Praxismanagement 19.04.2012
Mitarbeiterführung in der KFO-Praxis
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An welchen Motivationshebeln muss der Kieferorthopäde ansetzen, um Mitarbeiterinnen dazu zu bewegen, Zusatzaufgaben zu übernehmen? Wichtig ist ein sonniges Betriebsklima – herrscht in der Praxis eine Wohlfühlatmosphäre, sind Mitarbeiterinnen eher bereit, Mehrarbeit zu leisten. Aber es gibt auch spezielle Führungsinstrumente, die dieses Engagement nach sich ziehen. Ein Beitrag von Dr. Wolfgang Schmehl.
„Dienst-nach-Vorschrift“-Mentalität verhindern
Jedes Jahr rufen die Untersuchungsergebnisse des Beratungsunternehmens Gallup, das auch unter Deutschlands Arbeitnehmern kontinuierlich Umfragen zur Arbeitsmotivation und Arbeitszufriedenheit durchführt, Entsetzen hervor. Jetzt ergab die Umfrage, dass nur 13% der Befragten engagiert und motiviert arbeiten, während 20% bereits die innere Kündigung vollzogen haben. Zwei Drittel tun nur das, was man von ihnen verlangt – nicht mehr und nicht weniger. Der Hauptgrund für die „Dienst-nach-Vorschrift“-Mentalität: Den Mitarbeitern fehlt die emotionale Bindung an ihren Arbeitgeber, sie können sich nicht mit ihm identifizieren. Und darum ist ein sonniges Betriebsklima so entscheidend für die Bereitschaft, auch einmal Zusatzaufgaben zu übernehmen. Nehmen wir an, ein Kieferorthopäde muss in seiner KFO-Praxis eine umfangreiche zusätzliche Herausforderung bewältigen – ein Beispiel ist die Einführung eines Qualitätsmanagementsystems. Wie werden seine Mitarbeiterinnen reagieren? Grundsätzlich gilt wohl in den meisten Fällen:
• Wenn in der Praxis eine Vertrauenskultur existiert,
• der Kieferorthopäde nicht über die Köpfe der Mitarbeiterinnen hinweg entscheidet und ihnen selbst bei wichtigeren Entscheidungen ein Mitspracherecht einräumt, und
• sich alle grundsätzlich darüber einig sind, man arbeite gemeinsam daran, die Praxisziele zu erreichen,
• ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass der Kieferorthopäde jemanden findet, der die Zusatzaufgabe übernehmen möchte.
Coachingkompetenz für den Kieferorthopäden
Die genannten Punkte wird ein Kieferorthopäde aller Regel nach nur verwirklichen können, wenn er neben seiner Fachkompetenz auch dezidierte Führungs- und Motivationsfähigkeiten besitzt. Diese lassen sich nicht „mal so nebenbei“ aufbauen. Sinnvoll ist es daher, wenn er sich darin ausbilden und schulen lässt – auch um seine persönliche Belastung in Grenzen zu halten, die persönliche Work-Life-Balance zu erreichen und die Lebensqualität zu erhöhen. Denn der Kieferorthopäde darf nicht außer Acht lassen: Wenn es ihm gelingt, die Mitarbeiterinnen zur Übernahme von Zusatzaufgaben zu bewegen, kann er sich durch ein geschicktes Delegationsmanagement von der einen oder anderen Aufgabe befreien, die in den Händen einer Mitarbeiterin viel besser aufgehoben ist als in seinem Verantwortungsbereich.
