Praxismanagement 07.02.2020

Investorengeführte Praxisgruppen vs. Einzelpraxen in Deutschland

In den letzten zwei bis drei Jahren haben in- und ausländische Investoren den deutschen Dentalmarkt für sich entdeckt und damit begonnen, zahlreiche Praxen und Kliniken zu übernehmen. Um diese zunehmende Aktivität der Investoren ist eine intensive Kontroverse entstanden. Es wird somit seit einiger Zeit sowohl unter den Zahnärzten als auch den Interessenverbänden und auf politischer Ebene darüber diskutiert, welche Auswirkungen Investoren auf die Praxislandschaft und die zahnärztliche Versorgung haben werden. Autor Tim Ludwig ist genau dieser Frage in seiner Bachelorarbeit nachgegangen und bietet im Folgenden einen Ausschnitt seiner Recherche und Erkenntnisse.

Die Ermittlung konkreter Auswirkungen auf Einzelpraxen erfordert eine genauere Betrachtung der Geschäftsmodelle der Investoren sowie deren Leistungsangebot. Prof. Dr. Johannes Georg Bischoff hat vier idealtypische Geschäftsmodelle für Praxisgruppen in Deutschland identifiziert, die im Nachfolgenden jeweils kurz erläutert werden.

Die geklonte Praxis

Bei diesem Geschäftsmodell erwirbt der Investor eine erfolgreiche Praxis und „klont“ deren Konzept an anderen Standorten. Praxen, die spezialisierte Behandlungen anbieten und ihren Fokus auf bestimmte Zielgruppen gelegt haben, sind hierbei besonders interessant. Der Gedanke hinter dem Geschäftsmodell ist folgender: Erweist sich ein Praxiskonzept als erfolgreich, dann ist das finanzielle Risiko für die Investoren beim Eröffnen weiterer Praxen mit demselben Konzept geringer.*

Preisführerschaft

Laut Bischoff haben sich klassische Niedrigpreiskonzepte bei Praxen bisher in der Dentalbranche nicht bewährt. Mit dem Geschäftsmodell der Preisführerschaft könnten Investoren jedoch versuchen, das Konzept auf deutlich rentablere Behandlungen anzuwenden, wie bspw. das Implantieren. Wenn es große Praxen schaffen, die benötigte Zeit für diese Behandlungen durch Routine zu reduzieren, können sie niedrigere Preise anbieten und gleichzeitig trotzdem auf höhere Honorare pro Behandlungsstunde kommen. Hierfür wird jedoch eine hohe Behandlungsqualität vorausgesetzt, ansonsten bleiben die Kunden aus. Falls diese dauerhaft gewährleistet werden kann, führt das Geschäftsmodell zu enormem Druck auf kleinere Praxen, die aufgrund von weniger Fällen keine Kostenvorteile an ihre Kunden weitergeben können.

Zentrum mit Satelliten auf dem Land

Zum Aufbau dieses Geschäftsmodells wird vom Investor eine meist in einer Stadt gelegene, moderne, gut ausgestattete Praxis erworben. Die Praxis verfügt über die neuesten technischen Geräte und bietet hochwertige zahnmedizinische Behandlungen an, wie bspw. Implantologie oder Endodontie. Im Anschluss kauft der Investor Einzelpraxen in nahe gelegenen ländlichen Regionen auf. Da der Patientenstamm übernommen werden soll, versuchen die Investoren, den Inhaber für die Übergangszeit noch bspw. an drei Tagen pro Woche in der Praxis zu beschäftigen. An den restlichen Tagen werden angestellte Zahnärzte aus der großen Zentralpraxis geholt. Viele der Patienten in ländlichen Regionen sind froh, wenn es in der Nähe einen Zahnarzt gibt, der die Grundversorgung sicherstellt. Für komplizierte Behandlungen werden die Patienten in das Zentrum verwiesen.

