Psychologie 02.10.2023
Alterszahnheilkunde: Ein Plädoyer für Feingefühl
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Die zahnärztliche Versorgung von Senioren erhält hinsichtlich des demografischen Wandels eine große Bedeutung. Diese Gruppe älterer, alter und sehr alter Patienten konfrontiert uns jedoch wegen ihrer Heterogenität mit besonderen Herausforderungen. Nicht nur klinisch zahnärztlich, sondern auch auf kommunikativer Ebene gilt es viele Aspekte einmal ganz neu zu betrachten. Die Evidenzlage ist auf unserem Gebiet noch völlig unzureichend. Andere medizinische Fachrichtungen haben hier deutlich mehr an Vorarbeit geleistet:
Im Journal of Patient Education and Counseling erschienen die Ergebnisse einer groß angelegten klinischen Untersuchung, die sich mit der Frage beschäftigt, wie ausreichend medizinisches Fachpersonal auf der kommunikativen Ebene älteren Krebspatienten begegnet. 2013 wurden die Resultate unter dem Titel: „Older cancer patients’ information and communication need: What they want is what they get?“ von einer Gruppe niederländischer, norwegischer und australischer Wissenschaftler veröffentlicht. Insgesamt konnten für diesen Artikel die Daten (insb. Fragebögen; Videoaufzeichnungen) von 116 Patienten und 123 medizinischen Mitarbeitenden ausgewertet werden. Der QUOTEchemo-questionnaire (Quality Of care Through the patients’ Eyes) ist ein auf die Chemotherapie abgestimmter Fragebogen, der die Erwartungen und Bedürfnisse der betroffenen Patienten hinsichtlich der Aufklärung erfasst. Er zeigte auch in der Vergangenheit gute Reliabilität und Validität. Die Patienten mussten ein Mindestalter von 65 aufweisen und sich zum ersten Mal einer Chemotherapie unterziehen. Sowohl die Patienten als auch das medizinische Personal maßen einigen Aspekten (z. B. Aufklärung hinsichtlich der Therapie, Information zu Rehabilitation und den Einfluss der Therapie sowie deren Nebenwirkungen auf das tägliche Leben, affektive Kommunikation) eine gleiche hohe Bedeutung zu. Allerdings wurden große Unterschiede bei der Vermittlung realistischer Erwartungen, Bewältigungsstrategien und zwischenmenschlicher sowie individueller Kommunikation ermittelt.
Warum sind Untersuchungen wie diese auch für uns interessant?
Bei Senioren handelt es sich nicht nur um eine rasch wachsende Patientengruppe, sie ist insbesondere „physiologisch, psychologisch, sozial, wirtschaftlich und kulturell heterogen“. Dies ist vor allem eine Herausforderung für die (zahn)medizinische Versorgung, einschließlich der entsprechenden Patientenaufklärung. Hinzu kommt, dass die Kommunikation mit älteren Patienten „durch verschiedene altersbedingte Barrieren erschwert“ sei, so die Autoren weiter. Kognitive Einschränkungen, sensorische Beeinträchtigungen und individuelle Überzeugungen sowie Wahrnehmungen und Kenntnisse der Patienten sollten im Vorfeld einer Behandlung sensibel eruiert werden, andernfalls drohe ein Behandlungsmisserfolg.
Zwar handelt es sich bei den Diagnosen der zahnärztlichen Patienten nicht um lebensbedrohliche Erkrankungen wie Krebs, jedoch kann bspw. eine prothetische Versorgung oder eine aufwendige Implantation oftmals enorme Konsequenzen für den Lebensalltag unserer Patienten haben.
Schulen Sie daher unbedingt das notwenige Feingefühl für die so wichtige Identifizierung der Möglichkeiten, Fähigkeiten und Fertigkeiten Ihrer älteren Patienten!
Dieser Beitrag ist in der ZWP Zahnarzt Wirtschaft Praxis erschienen.