Recht 06.10.2010
Der werbende Zahnarzt
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Erlaubte Informationen und berufswidrige Werbung
In unserem Dienstleistungszeitalter möchte sich natürlich auch der Arzt seinen (potenziellen) Patienten präsentieren und diesen informieren. Dabei ist es dem Arzt grundsätzlich erlaubt zu werben. In welcher Art und Weise Ärzte werben dürfen, ist zum einen standesrechtlich in den Berufsordnungen geregelt und zum anderen im Heilmittelwerbegesetz und im Gesetz über den unlauteren Wettbewerb. In diesem Beitrag werden dabei die Möglichkeiten und Grenzen im Rahmen der Berufsordnung näher vorgestellt.
Die Musterberufsordnung der deutschen Ärzte bzw. der deutschen Zahnärztekammer sieht vor, dass (Zahn-)Ärzte mit sachlich berufsbezogenen Informationen werben dürfen. Dabei können sie grundsätzlich alle Werbemedien nutzen, beispielsweise Praxisschilder, Briefbögen, Rezeptvordrucke, Internetpräsentationen, Anzeigen, Rundfunk und Fernsehen. Untersagt wird ihnen jedoch die berufswidrige Werbung. Von einer solchen gehen die Berufsordnungen ins-besondere bei anpreisender, irreführender oder vergleichender Werbung aus. Ob der Arzt noch mit sachlich berufs-bezogenen Informationen wirbt oder bereits die Schranke der berufswidrigen Werbung überschritten hat, ist anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Dabei stehen sich als Beurteilungskriterien zum einen das Interesse des Patienten an sachgerech-ter Information und zum anderen die Vermeidung des Eindrucks der Kommerzialisierung des Arztberufs gegenüber. Durch das Verbot berufswidriger Werbung soll bei den Patienten der Eindruck verhindert werden, dass der Arzt aus Gewinnstreben bestimmte Untersuchungen vorsieht, Behandlungen vornimmt und bestimmte Medikamente verordnet. Der Arzt soll sich bei der Behandlung allein an medizinischen Notwendigkeiten orientieren. Durch Werbung darf demnach gerade nicht der Eindruck erweckt werden, dass sich der Arzt bei der Behandlung von kommerziellen Interessen leiten lässt.
Wann liegt eine solche berufswidrige Werbung vor?
Die Musterberufsordnung nennt beispielhaft drei Werbearten, die als berufswidrig angesehen werden: Die Anpreisung, die vergleichende Werbung und die Irreführung.
Anpreisung
Dabei stellt die Anpreisung eine gesteigerte Form der Werbung dar, bei der oftmals reißerisch übertrieben oder mit marktschreierischen Mitteln geworben wird. Als Anpreisung wurde beispielsweise die Werbung einer Klinik mit „engagierter Betreuung in familiä-rer Atmosphäre rund um die Uhr“ gesehen. Begründet wurde dies damit, dass der Aussage kein echter Informationsgehalt innewohnt, da eine sachgerechte Pflege und Betreuung für die Dauer des Aufenthalts unverzichtbare Voraussetzung für einen stationären Aufenthalt sei. Die Werbung betonte „Selbstverständlichkeiten“, d.h. Eigenschaften von Leistungen, die gesetzlich vorgesehen sind bzw. notwendigerweise zur Leistung dazugehören.
Vergleichende Werbung
Auch die vergleichende Werbung ist berufsrechtswidrig. Bei einer vergleichenden Werbung wird auf die persönlichen Eigenschaften und Verhältnisse eines anderen Kollegen, auf eine andere Arztpraxis oder die Behandlung durch andere Ärzte Bezug genommen. Offensichtlich ist dies bei Werbungen wie „Die Ärzte unserer Praxis weisen mehr Kenntnisse auf dem Gebiet der Chirur-gie auf als die Ärzte der Praxis X.“ oder „Wir bieten Ihnen den gleichen Standard wie die renommierte Praxis Y.“. Aber auch Werbungen wie „Bei uns geht’s auch ohne Operationen“ sind berufswidrig, da der werbende Arzt suggeriert, dass er über besondere Fähigkeiten verfügt, die eine Behandlung ohne Operationen ermöglicht.
Irreführung
Der in der Praxis vermutlich häufigste Verstoß dürfte die Irreführung sein. Eine Irreführung liegt vor, wenn die Werbung Angaben enthält, die geeignet sind bei den Patienten eine Fehlvorstellung über die Person des Arztes, über die Praxis und über die Behandlung hervorzurufen. Eine solche Fehlvorstellung kann beispielsweise durch mehrdeutige Äußerungen, unvollständige oder unklare Angaben oder verschwiegene Tatsachen hervorgerufen werden. Ob eine irreführende Werbung vorliegt, ist aus Sicht des angesprochenen Verkehrskreises und aus der Sicht eines durchschnittlich informierten und verständigen Verbrauchers zu beurteilen. Dies bedeutet, dass ermittelt werden muss, an welchen Kreis sich die Werbung richtet, z.B. Bewohner einer bestimmten Region oder eine bestimmte Patientenklientel. Im Folgenden ist aus Sicht ei-nes verständigen und durchschnittlich informierten Verbrauchers dieses Krei-ses zu beurteilen, ob durch die Angaben der Werbung bei ihm eine Fehlvorstellung hervorgerufen werden kann. Dies muss für jeden Fall einzeln bestimmt werden.
