Recht 14.12.2012

Patientenrechtegesetz: Präventiv gegen Zahnarzthaftung



Patientenrechtegesetz: Präventiv gegen Zahnarzthaftung

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Kürzlich wurde das Patientenrechtegesetz verabschiedet. Vorab sollen einige juristische Tipps von Rechtsanwalt Tim Oehler aus Osnabrück für solche Fehler aufgezeigt werden, die nicht sein müssen und andere, die nicht sein dürfen.

I. Auch ein Erfolg geschuldet sein (§ 630a BGB)

Die neue Regelung § 630a BGB suggeriert die ausschließliche Anwendung von Dienstvertragsrecht. Daneben ist es aber möglich, dass zwischen Patient und Zahnarzt der Eintritt eines Erfolges und damit ein Werkvertrag vereinbart wird. In diesem Falle würde den Zahnarzt das volle Gewährleistungsrecht der werkvertraglichen Vorschriften treffen. Wenn der Zahnarzt nicht für einen Erfolg einstehen will, sollte er sich im Patientengespräch und in seinen Flyern vor Begriffen wie z.B. "Garantie" hüten.

II. Keine Änderung der Vergütungsabrechnung gegenüber gesetzlich versicherten Patienten

Die Vergütungsregelung in § 630a BGB ist undifferenziert, als dass sie nicht zwischen gesetzlich und privat versicherten Patienten unterscheidet. Man ist sich jedoch darüber einig, dass auch weiterhin das Vergütungsband des gesetzlich versicherten Patienten abgetrennt ist. Daher kann der gesetzlich Versicherte auch in Zukunft grundsätzlich nicht mit einer Rechnung nach Hause geschickt werden (Ausnahme: z.B. gesetzlich versicherter Patient hat die Kostenerstattung oder eine Leistung, die die gesetzliche Krankenversicherung nicht trägt, gewählt).

III. Vorsicht bei Änderungen des Sorgfaltsmaßstabs (§ 630a BGB)

Eine der am meisten diskutierten neuen Regelungen besteht darin, dass zwischen Patient und Behandler vereinbart werden kann, dass ein abweichender Standard der Behandlung praktiziert wird. Dies darf wegen der Regelung des § 309 Nr. 7a BGB nicht formularmäßig erfolgen. Eine derartige formularmäßige Klausel wäre unwirksam. Auch wird es als AGB-Regelung gewertet, wenn ein Zahnarzt eine Regelung zur Sorgfaltsmaßstabsänderung auswendig lernt und gegenüber jedem Patienten handschriftlich in ein Formular einträgt.

IV. Achtung bei der Delegation (§ 630b BGB)

Durch den Verweis in § 630b BGB auf § 613 BGB wird auf den Grundsatz Bezug genommen, dass eine medizinische Behandlung persönlich zu erbringen ist. Persönlich heißt höchstpersönlich. Zwar kann etwas anderes vereinbart werden, aber zum einen muss die medizinische Behandlungsmaßnahme delegationsfähig sein und zum anderen muss der Patient zugestimmt haben.

V. Compliance und Informationspflichten; Selbstbelastung (§ 630c BGB)

Die in § 630c BGB vorgesehene Mitwirkungspflicht des Patienten bedeutet für den Zahnarzt nicht, dass er bei fehlender Mitwirkung den Patienten in Regress nehmen kann. Bedeutsam ist diese Regelung aber für Zahnarzthaftungsprozesse. Daher sollte eine fehlende Mitwirkung stets dokumentiert werden.

Der Begriff "Informationspflicht" wurde neu eingeführt. Dahinter verbirgt sich die bisherige Rechtsprechung und Literatur zum Thema "therapeutische Aufklärung" bzw. "Sicherungsaufklärung".

Als persönlichen Angriff versteht manch Mediziner die Verpflichtung unter bestimmten Umständen eine "Selbstbelastung" vornehmen zu müssen. Bei der Offenbarung von Behandlungsfehlern muss indes darauf hingewiesen werden, dass das gesetzlich normierte Verwertungsverbot nur für einen Strafprozess, nicht für einen Zivilprozess Geltung beansprucht.

Hervorzuheben ist im Hinblick auf die vorgesehene wirtschaftliche Informationspflicht, dass im Regelfall davon ausgegangen wird, dass der Zahnarzt über die Abrechnungsmodalitäten besser informiert ist als der Patient. Aus diesem Grunde wird prinzipiell eine wirtschaftliche Informationspflicht durch den Behandler zu erfolgen haben.

Höchste Vorsicht ist geboten, wenn es um die Anwendung von § 630c Abs. 4 BGB auf die wirtschaftliche Informationspflicht in Abs. 2 geht. Die Verfasser des Gesetzes sehen diese Anwendung als Ausnahmefall. Demgemäß restriktiv sollte ein Zahnarzt die Anwendung dieser Vorschrift im Praxisalltag praktizieren.