Zusatzaufgaben nicht verordnen
Der Kieferorthopäde erhöht das Engagement der Mitarbeiterinnen deutlich, indem er sie weitgehend selbst bestimmen lassen, wer welche Zusatzaufgaben übernimmt. Der unschätzbarer Vorteil: Wer eine Aufgabe freiwillig annimmt, wird sich wohl engagierter einsetzen als derjenige, dem sie „von oben“ aufgezwungen oder autoritär verordnet worden ist. Das Teammeeting ist ein geeignetes Forum, um solche Vereinbarungen demokratisch festzulegen. Der Kieferorthopäde kann hier die Zusatzaufgabe vorstellen, die Notwendigkeit der Einführung eines QM-Systems beschreiben und das Team auffordern, Vorschläge zu unterbreiten, wie die Aufgabe gelöst werden kann. Oft entsteht auf diese Weise ein Diskussionsprozess: Die Mitarbeiterinnen bringen eigene Ideen ein, die eine oder andere sieht sich vielleicht dazu veranlasst, von sich aus die Aufgabe oder eine Teilaufgabe zu übernehmen. Hinzu kommt: Der gemeinsame Reflexionsprozess führt zuweilen dazu, dass sich mehrere Mitarbeiterinnen zusammenschließen, um die Aufgabe gemeinschaftlich anzugehen. Und das setzt aller Erfahrung nach zusätzliche motivatorische Energie frei. Zudem hilft es, wenn sich der Kieferorthopäde einmal fragt, unter welchen Bedingungen und Umständen er selbst eine Zusatzaufgabe übernehmen würde. So gelangt er zu kreativen Ideen, wie er das Engagement der Mitarbeiterinnen erhöhen kann. Zudem sollte er, wo immer möglich, mit gutem Beispiel vorangehen und auch selbst eine Zusatzaufgabe im Rahmen der QMS-Einführung übernehmen. So beweist er seinem Team, dass er sich nicht zu schade dafür ist, das zu leisten, was er von seinen Mitarbeiterinnen erwartet.
Die Zustimmung der Mitarbeiterin einholen
Wenn sich im Teammeeting eine Mitarbeiterin bereit erklärt, zum Beispiel die Zusatzaufgabe zu übernehmen, das Qualitätsmanagementhandbuch zu führen, sollte der Kieferorthopäde sie zusätzlich motivieren, indem er für „Zustimmungssicherheit“ sorgt. Was heißt das? Zustimmungssicherheit liegt vor, wenn die Mitarbeiterin die Sicherheit hat, dass es auch für sie richtig ist, wenn sie die Zusatzaufgabe bestmöglich erfüllt, und ihr darum aus eigener Überzeugung zustimmt. Zu diesem Zweck erläutert der Kieferorthopäde ausführlich, warum es für alle Mitarbeiterinnen und die Praxis insgesamt sinnvoll ist, wenn man über ein funktionierendes QM-System verfügt.
Der Motivations-Ton macht die Musik
Selbst wenn in der Praxis ein gutes Betriebsklima herrscht, wird es immer wieder Situationen geben, in denen der Kieferorthopäde spezifische Führungsinstrumente einsetzen muss, um Mitarbeiterinnen zur Übernahme einer Zusatzaufgabe zu motivieren. Hinzu kommt: Jede Mitarbeiterin reagiert anders: Wichtig ist, den spezifischen Motivationsknopf und das „emotionale Warum“ einer jeden Mitarbeiterin zu finden, um sie gezielt und individuell zu der Mehrleistung zu bewegen. An dieser Stelle ist die genannte Coachingkompetenz von ganz besonderer Bedeutung. „Die Einführung des QM-Systems erlaubt es uns, die Patientenzufriedenheit zu erhöhen. Wir helfen den Menschen so, ihre Gesundheit zu erhalten“ – diese ethische Begründung motiviert diejeni-ge Mitarbeiterin im Praxisteam, die ihren Beruf ergriffen hat, um „Dienst am Menschen“ zu leisten. Die eher pragmatisch eingestellte Kollegin hingegen muss der Kieferorthopäde vor allem darauf hinweisen, das QM-System biete ihr die Möglichkeit, sich zu profilieren und ihr Können unter Beweis zu stellen. Die Beispiele zeigen: Der Kieferorthopäde darf die sprachliche „Verpackung“ nicht unterschätzen. Es ist eher ungeschickt, von „Zusatzaufgaben“ zu sprechen und so die unangenehmen Aspekte in den Vordergrund zu schieben. Besser geeignet sind Formulierungen wie:
• „Ich möchte Ihnen Gelegenheit geben, Ihr Können unter Beweis zu stellen ...“
• „Ich traue Ihnen das zu, ich
vertraue Ihrer Fachkompetenz und bitte Sie daher, die folgende Aufgabe zu übernehmen...“
• „Wenn Sie diese Aufgabe übernehmen, tragen Sie zur wirtschaftlichen Stabilität der Praxis bei.“
Mit solchen Formulierungen rückt der Kieferorthopäde eindeutig die positiven Sonnenseiten der Zusatzaufgabe in den Vordergrund. Mit anderen Worten: Der Ton macht die Musik. Selbst in Situationen, in denen er z.B. aus Zeitgründen die Übernahme einer Zusatzaufgabe mehr oder weniger verlangen muss, sollte er freundlich im Umgangston bleiben und die Mitarbeiterin eher bitten als ihr befehlen, sich der Aufgabe zu widmen.
