Recht 11.06.2025
Barrierefreiheitsstärkungsgesetz: Neue Pflichten für die Praxis?
share
Diese Pflicht, die bisher für öffentliche Einrichtungen galt, wird nun auf die Privatwirtschaft erweitert. Anknüpfungspunkt für die neuen Pflichten ist das Angebot von bestimmten Produkten – hier sind die Praxen nicht betroffen. Anknüpfungspunkt können aber auch Dienstleistungen sein, die Praxen betreffen. Grundsätzlich gilt, der Online-Verkauf jeglicher Produkte oder Dienstleistungen fällt als „Dienstleistung im elektronischen Geschäftsverkehr“ unter das BFSG. Sobald eine Website Elemente enthält, die wie auch immer zum Abschluss eines Verbrauchervertrages führen können – hierzu gehört auch der ärztliche Behandlungsvertrag – ist das BFSG anwendbar. Nach den Leitlinien für die Anwendung des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales gehört hierzu auch die Bereitstellung einer Online-Terminvereinbarung. Von der Anwendung ausgeschlossen und grundsätzlich nicht unter das BFSG fallen also nur völlig passive Websites, die informieren und keine Terminbuchung integriert haben.
Kleinstunternehmen sind von der Anwendung des BFSG ausgenommen. Kleinstunternehmen werden als Unternehmen definiert, die weniger als zehn Personen beschäftigen und die entweder einen Jahresumsatz von höchstens zwei Millionen Euro erzielen oder deren Jahresbilanzsumme sich auf höchstens zwei Millionen Euro beläuft. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie Leitlinien für Kleinstunternehmen erstellt, um ihnen die Anwendung dieses Gesetzes zu erleichtern. Zusammenfassend kann der Inhalt der Leitlinie wie folgt wiedergegeben werden: Kleinstunternehmen, die Produkte herstellen, die im BFSG genannt sind, müssen das BFSG anwenden. Kleinstunternehmen, die Dienstleistungen erbringen, die nicht ausdrücklich im BFSG genannt sind, müssen das BFSG nicht anwenden.
Für die Online-Terminvereinbarung gilt also: Praxen, die nicht als Kleinstunternehmen zu behandeln sind, müssen dann das BFSG erfüllen. Praxen, die unter den Kleinstunternehmenbegriff fallen, müssen das BFSG nicht erfüllen. Fällt die Praxis nun unter das BFSG, muss sie sicherstellen, dass die Dienstleistung
- für Menschen mit Behinderung,
- in der allgemein üblichen Weise,
- ohne besondere Erschwernis und
- grundsätzlich ohne fremde Hilfe
- auffindbar, zugänglich und nutzbar ist.
Dies bedeutet, dass die Dienstleistung, hier im Zweifel die Online-Terminvereinbarung, den erhöhten Informationspflichten des Gesetzes entsprechen muss. Diesen erhöhten Informationspflichten kommt die Praxis nach, wenn das Online-Angebot
- für mehr als einen sensorischen Kanal zur Verfügung steht, was wohl eine Vorlesefunktion erforderlich macht.
- Es muss auffindbar sein.
- Die Texte müssen gut lesbar sein. Schriftgröße, Kontrast und Zeilenabstände sind entsprechend zu wählen.
- Die Informationen müssen wahrnehmbar, bedienbar, verständlich und robust sein.
Weiter ist die Praxis als Dienstleistungserbringer verpflichtet, im Wege der allgemeinen Geschäftsbedingungen darüber aufzuklären, wie die Dienstleistung, also die Online-Terminvereinbarung, die Barrierefreiheitsanforderungen erfüllt. Dies wiederum muss in barrierefreier Weise folgende Informationen enthalten:
- eine Beschreibung der Dienstleistung in barrierefreiem Format
- eine Beschreibung der Funktionsweise der Dienstleistung
Werden die Vorgaben des BFSG nicht erfüllt, drohen Bußgelder bis zu 100.000 Euro. Betroffene Verbraucher können Verstöße umittelbar an die für die Überwachung zuständige Landesbehörde melden. Dieses Recht steht daneben auch den nach Behindertengleichstellungsgesetz anerkannten Verbänden und Einrichtungen zu.
Da das BFSG eine wettbewerbsschützende Vorschrift ist, steht jedem Konkurrenten der Weg der wettbewerbsrechtlichen Abmahnung gegen Verstöße zu. Der Wettbewerber kann Unterlassung und Schadensersatz verlangen. Es ist absehbar, dass die neuen Vorschriften wieder eine Abmahnwelle in Gang setzen werden, die für die Betroffenen teuer werden kann.
Wenn Ihre Praxis unter das BFSG fällt, prüfen Sie zeitnah mit Ihrem Anbieter der Online-Terminvereinbarung, ob und gegebenenfalls welche Maßnahmen von Ihnen bis zum 28. Juni 2025 zu ergreifen sind.
Dieser Beitrag ist im EJ Endodontie Journal erschienen.