Wie schnell ein Arzt irreführend wirbt, zeigt folgender Fall: Mehrere Zahn-ärzte betrieben eine Praxisgemeinschaft, wobei drei der Zahnärzte in einer Gemeinschaftspraxis organisiert waren und die anderen Einzelpraxen betrieben. Die Praxisgemeinschaft warb u.a. unter der Firma „Zahnklinik …“ in den Gelben Seiten und auf einem überdimensional großen Schild im Eingangsbereich der Praxis. Die zuständige Zahnärztekammer sprach gegenüber jedem der Zahnärzte eine berufsrechtliche Rüge wegen Verletzung der den Zahnärzten obliegenden Berufspflichten aus. Die Zahnärzte beantragten daraufhin die Eröffnung eines berufsgerichtlichen Verfahrens vor dem Berufs-gericht für Heilberufe, bei dem sie jedoch unterlagen. Auch die Beschwerde gegen diese Entscheidung blieb erfolglos. Das Gericht nahm ebenso wie die Vorinstanz an, dass die Zahnärzte gegen ihre Berufspflichten verstoßen haben, da sie irreführend geworben hatten. Interessant ist dabei, dass die Musterberufsordnung für Zahnärzte (MBO-ZÄ) – im Gegensatz zur Musterberufsordnung für Ärzte - explizit regelt, dass Einzelpraxen und Berufsausübungsgemeinschaften bestimmte Bezeichnungen wie Poliklinik, Zentrum oder Akademie nicht benutzen dürfen. Die Benutzung des Begriffs „Klinik“ wurde jedoch nicht durch die MBO-ZÄ verboten, sodass das Gericht zu prüfen hatte, ob durch die Verwendung des Begriffs „Zahnklinik“ berufswidrig geworben wurde. Somit war Ausgangspunkt der Entscheidung, was die angesprochenen Patienten un-ter dem Begriff einer „Zahnklinik“ verstehen.
Die Patienten verstehen unter einer Klinik ein großes auf die Behandlung bestimmter Krankheiten spezialisiertes Krankenhaus, in diesem Fall die Spezialisierung im Bereich der Zahnbehandlung. Das Gericht hat aber auch erkannt, dass der Begriff der Klinik einen Wandel erfahren hat. Die Patienten erwarten nicht mehr eine räumliche und organisatorische Ausstattung, wie sie in einem Krankenhaus vorkommt. Bei der Bestimmung der Auffassung der Patienten ist somit immer zu ermitteln, wie die Begrifflichkeit momentan verstanden wird. Nachdem das Gericht bestimmt hat, was unter dem Begriff der Zahnklinik zu verstehen ist, überprüft es nunmehr, ob die Praxisgemeinschaft in tatsächlicher Hinsicht einer Klinik entspricht. Dies hat das Gericht verneint. Das Hauptargument war darin begründet, dass die Praxisgemeinschaft über keine mit Betten ausgestatteten Krankenzimmer verfügte, sondern lediglich über „preisgünstige klinikeigene Appartements“. Zweck dieser Appartements war, dass die Patienten eine preisgünstige Übernachtungsmöglichkeit erhalten sollten; eine stationäre Betreuung war hingegen nicht bezweckt. Die räumlichen Voraussetzungen für eine Klinik waren demnach nicht gegeben. Des Weiteren begründete das Gericht den Verstoß mit dem angebotenen Leistungsspektrum der Zahnärzte: die Leistungen seien fast ausschließlich ambulante Leistungen. Das Gericht stützte den Verstoß gegen Berufspflichten noch auf einen zweiten Gesichtspunkt, nämlich die Irreführung über die Art der Zusammenarbeit der Zahnärzte. Bei der Firmierung als Klinik erwarte der Patient eine Organisationsform, die der einer Gemeinschaftspraxis entspricht. Dies bedeutet, dass der Patient den Behandlungsvertrag dann mit der Gemeinschaftspraxis schließt. Tatsächlich bestand die Praxisgemeinschaft aus dem Zusammenschluss einer Gemeinschaftspraxis und Einzelpraxen, sodass der Patient den Behandlungsvertrag nicht mit der Praxisgemeinschaft, sondern entweder mit der Gemeinschaftspraxis oder mit dem jeweiligen Inhaber der Einzelpraxis schließt. Der Patient wird dadurch über die Person seines Vertragspartners getäuscht.
Fazit
Der Fall zeigt, dass der werbende Arzt vorher genau prüfen sollte, ob die geplante Werbung noch eine sachlich richtige Information darstellt oder ob er bereits die Grenze zur berufswidrigen Werbung überschritten hat. Diese Bewertung ist immer anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu prüfen, sodass keine pauschalierten Aussagen getroffen werden können, wann eine Werbung erlaubt ist.
Daher sollte zumindest im Vorfeld einer Werbemaßnahme regelmäßig anwaltliche Hilfe in Anspruch genommen werden, um eine berufsgerichtliche Maßnahme bzw. ein gerichtliches Verfahren zu vermeiden.
Autoren: RA Dr. Ralf Großbölting, RA Dennis Hampe LL.M., Katharina Schneider