VI. Einwilligung (§ 630d BGB)

Für Volljährige geht der Gesetzgeber davon aus, dass diese einwilligungsfähig sind. Da dies bei Minderjährigen vom Einzelfall abhängig ist, sollte ein Zahnarzt stets die Einwilligung von beiden Elternteilen einholen. Eine Ausnahmesituation bildet die unaufschiebbare Maßnahme. Soll dann auf den mutmaßlichen Willen abgestellt werden, ist auf den konkreten Patienten, nicht jedoch auf einen verständigen durchschnittlichen Patienten abzustellen.

VII. Aufklärung (§ 630e BGB)

Grundsätzlich muss die Aufklärung in einem persönlichen Gespräch erfolgen. Der Zahnarzt ist gehalten nur um Ausnahmefall auf Unterlagen und ein fernmündliches Gespräch zurückzugreifen. Es muss betont werden, dass vorrangig der Behandler die Aufklärung vorzunehmen hat. Alternativ kommt auch eine Person mit der notwendigen theoretischen Befähigung in Betracht. Die Aufklärung ist in möglichst einfachen Worten vorzunehmen und nicht in einem medizinischen "Fachchinesisch". Zu beachten ist die in letzter Minute eingeführte Vorschrift § 630e Abs. 5 BGB, wonach zusätzlich prinzipiell einwilligungsunfähige volljährige Patienten oder minderjährige Patienten aufzuklären sind.

VIII. Dokumentation (§ 630f BGB)

Den Verfassern des Patientenrechtegesetzes ist es ein ausdrückliches Anliegen, dass die Revisionssicherheit in der Dokumentation praktiziert wird. Im Focus steht vor allem die elektronische Dokumentation. Für einen Zahnarzt wird es geboten sein, bei den Aufbewahrungsfristen der Dokumentation sämtliche Fristen, und nicht nur die im BGB genannte Frist zu berücksichtigen. Daraus kann sich ergeben, dass die Aufbewahrungsfrist eben doch länger ist als die zivilrechtlich normierte.

IX. Einsichtnahme in die Patientenakte (§ 630g BGB)

Die Einsichtnahme in die Patientenakte kann nach den Autoren des Patientenrechtegesetzes nur in einem Sonderfall abgelehnt werden. Dafür wären therapeutische Gründe notwendig. Sofern ausnahmsweise einmal eine Ablehnung erfolgt, muss der Zahnarzt diese begründen. Für eine Einsichtnahme gilt, dass diese die vollständigen Unterlagen umfassen muss. Dies gilt auch für persönliche Anmerkungen des Behandlers. Gewagte und daher brisante Bemerkungen über einen Patienten sind in der Dokumentation tunlichst zu vermeiden.

XI. Arzthaftungsprozess (§ 630h BGB)

im Hinblick auf Geschehnisse, die sich im Sphärenbereich des Behandlers abspielen, wird vermutet, dass der Behandelnde seine medizinischen Behandlungspflichten verletzt hat. Hygienebereich, Koordination und Organisationen müssen ergo einwandfrei sein. Um sich prozessual nicht einen Nachteil einzufahren, empfiehlt es sich, im Bereich von Aufklärung und Einwilligung mit Formularen zu arbeiten, um den Aufklärungs- und Einwilligungsnachweis führen zu können. Da sich an dieser Stelle auch noch einmal mangelhafte oder unterlassene Aufklärung bzw. Einwilligungseinholung auswirken, muss nochmal nachrücklich hervorgehoben werden, dass es nicht darauf ankommt, was aus Sicht des Behandelnden sinnvoll oder erforderlich gewesen wäre oder wie sich ein "vernünftiger" Patient verhalten hätte. Auch ist es nicht nötig, sich mit der Vermutung des Abs. 3 bei Behandlungen eines Berufsanfängers zu belasten. Dem kann ganz einfach vorgebeugt werden, indem die Behandlungen eines Berufsanfängers (auch bei Routineeingriffen) exakt dokumentiert werden. Ferner muss bei Berufsanfängern genau darauf geachtet werden, dass diese über die erforderliche Befähigung verfügen, weil ansonsten die Vermutung des Abs. 4 zum Zuge kommt.

In Abs. 5 wird nunmehr der grobe Behandlungsfehler normiert. Der Behandler kann sich in einem Zahnarzthaftungsprozess zu Nutze machen, dass der Gesetzgeber ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass Irrtümer und Fehlinterpretationen bei der Stellung einer Diagnose häufig nicht Folge eines vorwerfbaren Versehens sind.

Da der vorliegende Beitrag lediglich als Überblick verstanden werden soll und keinesfalls Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, kann gerne mit dem Autor Rücksprache genommen werden. Der Verfasser des Beitrags, Rechtsanwalt Tim Oehler, hat sich mit dem Patientenrechtegesetz in mehreren Stellungnahmen ausführlich auseinandersetzt.
 

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