Recht 01.07.2014

Bundesgerichtshof stärkt Behandlern den Rücken

Bundesgerichtshof stärkt Behandlern den Rücken

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In nahezu jedem Haftungsfall wird neben dem Vorwurf eines Behandlungsfehlers reflexartig auch immer eine ungenügende Aufklärung behauptet. Dieses Vorgehen ist aus Patientensicht verständlich, jedoch ärgerlich für den Zahnarzt. So ist es zwar Aufgabe des Patienten, einen möglichen Behandlungsfehler nachzuweisen, eine ausreichende Aufklärung muss jedoch durch den Zahnarzt nachgewiesen werden.

Ein solcher Nachweis kann problematisch werden, da die mündliche Aufklärung regelmäßig ein Vieraugengespräch sein dürfte. Sollte der Patient im Nachgang den Umfang und Inhalt der Aufklärung bestreiten, bleibt dem Zahnarzt nur die eigene Dokumentation, um die Aufklärung nachzuweisen. Aufgrund dieser Problematik sind nach Auffassung der Rechtsprechung für den erforderlichen Nachweis einer ordnungsgemäßen Aufklärung im Rahmen einer gerichtlichen Auseinandersetzung keine unbilligen Anforderungen zu stellen. Insbesondere die ständige Übung und Handhabung der Aufklärung von Patienten stellt ein wichtiges Indiz für eine erfolgte Aufklärung des Patienten dar. Nach Ansicht der Rechtsprechung genügt daher, dass es dem Behandler gelingt, „einigen“ Beweis für ein gewissenhaftes Aufklärungsgespräch zu erbringen. Gelingt ihm dies, dann sollte dem Behandler im Zweifelsfall geglaubt werden, dass das Aufklärungsgespräch im konkreten Fall erfolgt sei.

Trotz dieser gefestigten Rechtsprechung kann der Nachweis des notwendigen Inhalts im Einzelfall ganz erhebliche Probleme bereiten. Mit Urteil vom 28.01.2014 (Az: VI ZR 143/13) hat der BGH Ärzten den Nachweis des Inhaltes der Aufklärung weiter erleichtert. In dem Leitsatz des Urteils heißt es hierzu: „Das Gericht darf seine Überzeugungsbildung […] auf die Angaben des Arztes über eine erfolgte Risikoaufklärung stützen, wenn seine Darstellung in sich schlüssig und ‚einiger’ Beweis für ein Aufklärungsgespräch erbracht ist. Dies gilt auch dann, wenn der Arzt erklärt, ihm sei das strittige Aufklärungsgespräch nicht im Gedächtnis geblieben.“

Das unterzeichnete Einwilligungsformular ist – sowohl in positiver als auch in negativer Hinsicht – ein Indiz für den Inhalt des Aufklärungsgesprächs.

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Dem Kläger war in einer Klinik eine klappentragende Prothese der Aorta ascendens eingesetzt worden. Die Operation sollte unter Aufrechterhaltung des Blutkreislaufs mithilfe einer Herz-Lungen-Maschine erfolgen. Während des Eingriffs dehnte sich ein Aneurysma derart aus, dass die Herz-Lungen-Maschine abgeschaltet werden musste und die Operation mit tiefhypothermem Kreislaufstillstand fortgeführt wurde. Nach der Operation klagte der Patient unter einer Nervenstörung mit Gangunsicherheit, Schwindel sowie Störungen der Augenmotorik und der Sprache. Nachbehandlungen blieben erfolglos. Der Patient meint, wegen unzureichender Aufklärung müssten Arzt und Klinik hierfür haften. Der schriftliche Aufklärungsbogen habe nur Informationen zur Operation bei laufender Herz-Lungen-Maschine gegeben. Dass es notwendig werden kann, die Maschine abzuschalten, sei auch im Gespräch nicht Thema gewesen. Dem widersprachen die Ärzte. An das konkrete Gespräch könnten sie sich zwar nicht im Einzelnen erinnern. Diese Situation sei aber routinemäßig immer Bestandteil ihrer Aufklärungsgespräche.

Der BGH sah dies als ausreichend an. Die Richter legten fest, dass „auch wenn man in der stationären Behandlung eine Dokumentation der Tatsache eines Aufklärungsgesprächs und des wesentlichen Inhalts erwarten kann“, an das Fehlen einer Dokumentation keine allzu weitgehende Beweisskepsis geknüpft werden darf. Aus medizinischer Sicht sei – anders als bei Behandlungsmaßnahmen – eine Dokumentation der Aufklärung regelmäßig nicht erforderlich.

