Recht 03.08.2011
Fehlerhafte Abrechnung bei GKV-Patienten
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Instruktiv ist eine Entscheidung des Amtsgericht München (AG) aus dem Jahr 2010 (163 C 34297/09), die eine fehlerhafte Privatabrechnung mit einem Kassenpatienten zum Gegenstand hat. Interessant ist die Entscheidung auch deshalb, da sie zeigt, welche Möglichkeiten private Krankenversicherungen haben, um bereits vom Patienten gezahltes Honorar zurückzufordern.
Gegenstand der Privatvereinbarung
Nach § 18 Abs. 8 Nr. 2 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) darf ein Vertragsarzt von einem Versicherten eine Vergütung nur fordern, wenn und soweit der Versicherte vor Beginn der Behandlung ausdrücklich verlangt, auf eigene Kosten behandelt zu werden und dieses dem Vertragsarzt schriftlich bestätigt. Diese Regelung findet sich auch im BMV-Ä Ersatzkassen (BMV-Ä/EKV) in § 21 Abs. 8 Nr. 2 BMV-Ä/EKV. Diese vorgeschriebene schriftliche Bestätigung ist Voraussetzung, dass ein privater Vergütungsanspruch des Vertragsarztes entsteht.
In dem vom AG München zu beurteilenden Fall schloss eine niedergelassene Fachärztin für Chirurgie mit einem Kassenpatienten folgende Vereinbarung:
„Für die OP-Planung (...) erfolgt die Abrechnung gemäß GOÄ je nach Leistung zwischen dem einfachen und 3,5-fachen Steigerungssatz (...). Nach im Einzelfall persönlicher Erläuterung werden für die operativen Leistungen gemäß § 2 GOÄ folgende von den Bestimmungen des § 5 GOÄ abweichende Gebührenregelung vereinbart. Die Begründung für den Steigerungsfaktor ergibt sich aus der speziellen operativen Leistung, die im OP-Bericht ausführlich erläutert wird (...). Es wird darauf hingewiesen, dass eine Erstattung der Vergütung durch Erstattungsstellen möglicherweise nicht / nicht in vollem Umfang gewährleistet ist."
Die Entscheidung:
Nach Auffassung des AG München genügte diese Honorarvereinbarung nicht den Kriterien für eine wirksame Vergütungsvereinbarung nach § 18 Abs. 8 BMV-Ä und § 21 Abs. 8 BMV-Ä/EKV. Die Vereinbarung genüge zwar dem Schriftformerfordernis, aber nicht den inhaltlichen Anforderungen der vorgenannten Bestimmungen. Der ausdrückliche Wunsch des Versicherten auf eigene Kosten privatärztlich behandelt zu werden, werde durch die verwendete Honorarvereinbarung nicht dokumentiert. Zwar besage die Vereinbarung, dass eine Abrechnung der ärztlichen Leistungen gemäß GOÄ erfolgen solle, wobei der Versicherte darauf hingewiesen werde, dass eine Erstattung der Vergütung durch Erstattungsstellen möglicherweise nicht (im vollen Umfang) gewährleistet sei. Es gehe jedoch aus der Honorarvereinbarung nicht ausreichend klar hervor, dass der Versicherte trotz des bestehenden Versicherungsschutzes im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung ausdrücklich eine privatärztliche Behandlung wünsche. Gegenstand der verwendeten Honorarvereinbarung sei im Wesentlichen die Vereinbarung einer von den Bestimmungen des § 5 GOÄ abweichenden Gebührenregelung gemäß § 2 GOÄ, womit es sich demnach um eine Honorarvereinbarung im Sinne von § 2 GOÄ handele. Als solche genüge sie jedoch aufgrund des unterschiedlichen Regelungszweckes nicht gleichzeitig den Anforderungen der §§ 18 Abs. 8 BMV-Ä und 21 Abs. 8 BMV-Ä/EKV. Während bei einer Vereinbarung nach § 2 Abs. 2 GOÄ dem Zahlungspflichtigen vor Augen geführt werden solle, dass für die ärztlichen Leistungen eine von den üblichen Gebühren der GOÄ abweichende Gebührenhöhe in Rechnung gestellt werden wird, würden die Regelungen in den Bundesmantelverträgen bezwecken, dem Versicherten Klarheit darüber zu verschaffen, dass er die Kosten für eine privatärztliche Behandlung selbst zu tragen hat.
Die Konsequenzen
Der Chirurgin kam die Verwendung der vom AG München für unzulänglich erachteten Honorarvereinbarung teuer zu stehen. Der Patient hatte zwar die Rechnung für die durchgeführte Operation in Höhe von 1.323,68 Euro bezahlt. Eine private Zusatzversicherung des Patienten, die die Rechnung eigentlich zu 100 % erstatten sollte, sah aber keine Leistungspflicht und ließ sich mit Erklärung vom 31.08.2008 ihre etwaigen Rückforderungsansprüche von dem Patienten gegen die Ärztin abtreten. In seiner Entscheidung billigte das AG München der privaten Zusatzversicherung einen Anspruch auf Rückzahlung der von der Patientin an die Ärztin gezahlten 1.323,68 Euro wegen der unzureichenden Vergütungsvereinbarung zu.
Bewertung:
Die Entscheidung des AG München überrascht rechtlich nicht, zeigt aber, dass Ärzte und Zahnärzte bei Vergütungsvereinbarungen sehr darauf achten müssen, dass sie korrekt ausgestaltet sind. Fehler in diesem Bereich können, wie in dem vorliegenden Fall, teuer zu stehen kommen. Der Fall zeigt auch, dass Versicherungsunternehmen, die von Ärzten und Zahnärzten abgeschlossenen Vergütungsvereinbarungen sehr genau „unter die Lupe" nehmen. Vorliegend ließ sich die Versicherung ihren Rückzahlungsanspruch noch im Rahmen des § 67 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) alter Fassung abtreten. Zu beachten ist, dass mit der Reform des VVG zum 01.01.2009 Versicherungen es deutlich leichter haben, Rückzahlungsansprüche gegenüber Ärzten und Zahnärzten geltend zu machen. Mit § 194 Abs. 3 VVG wurde ein gesetzlicher Forderungsübergang von Rückzahlungsansprüchen eines Patienten gegenüber einem Arzt oder Zahnarzt an die Versicherung eingeführt. Folge ist, dass die Versicherung sich bei potenziellen Rückzahlungsansprüchen eines Versicherten diese Ansprüche nicht mehr abtreten lassen muss. Vielmehr kann sie diese Rückzahlungsansprüche unmittelbar geltend machen.
Quelle: http://www.heilberuferecht.eu/