine Kubisiak im März 2022 auf die Auflösung ihrer Praxis: Denn einen Nachfolger für den Standort in der Karl-Miehe-Straße 15 in Sangerhausen konnte die seit 2019 pensionierte Zahnärztin trotz engagierter Suche nicht finden. „Ich hätte die Praxis nicht teuer abgegeben und auch eine Wohnmöglichkeit über der Praxis im Haus geschaffen, wenn dadurch der Fortbestand gesichert gewesen wäre“, resümiert die Zahnärztin im Gespräch. Am Ende blieb nur die Schließung und damit ein weiterer Beweis für das langsame, aber stetige Aussterben zahnmedizinischer Versorgungsstandorte in regionalen Nebenschauplätzen.

Frau Dr. Kubisiak, warum denken Sie, konnten Sie keinen Nachfolger für Ihre Praxis finden?

Ich muss zu meinem eigenen Nachteil sagen, dass ich wohl zu spät begonnen habe, mich um eine Nachfolgerschaft zu bemühen. Ich hätte über Jahre, als ich noch aktiv im Berufsleben stand, schon eine jüngere Zahnärztin oder einen jüngeren Zahnarzt in die Praxis einführen und mitlaufen lassen sollen und nach meinem Ausscheiden über Verträge binden müssen. Dieses Vorgehen habe ich verpasst, auch weil ich nicht mit solchen Schwierigkeiten bei der Nachfolgersuche, wie ich sie jetzt erleben musste, gerechnet habe. Vielleicht war ich naiv und auch durch die kleinere Praxisgröße und begrenzte Zahl an Behandlungszimmern zu zurückhaltend in Bezug auf das Einstellen und Anlernen eines weiteren Behandlers und die Verantwortung, die man als Ausbildende automatisch trägt.

Wie lange haben Sie erfolglos nach einem Nachfolger gesucht und gab es überhaupt Bewerber?

Ich habe am 1. Oktober 2019 den Praxisbetrieb eingestellt. Anderthalbjahre vor diesem Ende hatte ich die aktive Suche aufgenommen. Es gab einige wenige Bewerber in dieser Zeit, ein syrischer Kollege aus Leipzig, der jedoch vor einer Übernahme erst alles von mir erlernen wollte; darauf konnte und wollte ich mich nicht einlassen. Dann gab es noch einen Kollegen aus Mansfeld, dem die Praxis zwar gefiel, doch familiäre Gründe und das Fehlen eines Zahnlabors standen am Ende einer Übernahme im Weg. Interessenten, die mich über das Internet kontaktierten, schienen dubios, sodass ich darauf gar nicht erst einging. Und auch auf einen Artikel hin, den die Zahnärztekammer Sachsen-Anhalt zum Thema Nachfolgersuche über mich verfasste, kam leider keine einzige Anfrage.

Was hätten Sie einem möglichen Nachfolger bieten können?

Ich hätte zum einen die Praxis fast verschenkt und damit jedem jungen Zahnarzt einen investitionsgeringen Start ermöglicht. Für Praxen in größeren Städten wie Leipzig oder Halle (Saale) muss man erst mal sehr viel Geld in die Hand nehmen, bevor man überhaupt praktizieren kann. Zum anderen hatte meine Praxis einen treuen Patientenstamm, den man hätte übernehmen können, und ein eingespieltes Praxispersonal, das gerne geblieben wäre. Gerade für eine junge Zahnärztin mit Kind oder naher Familienplanung hätte die Möglichkeit, direkt im Haus zu wohnen und damit kurze Wege zwischen beruflichen und privaten Räumlichkeiten zu haben, ein Vorteil sein können. Verglichen mit meinen Anfangsjahren als Zahnärztin wäre es ein leichter Start gewesen! Letztlich hätte jeder sofort, mit nur wenigen Neuerungen und Anschaffungen, loslegen können. Die Praxis war natürlich keine High-End-Praxis, hat aber immer Gewinne abgeworfen. Das macht den jetzigen Ausverkauf besonders traurig!

Sie betonen, dass die Praxis gerade für eine Nachfolgerin ein vorteilhaftes Sprungbrett gewesen wäre – Warum aber hat sich dann doch niemand gemeldet?

Weil die heute approbierten jungen Zahnärztinnen Arbeitsmodelle vorziehen, die weniger Arbeitsstunden, Verantwortung und finanzielle Risiken mit sich bringen als das, was eine Einzelpraxis verlangt. Als Zahnärztin in die Niederlassung zu gehen, bedeutet wenig Spielraum für anderes. Daher geht der Trend hin zu größeren Praxisstrukturen mit flexiblen Arbeitszeiten und weniger Eigenverantwortung, wie sie beispielsweise ein ZMVZ in Großstädten bietet. Ich habe damals von Montag bis Freitag durchgehend in der Praxis verbracht; mein Sohn war schon etwas größer, sodass ich keine Kleinkindbetreuung abdecken musste. Ich liebte meinen Beruf, aber Ausfälle durch Kranksein oder Ähnliches konnte ich mir nicht leisten, denn ich musste immer ausreichend erwirtschaften, um die Praxis am Laufen zu halten. Das ist viel Stress, den sich junge Frauen heutzutage sehr genau abwägen.

Wie funktioniert jetzt die Abschaffung einer Praxis wie der Ihrigen?

Nachdem ich erfahren musste, dass ich für die regelgerechte Entsorgung meiner Behandlungsstühle über ein Dentaldepot in Halle (Saale) Kosten von 7.000 Euro hätte tragen müssen, folgte ich dem Tipp einer ehemaligen Kollegin. Sie verwies mich an eine Firma in Hannover, die als An- und Verkauf unter anderem gebrauchte Dentalartikel aufkauft und je nach Zustand weltweit und innerhalb Deutschlands im Gebrauchtsegment anbietet. Mit dem Unternehmen habe ich mich dann auf eine Plus-minus-null-Lösung geeinigt. Die Auflösung einer Zahnarztpraxis ist an vielerlei Vorlagen und Dokumentationen gebunden und unterm Strich, wenn man Glück hat, ein Null-Geschäft. Auch diese Seite zeigt das bittere Ende einer erfolglosen Nachfolgersuche. Ich hoffe sehr, dass es anderen Kollegen nicht so ergehen muss.

Das Interview ist in der ZWP Zahnarzt Wirtschaft Praxis erschienen.

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