Des Weiteren sei es für den Nachweis einer ordnungsgemäßen Aufklärung nicht erforderlich, dass sich der Arzt an das konkrete Aufklärungsgespräch (Ort, Umstände, genauer Inhalt) erinnert. Angesichts der Vielzahl von Informations- und Aufklärungsgesprächen, die Ärzte täglich führen, könne dies nicht erwartet werden. Da an den vom Arzt zu führenden Nachweis der ordnungsgemäßen Aufklärung keine unbilligen oder übertriebenen Anforderungen zu stellen seien, dürfe das Gericht seine Überzeugungsbildung gemäß §286 ZPO auf die Angaben des Arztes über eine erfolgte Risikoaufklärung stützen, wenn seine Darstellung in sich schlüssig und „einiger“ Beweis für ein Aufklärungsgespräch erbracht ist.

Dies gilt selbst dann, wenn der Arzt erklärt, ihm sei das strittige Aufklärungsgespräch nicht im Gedächtnis geblieben. Einen wesentlichen Anhaltspunkt für die Tatsache, dass ein Aufklärungsgespräch stattgefunden habe, sei dabei durch das von dem Arzt und dem Patienten unterzeichnete Formular indiziert, mit dem der Patient sein Einverständnis zu dem ärztlichen Eingriff gegeben hat. „Ist einiger Beweis für ein gewissenhaftes Aufklärungsgespräch erbracht, sollte dem Arzt im Zweifel geglaubt werden, dass die Aufklärung auch im Einzelfall in der gebotenen Weise geschehen ist“, heißt es daher in dem Urteil. Zwar seien schriftliche Aufzeichnungen über die Inhalte des Aufklärungsgesprächs „nützlich und dringend zu empfehlen“. Ihr Fehlen dürfe aber nicht dazu führen, dass Ärzte keine Beweismöglichkeit mehr haben. Selbst wenn ein Arzt keine Formulare benutzt, müsse er „eine faire und reale Chance haben“, den notwendigen Beweis zu führen. Gleiches gelte für Aufklärungsinhalte, die über den schriftlich dokumentierten Teil hinausgehen, betonten die Karlsruher Richter.

Auch wenn das Urteil hier erhebliche Beweiserleichterungen sowohl für Zahnärzte als auch Ärzte darstelle, sollte in der Praxis auf eine gut dokumentierte und schriftlich nachweisbare Aufklärung nicht verzichtet werden. Denn Folge einer unzureichenden Aufklärung ist, dass der Zahnarzt für die aus der Behandlung resultierenden Schäden zivilrechtlich haftet, ohne dass ihm tatsächlich ein Behandlungsfehler unterlaufen sein muss. Weiterhin entstehen auch strafrechtliche Risiken, da der Patient aufgrund der mangelhaften Aufklärung nicht rechtswirksam in den Eingriff einwilligen konnte und damit eine nicht gerechtfertigte Körperverletzung vorliegt. Das BGH-Urteil gewährt zwar einen Vertrauensvorschuss, sollte jedoch keinesfalls dazu animieren, die Aufklärungspflichten zu vernachlässigen, da die Folgen einer mangelhaften Aufklärung existenzbedrohende Ausmaße haben kann.

Fazit

Nach wie vor ist es Aufgabe des Zahnarztes, den Inhalt eines Aufklärungsgespräches zu beweisen. Für einen Nachweis ist zumindest „einiger“ Beweis erforderlich, dass eine Aufklärung stattgefunden hat. Idealerweise sollte sich daher die Aufklärung in der Dokumentation wiederfinden, um nicht bereits wegen eines behaupteten Aufklärungsfehlers zu Schadensersatz und/oder Schmerzensgeld verurteilt zu werden. Vor und nach Einführung des BGH-Urteils gilt, dass es sich bei Haftungsfällen um eine komplexe Materie handelt, die eine frühzeitige umfassende Beratung und kompetente Vertretung notwendig macht. Gerade im Frühstadium eines Haftungsfalls gilt es für den Leistungserbringer Fehler zu vermeiden, die unter Umständen eine Kostentragungspflicht auslösen können.

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