Recht 01.12.2020

Praxisabgabe: Der Übergang– „altes Personal, neuer Chef“



Praxisabgabe: Der Übergang– „altes Personal, neuer Chef“

Die Praxisabgabe bzw. Praxisübernahme einer Einzelpraxis ist deutschlandweit nach wie vor die beliebteste Form der Existenzgründung. Im Jahr 2017 entschieden sich 66 Prozent aller Existenzgründer dafür, die Praxis eines anderen zu übernehmen. Bei dieser Form der Existenzgründung müssen verschiedene Herausforderungen berücksichtigt werden.

Während das Finanzierungsvolumen 2017 bei einer Praxisübernahme durchschnittlich bei € 367.000,00 lag, betrug das Finanzierungsvolumen bei einer Neugründung € 504.000,00. Die Vorteile einer Praxisübernahme liegen auf der Hand: Es existiert bereits ein Patientenstamm, der übernommen und fortgeführt werden kann. Gleiches gilt für das Personal, das u. a. die Patienten kennt und mit den Praxisabläufen vertraut ist. Doch was ist, wenn man – aus welchem Grund auch immer – nicht das gesamte Praxispersonal übernehmen möchte?

Achtung: Betriebsübergang

Das Gesetz schreibt in § 613a Abs. 1 BGB vor, dass bei einer Praxisübernahme auch das gesamte vorhandene Praxispersonal, inklusive des sich z. B. in Elternzeit befindlichen Personals, übernommen werden muss, und zwar zu unveränderten Konditionen. Konkret ist geregelt: Geht ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über (Betriebsübernahme), so tritt dieser in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnis ein. Zudem ist eine Kündigung der Mitarbeiter durch den alten oder neuen Chef wegen der Praxisübernahme unwirksam, § 613 Abs. 4 BGB. Für den neuen Praxisinhaber ist es daher von besonderer Bedeutung, die arbeitsrechtliche Situation einer Risikoprüfung zu unterziehen.

Schriftliche Information

Ist die Praxisübernahme beschlossene Sache, müssen die Mitarbeiter entweder durch den bisherigen Arbeitgeber oder durch den neuen Arbeitgeber vor dem Praxisübergang schriftlich hierüber unterrichtet werden, § 613a Abs. 5 BGB. Im Einzelnen muss 1. über den Zeitpunkt oder den geplanten Zeitpunkt des Übergangs, 2. den Grund für den Übergang, 3. die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Praxisübergangs sowie 4. über die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen schriftlich unterrichtet werden. Widerspricht ein Mitarbeiter dem Betriebsübergang binnen eines Monats, hat dies zur Folge, dass das Arbeitsverhältnis mit dem bisherigen Praxisinhaber bestehen bleibt. Der bisherige Praxisinhaber hätte jedoch dann die Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis aus betriebsbedingten Gründen zu kündigen, wenn er nach der Praxisabgabe z. B. aus Altersgründen auch keine zahnärztliche Tätigkeit weiterhin ausführen wird.

Und wenn kein Widerspruch erfolgt? Dann geht das Arbeitsverhältnis 1:1 auf den neuen Praxisinhaber über. In vielen Punkten bleibt also alles beim Alten. Alle Regelungen aus dem Arbeitsvertrag wie z. B. Arbeitszeit, Gehalt, sonstige Gratifikationen und Urlaubstage etc. gelten weiterhin.

Kündigungsmöglichkeiten?

Die Kündigung darf nur nicht aufgrund bzw. wegen der Praxisübernahme erfolgen (§ 613a Abs. 4 BGB). Gerade bei Kündigungen, die zumindest einen zeitlichen Zusammenhang zur Praxisübernahme aufweisen, ist daher im Vorfeld ganz genau darauf zu achten und zu prüfen, ob das Kündigungsverbot nach § 613a Abs. 4 BGB der Wirksamkeit einer Kündigung entgegensteht.

Da einzelne Vertragsbestandteile nicht einseitig vom Arbeitgeber abgeändert werden dürfen – vor allem dann nicht, wenn der Arbeitnehmer dadurch schlechter gestellt wird als vorher –, besteht zum einen die Möglichkeit, sich entweder mit den betroffenen Mitarbeitern entsprechend zusammenzusetzen und einen neuen Arbeitsvertrag auszuhandeln (Änderungsvertrag) oder zum anderen eine Änderungskündigung auszusprechen. Hierbei handelt es sich um die Kündigung des bisherigen Arbeitsvertrages verbunden mit dem Angebot eines neuen Arbeitsvertrages, um das Arbeitsverhältnis zu neuen bzw. geänderten Bedingungen fortzusetzen. Welches Vorgehen sinnvoll und wirksam ist, ist im Einzelfall zu prüfen.

Praxistipp

Der Betriebsübergang ist somit sowohl für den Praxisabgeber als auch den Praxisübernehmer relevant. Gerade dem Arbeitsrecht wird in Kaufvertragsverhandlungen nicht immer die notwendige Beachtung geschenkt, was Praxisabgebern teuer zu stehen kommen kann. Denn sorgfältig ausgearbeitete Arbeitsverträge können den Praxiswert steigern, während optimierungsbedürftige Verträge den Praxiswert deutlich senken können, da der Praxisübernehmer ab der Praxisübergabe das finanzielle Risiko trägt. Insofern sollte jeder Praxisabgeber seine Arbeitsverträge vor der Praxisübergabe prüfen und falls notwendig überarbeiten lassen. Dies sollte rechtzeitig geschehen, denn wenn bereits Übernahmegespräche mit potenziellen Käufern stattfinden, ist es für eine Überarbeitung der Arbeitsverträge regelmäßig zu spät.

Der Beitrag ist in ZWP Zahnarzt Wirtschaft Praxis erschienen.

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