Praxishygiene 14.12.2012
Die neuen Regelungen der KRINKO, RKI und BfArM
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Vorab ist es hinsichtlich der neuen Regelungen generell empfehlenswert, über ein gut eingeführtes und etabliertes Qualitätsmanagement in der Praxis zu verfügen, da dies zur verpflichtenden Prämisse in der Umsetzung wird. Die einzelnen Arbeitsanweisungen per se müssen leicht verständlich sein und klar gegliedert angelegt werden. Um der Betriebsblindheit im wahrsten Sinne des Wortes vorzubeugen, ist es ratsam, Dritte bzw. Praxisfremde einen detaillierten Blick über die Arbeitsanweisungen werfen zu lassen. So kristallisiert sich am schnellsten und einfachsten heraus, ob die Anweisungen unmissverständlich und eindeutig nachvollziehbar sind oder ob noch Optimierungsbedarf besteht.
Anlage 1 firmiert unter der Überschrift „geeignete validierte Verfahren“. Im Sinne von § 4 Absatz 2 Betreiberverordnung geht es hier um Verfahren, welche ein im Vorfeld definiertes Ergebnis ständig reproduzierbar und nachweisbar erbringen. Insbesondere handelt es sich bei den geforderten Faktoren um Sauberkeit, Keimarmut, Sterilität und Funktionalität. Bekanntermaßen tragen zur Zielerreichung alle involvierten maschinellen und manuellen Prozesse maßgeblich bei. Die einzelnen Schritte ergänzen sich dabei kontinuierlich. Unzulänglich validierte Einzelschritte wirken sich demnach qualitätsmindernd auf die Aufbereitungskette aus. Ebenso die völlige Nichtbeachtung von Arbeitsanweisungen. Im Sinne der Qualitätssicherung gilt es deshalb, gewisse Eckpunkte verbindlich festzulegen. In erster Linie umfasst dies das Verfassen von Standardarbeitsanweisungen für die Vorgänge Vorbehandeln, Sammeln, Vorreinigen, Zerlegen, Sauberkeitsprüfung, Pflege/Instandsetzung, Funktionsprüfung, Verpackung, Kennzeichnung, dokumentierte Freigabe und Abweichungsprotokollierung. Im Rahmen der Reinigung und Desinfektion wird beim manuellen Vorgang neben der Standardarbeitsanweisung auch ein Beleg über die Wirksamkeit des Prozesses gefordert. Bei der maschinellen Reinigung und Desinfektion ist eine Prozessvalidierung durchzuführen. Spülung und Trocknung auf manuelle Art und Weise erfordern wiederum lediglich eine Standardanweisung. Die maschinelle Vorgehensweise dagegen wird validiert und im Gesamtprozess eingebunden. Die Sterilisation geht mit einer Prozessvalidierung einher.
Anlage 2
Diese beschäftigt sich mit der Prüfung der technisch funktionellen Sicherheit. Generell sind die Hersteller von Medizinprodukten verpflichtet, verbindliche Angaben bereitzustellen, aus denen hervorgeht, wie ein Medizinprodukt korrekt aufzubereiten ist (vergleiche DIN EN ISO 17664 sowie vorangehende Klassifizierung hinsichtlich des Risikos gemäß DIN EN ISO 14971). Werden Medizinprodukte abweichend von den Herstellerangaben aufbereitet, muss die einwandfreie technisch-funktionelle Sicherheit gewährleistet werden. Dies umfasst sowohl die Gewährleistung von Materialeigenschaften als auch der Funktionsfähigkeit, sodass das aufbereitete Medizinprodukt sicher für alle Beteiligten zur Anwendung kommt. Aus diesem Grund müssen spezifische relevante Prüfparameter in den Validierungsprozess aufgenommen werden. Es handelt sich hierbei um drei verschiedene Aspektgruppen:
– Medizinproduktbezogene Aspekte wie Material oder Konstruktion,
– durch die Anwendung bedingte Aspekte wie Ort, Dauer und Belastung während der Anwendung,
– Einflüsse durch den Aufbereitungsprozess in Summe.
