Recht 13.06.2013

Bezeichnung als Kinderzahnarzt unzulässig?

Bezeichnung als Kinderzahnarzt unzulässig?

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Wer sich mit dem Titel Kinderzahnarzt oder Kinderzahnarztpraxis schmücken will, sollte sich der damit verbundenen Voraussetzungen bewusst sein. Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen hat diese in einem aktuellen Urteil festgesetzt. Rechtsanwalt Guido Kraus erläutert die Bedingungen.

Wie der Zahnarzt gegenüber seinen Patienten auftreten darf, regelt grundsätzlich die Berufsordnung der Zahnärzte. So heißt es im § 21 der Musterberufsordnung für Zahnärzte, dass dem Zahnarzt sachliche Informationen über seine Berufstätigkeit gestattet sind. Untersagt ist dem Zahnarzt dementgegen berufswidrige Werbung, insbesondere anpreisende, irreführende, herabsetzende oder vergleichende Werbung.

Ob die Außendarstellung eines Zahnarztes mit vorstehender Regelung vereinbar ist, ist vielfach Auslegungssache und  beschäftigt daher regelmäßig sowohl Zahnärztekammern als auch Gerichte. Gerade die Praxisbezeichnung wird von den zuständigen Zahnärztekammern regelmäßig beanstandet. Über eine solche Beanstandung durch die Zahnärztekammer hatte das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen mit Urteil vom 25.5.2012 (Az. 13 A 1384/10) zu entscheiden.

Der Sachverhalt

Die betroffenen Zahnärzte betrieben eine zahnärztliche Gemeinschaftspraxis, die sie als „Praxis für Zahnmedizin“ bezeichneten. Auf der Internetseite der Praxis wurde außerdem darauf verwiesen, dass seine Abteilung „Kinderzahnärzte“ Teil der Praxis sei. Unter dem Stichwort „Team“ wurde im Jahr 2007 ein Behandler der Praxis als der Kinderzahnarzt vorgestellt. In einer regionalen Tageszeitung hatte die Praxis zudem ebenfalls im Jahr 2007 mit der Überschrift „Neueröffnung Kinderzahnpraxis“ geworben. In der Anzeige wurde darauf verwiesen, dass „der Kinderzahnarzt“ schon lange an den Zähnen von Kindern arbeitet, er selbst Vater sei und spezielle Fortbildungen besucht habe, die ihn für die Arbeit an den jungen Patienten bestens beschult haben. Die Kammer hielt diese Art von Werbung für unzulässig. Zum einen deshalb, weil durch die Anzeige der Eindruck erweckt werde, der Kinderzahnarzt habe eine eigenständige Zahnarztpraxis eröffnet, obwohl dieser lediglich Angestellter der Gemeinschaftspraxis war. Darüber hinaus erwecke der Artikel den Eindruck, der Kinderzahnarzt könne besondere Qualifikationen bei der Kinderbehandlung aufweisen. An diesem Vorliegen der Qualifikation bestünde jedoch Zweifel, da der Kinderzahnarzt zuvor drei Jahre bei der Bundeswehr angestellt war. Zudem vertrat die Kammer die Auffassung, es bestehe eine Irreführungsgefahr, weil die Angabe „Kinderzahnarztpraxis“ die Praxis sprachlich in die Nähe von Fachärzten oder Fachzahnärzten rücke. Die betroffenen Zahnärzte wollten diese Rüge der Kammer nicht akzeptieren und erhoben daher Klage gegen einen entsprechenden Unterlassungsbescheid. Zur Begründung der Klage führten die Zahnärzte unter anderem aus, dass sie in ihrer Praxis jährlich mehrere 100 Kinder behandelten und auch die Praxisinstrumente und Stühle auf die Besonderheiten von Kindern abgestimmt seien. Das Oberverwaltungsgericht gab der Kammer recht. Die Bezeichnung Kinderzahnärzte sei im vorliegenden Fall irreführend. Im Weiteren führte das Gericht jedoch aus, dass die Praxisbezeichnung „Kinderzahnarzt“ nicht per se als berufswidrige Werbung anzusehen sei.

Das Urteil

In den Entscheidungsgründen des Urteils heißt es hierzu:

„Bei der Frage, ob der Begriff ‚Kinderzahnarzt‘ missverständlich und irreführend ist, ist auf die Sicht der Erziehungsberechtigten abzustellen, die – ggf. auch gegen den Wunsch ihrer Kinder als potenzielle Patienten – die Entscheidung treffen, welcher Zahnarzt die Behandlung ihres Kindes übernehmen soll. Dieser Personenkreis hat vorrangig ein erhebliches Interesse an weitergehenden Informationen darüber, wer im Bereich der Kinderzahnheilkunde nachhaltig tätig ist. Zum maßgeblichen Verkehrskreis zählt aber auch das allgemeine Publikum. [...] Mithin geht das verständige Publikum von der Vorstellung aus, dass ein ‚Kinderzahnarzt‘ nachhaltig auf dem Gebiet der Kinder- und Jugendzahnheilkunde tätig ist, also jedenfalls überwiegend Kinder/Jugendliche behandelt, sich viel Zeit bei der Behandlung von Kindern nimmt und aufgrund seiner besonderen Erfahrung und Kenntnisse auf dem Gebiet der Kinderzahnheilkunde intensiv auf die kindliche Psyche eingeht, um deren möglichen Ängste vor zahnärztlichen Untersuchungen und Maßnahmen abzubauen. Zugleich wird mit dem Begriff ‚Kinderzahnarzt‘ auch die Vorstellung verbunden, dass die Warte- und Behandlungsräume im besonderen Maße auf Kinder ausgerichtet sind, zum Beispiel durch das Vorhandensein zusätzlicher Spielsachen oder einer sonstigen kinderfreundlichen und kindgerechten Ausstattung [...].