Optimierer

Die „Optimierer“ sind laut Bischoff hoch rentable Praxen, da sie „eine Kostenquote haben, die deutlich unter den branchenüblichen Werten liegt“. Der Kern dieser Praxen sei oftmals ein sehr kostenbewusster Zahnarzt. Dadurch lasse sich das Konzept auch weniger gut skalieren, da der Zahnarzt dafür sorgt, dass die Prozesse ständig optimiert werden und somit die Kosten niedrig bleiben. Bischoff erwähnt zudem, dass von einigen Investoren die Rolle des Praxisinhabers unterschätzt werde, was letztendlich dazu führen kann, dass die gewünschten Rentabilitäts- und Wachstumsniveaus nicht erreicht werden.

Bei den von Prof. Dr. Bischoff identifizierten Konzepten handelt es sich um idealtypische Geschäftsmodelle, das heißt, sie geben eine grundsätzliche Ausrichtung bzw. Vorgehensweise an, können in der Praxis aber auch beispielsweise in Mischformen auftreten.

Leistungsangebot der Praxisgruppen

Ein wichtiger Bestandteil jedes Geschäftsmodells ist zudem das Produktangebot. Im Falle der investorengeführten Praxisgruppen sind dies zahlreiche Leistungsversprechen und Dienstleistungen, die sich vor allem an Praxisinhaber mit Verkaufsabsichten, an junge Zahnärzte und an Patienten richten. Praxisgruppen, die nicht in Investorenbesitz sind, können viele der nachfolgenden Leistungen ebenfalls anbieten, da diese vor allem aus Verbundeffekten mehrerer und größerer Praxen resultieren.

Unterstützung im Praxismanagement

Aufgrund des hohen Verwaltungs- und Bürokratieaufwands für Zahnärzte versprechen die Praxisgruppen der Investoren den Praxisinhabern vor allem Unterstützung im Praxismanagement. Diese Leistungen beinhalten Abrechnung und Administration, Einkauf, Finanzen, IT und Digitalisierung, Marketing und Personal. Der auf Gruppenebene zentralisierte Einkauf bietet eine Möglichkeit für Kosteneinsparungen durch die Bestellung von höheren Stückzahlen. Im Rahmen des ITSupports wird den Praxen bei der Implementierung von neuen Technologien geholfen (Beispiel: Telematikinfrastruktur), und es wird für die zunehmende Digitalisierung der Prozesse gesorgt. Im Marketing gehören Zielgruppen- und Wettbewerbsanalysen sowie die Positionierung der Praxis und die Durchführung von (digitalen) Aktionen zur Patientenakquise zum Leistungsangebot der Investoren. Um Praxen bei Personalthemen zu unterstützen, werden Recruiting auf Gruppenebene, der Austausch von Personal bei kurzfristigen Ausfällen und die Fortbildung der Mitarbeiter angeboten.

Exit-Modelle, Prozessoptimierung und Wachstumsfinanzierung

Zu den weiteren Leistungen gehören flexible Exit-Modelle, Prozessoptimierungen und Wachstumsfinanzierungen. Einige der Praxisgruppen befinden sich zudem in der Aufbauphase eigener Weiterbildungszentren. Diese Akademien ermöglichen Kosteneinsparungen durch eine höhere Auslastung bzw. mehr Teilnehmer und sind gleichzeitig ein Ansatz zur Qualitätssicherung und Minderung des Fachkräftemangels.

Allerdings bietet nicht jede Praxisgruppe in allen genannten Bereichen Unterstützung an. Auch bei der Art der Unterstützung gibt es Unterschiede zwischen den Investoren. Während manche Investoren zahlreiche Funktionen aus der Praxis auslagern (z. B. in ein Shared-Service-Center), zentralisieren andere nur ausgewählte Teilbereiche oder stellen einen Praxismanager zur Verfügung.