Das Risikomanagement selbst umfasst die Risikobewertung, Maßnahmen und Gegensteuerung sowie Akzeptanz des Restrisikos. Hinsichtlich der Materialeigenschaften sollten die Parameter Oberflächenbeschaffenheit, Korrosionsbeständigkeit, Versprödung, Reiß- und Zugfestigkeit, Stabilität von Verklebungen/Kontaktstellen, Schmierung von Gelenken, Materialermüdung, Rückstände oder Absorption von Prozesschemikalien und Integrität von Gehäusen und Bauteilen beachtet werden. Aufgrund des umfassenden Medizinproduktespektrums können detaillierte Angaben zur Funktionsprüfung nicht aufgeführt werden. Diese sollen vom Hersteller in Validierungs- und Aufbereitungsprozesse aufgenommen werden. Darüber hinaus werden Angaben über die maximale Anzahl der Aufbereitungszyklen sowie die Dauer der Verwendbarkeit von aufbereiteten Produkten gemacht.
Anlage 3
Darin dreht sich alles um die korrekte Inbetriebnahme von Reinigungs- und Desinfektionsgeräten (RDG), die bestimmungsgemäß für die Aufbereitung von Medizinprodukten geeignet sind. In diesem Zusammenhang sind nicht nur die bekannten Einzelschritte der Abnahmeprüfung wie Installationsqualifikation (IQ), Betriebsqualifikation (OQ), Abstimmung der Prozesschemikalien und Beladungsvorgaben zu beachten. Vielmehr richtet sich das Augenmerk auf die umfassende und geeignete Zusatzausrüstung für Medizinprodukte der Klassifizierung semikritisch und kritisch. Als Beispiele seien spezielle Boxen für Endonadeln oder Vorrichtungen für Abdrucklöffel genannt, um eine wirkungsvolle Aufbereitung erzielen zu können. Eine ausreichende Anzahl von Trays, Einsätzen und Körben ist ein Muss. Außerdem sind chirurgische Hand- und Winkelstücke mit geeigneten Verfahren im RDG aufzubereiten.
Hinsichtlich der Dokumentation sei erwähnt, dass alle anwendungsrelevanten Beladungskonfigurationen und entsprechende Begründungen per Betreiberdokumente festgehalten werden, welche durch Fotos der Anwender ergänzt werden. Die dazugehörige Leistungsqualifikation bezieht sich auf die Eignung der Betriebsparameter bezüglich der Wirksamkeit von Reinigung und Desinfektion. Sie umfasst im Wesentlichen Anforderungen an Beladungsmuster, Betriebsbedingungen und -mittel, Funktionen, Druckangaben, Sensorposition, Wirksamkeit, Prozessrückstände, Chemikaliendosierung und Effizienz der einzelnen Prozessschritte. Diese werden anschließend im Validierungsbericht mit Produktdatenblättern, Schreiberausdrucken und per Fotodokumentation nachgewiesen. Unter Umständen wird ein Äquivalenznachweis erforderlich.
Unerlässlich zur Erreichung eines wirkungsvollen Reinigungs- und Desinfektionsprozesses ist ein ausreichend geschultes und regelmäßig von Neuem unterwiesenes Team. Der Nachweis über Schulungen erfolgt in darauf abgestimmten Dokumenten, welche Auskunft über Schulungsinhalte, Teilnehmer und Unterweisende geben. Außerdem hervorzuheben sind Besonderheiten zu chargenbezogenen Prüfungen. Neben dem Festhalten aller relevanten Prozessparameter ist die tägliche Sichtprüfung des Behandlungsguts mit entsprechender Dokumentation gefordert. Sauberkeit, Unversehrtheit, Trocknung und Restfeuchte sind in Betracht zu ziehen. Die finale Freigabe wird begleitet von Qualifizierungsnachweisen und Namenslisten der Anwender. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Namen von ausgeschiedenen Mitarbeitern nicht einfach gelöscht werden dürfen. Um eine lückenlose Nachvollziehbarkeit von Prozessen und durchführenden Personen zu gewährleisten, werden die ausgeschiedenen Mitarbeiter einfach auf inaktiv geschaltet und ggf. neue Mitarbeiter in den Listen ergänzt.