Leistungsbereitschaft fördern – und fordern
Die meisten Menschen wünschen die Herausforderung und wollen spüren, dass sie gebraucht werden, auch am Arbeitsplatz. Der Kieferorthopäde sollte daher Leistung fordern – allerdings: Wer Leistung fordert, steht in der Pflicht, die entsprechenden Rahmenbedingungen zu schaffen. Wenn die Mitarbeiterin bei der QM-Einführung eine Zusatzaufgabe übernimmt, muss der Kieferorthopäde ihr die dazu notwendigen Kompetenzen übertragen und die entsprechenden Freiräume zur Verfügung stellen, damit sie sie eigenständig erledigen kann. Und wenn er dabei feststellt, dass die Qualifikationen einer Mitarbeiterin nicht ausreichen, um die angestrebte Leistung zu erbringen, sollte er überlegen, welche Fördermaßnahmen eingeleitet werden müssen, um ihr Qualifikationsprofil zu verbessern. Im Beispiel der Einführung eines komplexen QM-Systems ist es wahrscheinlich sinnvoll, die Mitarbeiterin an einer Qualifizierungsmaßnahme teilnehmen zu lassen. Konkret heißt das: Wer die Aufgabe überträgt, ein QM-Handbuch anzulegen, es aber versäumt, dass die Mitarbeiterin eine entsprechende QM-Einweisung und die zur Erstellung des Handbuchs notwendigen Kompetenzen erhält, erhöht die Wahrscheinlichkeit der Demotivation. Eine leistungsfordernde und -fördernde Atmosphäre und die Übereinstimmung zwischen Anforderungs- und Qualifikationsprofil tragen dazu bei, dass die Mitarbeiterinnen Zusatzaufgaben zumindest im Einzelfall sogar mit Freude und Begeisterung übernehmen.
Demotivation verhindern
„Demotivation“ – das ist ein entscheidendes Stichwort. Denn welche allgemeinen Faktoren bei der Mehrzahl der Mitarbeiterinnen zu einem höheren Engagement führen, ist in der Motivationsforschung nicht unumstritten. Laut einer Studie der Harvard Business School ist es vor allem wichtig, als Führungskraft für ein Arbeitsumfeld zu sorgen, in dem die Mitarbeiter ohne große Verzögerungen, Rückschläge und andere Demotivatoren ihren Aufgaben nachkommen können. Die eigentlich renommierten Motivationsförderer Lob und Anerkennung spielen demnach bei der Motivation eine eher untergeordnete Rolle. Um wiederum konkret zu bleiben: Wer sich beim Führen des QM-Handbuches mit technischen Schwierigkeiten und Ressourcenproblemen herumschlagen muss, wird schnell die Lust verlieren, sich um die wirklich wichtigen inhaltlichen Fragen zu kümmern. Die Autoren der Harvard-Studie sagen jedoch nicht, Lob und Anerkennung seien prinzipiell ungeeignet, motivatorisch zu wirken. Dieses Motivationsinstrument verliert nur seine Nummer-Eins-Position, sollte aber vom Kieferorthopäden auch in Zukunft eingesetzt werden.
Fazit
Der Kieferorthopäde legt sich ein Instrumentarium an Techniken und Methoden zu, um die Mitarbeiterinnen zur Übernahme von Zusatzaufgaben zu bewegen. Er nutzt seine gesamte Führungskompetenz, um eine Atmosphäre zu schaffen, in der Mitarbeiterinnen langfristig eigeninitiativ und aktiv Mehrarbeit leisten wollen.