Auswirkungen auf Einzelpraxen

Die zunehmende Aktivität der Investoren und die daraus resultierenden Praxisgruppen scheinen die größten Auswirkungen auf Einzelpraxen zu haben. Die Gründe hierfür liegen in den strukturellen Unterschieden zwischen klassischen Einzelpraxen und den (investorengeführten) Praxisgruppen. Damit sind hauptsächlich die Anzahl der Behandler, aber auch andere Vorteile größerer Praxiseinheiten, wie z. B. mehr Flexibilität für die Angestellten oder ein breiteres zahnmedizinisches Angebot für Patienten, gemeint. Dass die Anzahl der Einzelpraxen in Deutschland in den kommenden Jahren voraussichtlich weiter rückläufig sein wird, liegt zum einen an Trends wie z. B. der Feminisierung der Zahnmedizin, dem demografischen Wandel und der Nachfolgeproblematik. Zum anderen beeinflussen investorengeführte Praxisgruppen zumindest teilweise den Rückgang der Einzelpraxen, indem sie zunehmenden Wettbewerbsdruck ausüben. Die Z-MVZs der Praxisgruppen sind keine neue Konkurrenz im Sinne von zahlreichen neuen Praxen, die aufgemacht werden und somit den Kuchen für alle anderen Zahnärzte verkleinern, denn fast alle Investoren übernehmen existierende Praxen und gründen nur selten neue Praxen. Aber sie sind eine neue Art von Konkurrenz im Sinne des Angebots, denn sie bieten den Patienten Leistungen, die bisher in vielen Einzelpraxen nicht geboten werden konnten. So entsteht bspw. durch deutlich längere Öffnungszeiten, moderne Praxiseinrichtungen und kompetitive Preise ein erhöhter Druck auf Einzelpraxen.

Ausblick

Gut geführte Einzelpraxen werden jedoch weiterhin bestehen können, denn vielen Patienten sind der persönliche Kontakt und das oftmals über Jahre aufgebaute Vertrauen zum Zahnarzt sehr wichtig. Allerdings ist es denkbar, dass Einzelpraxen vermehrt jüngere Patienten an Z-MVZs verlieren werden, da diese tendenziell mehr Wert auf preiswerte Leistungen, moderne Einrichtungen, längere Öffnungszeiten und digitale Services, wie z. B. Terminbuchungen, legen. Während sich viele Einzelpraxen früher zumindest nicht aktiv um die Akquise neuer Patienten kümmern mussten, wird sich dies in Zukunft ändern. Infolgedessen steigt die Bedeutung von Onlinemarketing und serviceorientierten Dienstleistungen für Einzelpraxen.

Eine weitere Form von Druck auf Einzelpraxen entsteht beim Thema Personal. Investorengeführte Z-MVZs bieten ihren Mitarbeitern flexible Arbeitsmodelle und vielfältigere Karrierepfade. In Verbindung mit der wachsenden Bedeutung des Themas WorkLife-Balance und der zunehmenden Feminisierung sind viele junge Zahnärztinnen und Zahnärzte auf der Suche nach solchen Modellen, die in Einzelpraxen deutlich schwieriger realisierbar sind. Die Reduktion der administrativen Aufgaben steigert zudem die Attraktivität der Praxisgruppen für junge Zahnärzte, welche vor allem behandeln wollen und den bürokratischen Aufwand fürchten, der mit der selbstständigen Tätigkeit verbunden ist. Die Suche nach qualifiziertem Praxispersonal, welche aufgrund des Fachkräftemangels schon seit Jahren eine Herausforderung für viele Zahnärzte ist, wird somit in den kommenden Jahren nicht einfacher.

Im Bereich der Nachfolge stellen Investoren hingegen eine Chance für Praxisinhaber dar. Gerade für Einzelpraxen auf dem Land findet sich oftmals kein Nachfolger. Während sich die Investoren momentan noch primär auf größere Praxen mit mehreren Behandlern in städtischen Gebieten fokussieren, haben einige angedeutet, dass sie auch die Akquisition von Einzelpraxen in ländlichen Regionen als Satelliten- oder Überweiserpraxen planen, die an größere Zentren angegliedert werden.

* Prof. Dr. Johannes Georg Bischoff (2018), Was Investoren wollen (Teil 1). Zahnärztliche Mitteilungen, 108 (11), 34–36. Abgerufen von: https://www.zm-online.de/archiv/2018/11/ praxis/was-investoren-wollen/

Autor: Tim Ludwig

Der Beitrag ist in ZWP Zahnarzt Wirtschaft Praxis erschienen.

Foto Teaserbild: quickshooting – stock.adobe.com

Mehr News aus Praxismanagement

ePaper