Anlage 4
Die Inbetriebnahme und der Betrieb von Kleinsterilisatoren für die Aufbereitung von Medizinprodukten werden in Anlage 4 geregelt. Da die unterschiedlichen Medizinprodukte der Klassen unkritisch, semikritisch und kritisch auch verschiedene Leistungsanforderungen an den Autoklaven bedingen, unterscheidet EN 13060 drei Typen von Prozesstypen bzw. Sterilisationszyklen: Zyklus N, Zyklus B und Zyklus S. Sterilisatoren des Zyklustyps N sind aufgrund ihrer technischen Beschaffenheit und Funktion in Zahnarztpraxen nicht mehr aktuell. Sie dürfen nur noch zur Aufbereitung von unverpackten festen, massiven Medizinprodukten verwendet werden. Sie sind folglich nicht für Hand- und Winkelstücke geeignet und können in diesem Zusammenhang vollständig ausgeklammert werden.
Typ B, der ein Vakuum zur Luftentfernung anwendet, eignet sich dagegen für verpackte und unverpackte massive Produkte.
Typ S ist für die ausgelobten Produkte gemäß spezifischer Herstellerangaben geeignet. Liegen für ein Gerät entsprechende Herstellernachweise in Form von Studien, Beladungsmustern oder Konformitätserklärungen vor, so kann auch ein Autoklav mit dem Sterilisationszyklus S die Anforderungen vollständig und normenkonform erfüllen. Das Bundesgesundheitsblatt 2006,49: 375–394 belegt wörtlich, dass im Rahmen der Aufbereitung von semikritischen und kritischen Instrumenten (Hand- und Winkelstücke) für die abschließende thermische Desinfektion unverpackt/verpackt im Dampfsterilisator ein Gerät des Zyklustyps B oder S verwendet werden kann. Sterilisatoren des Zyklustyps S sind auch unter der landläufigen Bezeichnung Schnellsterilisatoren für Hand- und Winkelstücke bekannt, da sie in kürzester Zeit eine geeignete Aufbereitung liefern können (z.B. Sirona DAC oder Statim). Ein elementares Element bildet auch in diesem Kontext die Abnahmeprüfung mit den Bestandteilen der Installationsqualifikation (IQ) und der Betriebsqualifikation (OQ). Nach Überprüfung aller relevanten Daten wie zum Beispiel Lieferumfang, Probelauf, sicherheitstechnische Einrichtungen, Prozessbeurteilung und -ablauf, Luftentfernung etc. wird ein umfassendes Installations- und Übergabeprotokoll erstellt. Der dazugehörige Validierungsbericht erfolgt per Schreiberausdrucken und umfasst zusätzlich eine Fotodokumentation. Bestimmungsgemäß kritische Medizinprodukte müssen immer steril zum Einsatz kommen, da sie bei der Behandlung voraussichtlich Haut oder Schleimhaut durchdringen. Deshalb ist hier das Hauptaugenmerk auf den Verpackungsprozess und somit ein adäquates Sterilbarrieresystem zu richten gemäß DIN EN ISO 11607–1:2006. Die Wahl des passenden Verpackungsmaterials ist der fundamentale Schritt. Ist das Sterilbarrieresystem nicht für das gewählte Sterilisationsverfahren geeignet, so sind auch alle folgenden Schritte ineffizient. Hier sind die Herstellernachweise zu berücksichtigen.
Aktueller Goldstandard sind zum Beispiel Einwegverpackungen wie Klarsichtbeutel oder -schläuche nach DIN EN 868-5:2009, die mittels Siegel- oder Einschweißgerät verschlossen werden. Die kritischen Prozessparameter sind Temperatur und Anpressdruck. Siegelnähte müssen eine Breite von mindestens sechs Millimetern aufweisen, wobei der Mindestabstand zwischen Siegelnaht und MP drei Zentimeter betragen muss. Routinekontrollen umfassen den sogenannten Sealcheck, die Siegelnahtfestigkeit und die kritischen Parameter. Achten Sie beim Kauf eines neuen Siegelgerätes unbedingt darauf, dass es die kritischen Prozessparameter überwacht und im Falle einer Abweichung den Anwender alarmiert (zum Beispiel hawo ValiPak®).