Für diese sowohl die Praxisausstattung als auch auf die persönliche Qualifikation des Zahnarztes in dem Blick nehmende Auslegung des Begriffes ‚Kinderzahnarzt‘ spricht auch das Verständnis des eigens gegründeten Bundesverbandes der Kinderzahnärzte [...]. Der Verband macht die Mitgliedschaft eines Zahnarztes davon abhängig, dass der Betreffende seine Arbeitszeit überwiegend der Kinderzahnheilkunde widmet und seine Praxisabläufe sowie seine Praxisorganisation und Einrichtung auf ‚dieses spezielle Patientengut‘ ausgerichtet hat, wobei er sogar noch eine abgeschlossene Spezialisierung des Zahnarztes fordert. Werden ferner mit dem Begriff ‚Kinderzahnarzt‘ auch besondere persönliche Qualifikationen verbunden, besteht die erhebliche Gefahr, dass bei den potenziellen Patienten beziehungsweise ihren Erziehungsberechtigten mit der Bezeichnung ‚Kinderzahnarzt‘ der (falsche) Anschein erweckt wird, als verfügten die Kläger über einen von der Beklagten anerkannte besondere (personenbezogene) Qualifikation. Nach den Bestimmungen der Beklagten werden persönliche Qualifikationen entweder durch die Führung einer Facharztbezeichnung (§ 20 Abs. 3 BO) oder durch die Angabe einer (sonstigen) personenbezogenen Qualifikation (§ 21 Abs. 2 BO in Verbindung mit den hierzu erlassenen Ausführungsbestimmungen) ausgewiesen.“

Über die durch das Gericht geforderte Qualifikation verfügte in der Praxis jedoch kein Zahnarzt. In Bezug auf die Angabe von Tätigkeitsschwerpunkten bei Zahnärzten ist anerkannt, dass nicht irreführende Hinweise auf eine tatsächlich erfolgte Spezialisierung keine berufswidrige Werbung darstelle, wenn die Spezialisierung möglicherweise aber nicht notwendig auf eine Fortbildung beruht, sofern die entsprechenden Erfahrungen vorliegen. Erforderlich für die Führung eines Tätigkeitsschwerpunktes sind aber stets besondere Kenntnisse, Erfahrung und die nachhaltige Tätigkeit in dem betreffenden Bereich.

Der Praxis gelang es nicht nachzuweisen, dass sie nachhaltig im Bereich der Kinderzahnheilkunde tätig sind. Somit kam das Gericht zu dem Schluss, dass die Bezeichnung als Kinderzahnarztpraxis bzw. die Bezeichnung als Kinderzahnarzt im konkreten Fall irreführend ist. Das Urteil hat also keine grundsätzlichen Auswirkungen, da ein Zahnarzt sich auch weiterhin als Kinderzahnarzt und seine Praxis als Kinderzahnarztpraxis bezeichnen darf, soweit er die notwendigen Qualifikationen hat und diese im Zweifel auch belegen kann. Soweit die Kammer weiter vortrug, dass Patienten durch die Bezeichnung Kinderzahnarzt über das Führen einer nach der Berufsordnung nicht vorgesehenen Fachzahnarztbezeichnung getäuscht werden, vertrat die Kammer diese Auffassung nicht. Zwar verbindet der Patient mit der Bezeichnung „Kinderzahnarzt“ einen Zahnarzt, der im Bereich der Kinderzahnheilkunde nachhaltig tätig ist, daraus folge aber nicht zugleich, dass die potenziellen Patienten von dem Vorliegen einer qualifizierten, speziellen Weiterbildung im Sinne einer mindestens dreijährigen Fachzahnarztausbildung (vergleiche § 2 Abs. Weiterbildungsordnung) ausging.

Fazit

Die Bezeichnung als Kinderzahnarzt bzw. die Bezeichnung der Praxis als Kinderzahnarztpraxis ist nicht grundsätzlich berufswidrig. Solange die vom Gericht ausführlich dargestellten Voraussetzungen vorliegen, ist der Hinweis auf eine gerade auf Kinder/Jugendliche ausgerichtete zahnärztliche Tätigkeit berufsrechtlich zulässig. Sollten jedoch die vom Gericht geforderten Voraussetzungen nicht erfüllt sein, droht eine Beanstandung durch die Kammer. Grundsätzlich ist bei der Wahl der Praxisbezeichnung zu empfehlen, die berufsrechtliche Vereinbarkeit überprüfen zu lassen. Aufgrund der Vielzahl von Urteilen zur Praxisbezeichnung und der regelmäßig sehr konservativen Haltung der Zahnärztekammer zur Benennung von Praxen abweichend von der klassischen Namensnennung der Behandler zeigt, dass hier nicht leichtfertig vorgegangen werden sollte.

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