Recht 10.03.2025
Juristisches Problem durch fehlenden Befund? So lässt es sich verhindern
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Immer häufiger kommt es im Rahmen der digitalen Volumentomografie (DVT) zu Befunderhebungsfehlern. Worum es sich dabei genau handelt, erläutert Dr. Dirk Schulze im nachfolgenden Beitrag, dessen zweiter Teil in der ZWP 12/24 erscheinen wird.
Ein Patient stellt sich bei Ihnen vor und berichtet, dass er mit seinem bisherigen Zahnarzt nicht zufrieden sei und jetzt gern zu Ihnen wechseln möchte, weil Sie ihm empfohlen wurden. So weit, so gut. Im Rahmen der Erstuntersuchung stellt sich heraus, dass vom Vorbehandler vor Kurzem eine DVT-Untersuchung angefertigt wurde, der Patient hat den Datenträger – eine CD-ROM – bei sich und, wo Sie denn schon einmal dabei sind, würde Ihr neuer Patient gern von Ihnen wissen, was denn in der Untersuchung alles zu sehen sei. „Ja, gibt es denn keinen Befund oder irgendeine Auswertung?“, entfährt es Ihnen, woraufhin der Patient mit dem Kopf schüttelt. Ein letzter Versuch: „Wirklich gar nichts?“ – wieder ein Kopfschütteln kombiniert mit einer Miene des Bedauerns.
Dokumentationspflicht nicht erfüllt
Ja, diese Situation kennen Sie auch. Und ich will mich gar nicht erst damit aufhalten, dieses Problem zu beschönigen. Egal, ob Sie besonders computeraffin sind oder nicht, es verbrennt Ihre Arbeitszeit und wenn Sie es denn vermocht haben, den Datensatz zu öffnen und sich irgendwie durch ein für Sie unbekanntes Betrachtungsprogramm zu hangeln und dann dem Patienten auch noch zielsicher sagen können, „was denn so los ist“, dann freut sich am Ende erst einmal nur der, der diesen Datensatz hat erstellen lassen(!) und seiner Dokumentationspflicht nicht nachgekommen ist. Gleichwohl ist die Leistung bereits liquidiert worden, schließlich wurde ja eine DVT-Untersuchung erstellt. Das Problem sollte damit klar umschrieben sein.
Abrechnungsziffer GOÄ 5370
Woran liegt es denn nun, dass in vielen Fällen gar keine Befunde erstellt werden? Die Zahl lässt sich nur schwer schätzen, aber mehr als die Hälfte aller DVT-Untersuchungen dürfte wohl ohne dokumentierten Befund erhoben worden sein. Die Gründe dafür können an einer Hand abgezählt werden: Zeitmangel, fehlendes Know-how und unter Umständen auch einfach nur Faulheit. Die rechtliche Seite dieses Sachverhalts lässt keinen Interpretationsspielraum zu, denn nach § 85 StrlSchG hat der Strahlenschutzverantwortliche dafür zu sorgen, „dass über die Anwendung ionisierender Strahlung ... am Menschen unverzüglich Aufzeichnungen angefertigt werden.“ Und dazu zählt „der erhobene Befund einer Untersuchung“. Dieser ist gemäß den allgemeinen Bestimmungen der für die Liquidation herangezogenen Abrechnungsziffer (GOÄ 5370) „Bestandteil der Leistungen und nicht gesondert berechnungsfähig.“
Befunderhebungsfehler
Diese Aspekte werden jedoch auch vielen Betreibern bekannt sein, sodass davon auszugehen ist, dass eine juristische Betrachtung dieses Problemfeldes noch nicht erfolgt ist. Belassen wir es dabei, die Vorgaben sind eindeutig. Aus meiner Sicht sticht aber eine Komponente zunehmend hervor, da die Zahl der nicht oder unvollständig dokumentierten DVT-Untersuchungen immer weiter zunimmt. Dieser Punkt wird als Befunderhebungsfehler bezeichnet.
Ein Befunderhebungsfehler liegt immer dann vor, wenn die medizinisch gebotenen Befunde nicht erhoben werden. Oder, um es mit den Worten eines Anwalts auszudrücken: „Was nicht dokumentiert ist, hat nicht stattgefunden.“
Die technische Dokumentation der Erfassung eines DVT-Datensatzes erfolgt automatisch, daher wird bei der Lektüre einer Patientenakte ein Jurist dann auch automatisch nach einer rechtfertigenden Indikation und einem Befund suchen. Dies wird bei fehlender Dokumentation zur Feststellung eines Befunderhebungsfehlers führen. Fachanwälte für Medizinrecht lieben Befunderhebungsfehler, da dies bei Arzthaftungsprozessen zu einer Beweislastumkehr zu Ungunsten des Arztes führen kann. Unter dem Eindruck dieser Ableitungen sollte man sich die quantitative Komponente dieses Problems vor Augen führen. In Deutschland werden derzeit etwa 7.500 DVT-Systeme in der zahnärztlichen Niederlassung betrieben. Mit diesen Geräten werden kumuliert vermutlich 750.000 bis 1.000.000 Untersuchungen akquiriert (im Durchschnitt circa 100 Aufnahmen pro Gerät und Jahr). Selbst unter der vorsichtigen Schätzung, dass mindestens 50 Prozent dieser Untersuchungen keinen substanziellen Befund aufweisen, ergibt sich eine enorme Zahl an möglichen Befunderhebungsfehlern.
Dieser Artikel ist in der ZWP Zahnarzt Wirtschaft Praxis erschienen.