Eine Fortsetzung der aktuellen Neuerungen finden Sie in der nächsten ZWP Zahnarzt Wirtschaft Praxis, Ausgabe 1+2/2013.
Beispiel für eine Arbeitsanweisung
Version: 11/2012
Aufbereitung von Medizinprodukten/Instrumentenkreislauf
Geltungsbereich: Behandlungsbereich, Steri-Raum
Zuständigkeit:
Sterilgutbeauftragte, ZFA mit Nachweis
– Nach der Benutzung werden die kontaminierten MP im Behandlungszimmer in der Instrumentenwanne feucht (Wasser) zwischengelagert.
– Instrumente, die eine MP-Einstufung kritisch A/kritisch B haben, werden dem Patienten zugeordnet (durch Etiketten und in der EDV patientenbezogen abgespeichert).
– Mindestens 2 x täglich (mittags und abends) werden die Instrumentenwannen in den unreinen Sterilisationsbereich überführt.
– Hier werden die MP unter fließendem Wasser mit entsprechender Schutzausrüstung ... • Schutzhaube • Schutzbrille • Kittel • Nassschürze • stichfeste, autoklavierbare Handschuhe • Mund-Nasen-Schutz ... gereinigt.
– Nach der manuellen Vorreinigung werden die MP in das RDG einsortiert.
– RGD mit Programm „93 C-10“ starten und dokumentieren.
– Nach maschineller Reinigung im RDG werden mit Zuhilfenahme einer 8-fach-Lupe die MP auf Sauberkeit kontrolliert.
– Bei negativer Sauberkeitskontrolle müssen die MP erneut manuell gereinigt und dem RDG zugeführt werden.
– Nach positiver Sauberkeitskontrolle werden die MP in Trays sortiert und evtl. verpackt.
– Alle Instrumente werden jetzt abgedeckt und in den reinen Sterilisationsbereich übergeben.
– Grundbestecke der Einstufung unkritisch bzw. semikritisch A und B können direkt in den Sterilisator mit dem Programm „unverpackte Instrumente“ sterilisiert werden.
– Nach erfolgreicher Sterilisation (siehe Display) können mittels EDV die entsprechenden Sterilisationschargen zugeordnet und abgespeichert werden, damit erfolgt die Freigabe der aufbereiteten MP durch die freigabeberechtigte ZFA. Die MP werden anschließend in die Behandlungszimmer einsortiert.
– Bei nicht erfolgreicher Sterilisation oder nicht vollständigem Datentransfer in die EDV sofort die Praxisleitung benachrichtigen und das Sterilgut nicht freigeben. Die MP erneut einschweißen und neu sterilisieren.
– MP der Einstufung kritisch A und B werden im reinen Sterilisationsbereich eingeschweißt, bei spitzen Instrumenten muss ein Durchstichschutz in Form eines kleinen Tupfers oder einer Watterolle oder ein sterilisierbarer Plastikschutz angebracht werden.
– Trays werden, sofern notwendig, eingeschweißt oder in Sterilgutboxen eingebracht.
– Die eingeschweißten MP werden, immer zusammen mit einem Helixtest, in den Vacuklaven mit dem Programm „verpackte Instrumente“ sterilisiert.
– Nach erfolgreicher Sterilisation (siehe Display) werden mittels EDV die entsprechenden Sterilisationschargen zugeordnet und abgespeichert, damit erfolgt die Freigabe der aufbereiteten MP durch die freigabeberechtigte ZFA.
– Bei nicht erfolgreicher Sterilisation oder nicht vollständigem Datentransfer in die EDV sofort die Praxisleitung benachrichtigen und das Sterilgut nicht freigeben. Die MP erneut einschweißen und neu sterilisieren.
– Eine entsprechende Anzahl Etiketten werden erstellt und auf die MP-Verpackungen geklebt.
– Nun erfolgt die Einsortierung der aufbereiteten MP an die dafür vorgesehenen, staubgeschützten Lagerorte, wo sie bis zu einem halben Jahr steril sind. 1x pro Monat werden die Ablaufdaten kontrolliert.
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