Praxismanagement 04.09.2020

Praxisgründung: Alles anders machen als alle anderen

Zahnarzt Dr. Sandro Strößner hat im Januar 2018 seinen 270 Quadratmeter großen Praxisneubau in Weißenfels eröffnet – auf dem Weg bis zur Eröffnung hat er ganz bewusst alles anders gemacht als alle anderen und damit bewiesen, dass, wenn das Ziel im Kopf wie auf dem Papier klar ist, eigentlich keine Hürde und kein Risiko zu groß erscheinen. Und von beidem gab es, wie uns der junge Zahnarzt versichert, mehr als genug.

Herr Dr. Strößner, Sie haben 2012 Ihr Zahnmedizinstudium in Halle (Saale) beendet, danach folgte die Assistenzzeit in Weißenfels. Ende 2017 haben Sie dann promoviert und Anfang 2018, mit nur dreißig Jahren, Ihre komplett neu gebaute Praxis im Zentrum von Weißenfels eröffnet. Wie haben Sie das alles in dieser relativ kurzen Zeit geschafft?

Ich war schon sehr früh, einschließlich meiner Zeit als Schüler, auf meine Ziele fokussiert, wobei meine Eltern meinen gesunden Ehrgeiz gefördert und mich angespornt haben. Und weil ich später mein eigener Chef, finanziell vollkommen unabhängig und ganz frei in meiner beruflichen Gestaltung sein wollte, mit einem gewissen gesellschaftlichen Standing, bot sich der Beruf des Zahnarztes einfach an. Nachdem ich den Entschluss gefasst hatte, bin ich zielgerichtet die notwendigen Schritte gegangen – habe konzentriert studiert, mich frühzeitig um ein Promotionsthema gekümmert und während meiner Assistenzzeit meine spätere Praxisgründung mit vollem Einsatz vorbereitet.

Dabei komme ich nicht aus einem zahnmedizinischen Elternhaus wie viele meiner Kommilitonen, hatte also weder Vater noch Mutter in dem Beruf und konnte somit auch nicht auf deren Erfahrungen oder Praxisräumlichkeiten zurückgreifen. Ich musste mir jeden Schritt erarbeiten, jede Erfahrung neu machen. Das war teilweise hart, und vieles, was ich in der Assistenzzeit wie in der Vorbereitungsund Bauzeit meiner Praxis erlebt habe, war sehr ernüchternd.

Letztlich aber hatte ich mein Ziel der Selbstständigkeit ganz klar vor Augen, konnte die zum Teil großen Risiken immer wieder relativieren und den Druck auf eine einfache Formel runterbrechen: Ich mache alles anders als alle anderen. Ich war mir immer meine eigene Messlatte, und das hat sehr gut funktioniert. Außerdem hat mir eine Visualisierung in meiner Zielplanung sehr geholfen, die mir mein Unternehmensberater Benjamin Kündiger, der mich seit Studientagen betreut, vorgeschlagen hatte. Auf einem Strahl von null bis zur durchschnittlichen Lebenserwartung (85 Jahre), sollte ich alles eintragen, was ich wann vorhatte. Dabei zeigte sich, dass die aktive Zeit, diese Ziele zu erreichen, gar nicht so groß ist, wie man meinen könnte. Ich wusste also schon frühzeitig, dass Zeit ein Gut ist und ich keine Zeit zu verschwenden hatte. Dieser Zeitstrahl auf Papier war eine effektive Übung für mich.

Wie ging es nach dem Studium unmittelbar bei Ihnen weiter?

Als ich mit dem Studium fertig war, bin ich in Weißenfels auf Stellensuche gegangen. Doch dies gestaltete sich ausgesprochen schwierig. Auf meine Initiativbewerbungen meldete sich anfangs keine Praxis zurück; es gab also keine zu besetzenden Assistenzstellen. Nach einem kurzen Intermezzo in einer Leipziger Einbehandlerpraxis, wechselte ich letztlich in die Zahnarztpraxis von Holger Eichardt in Weißenfels und absolvierte hier meine komplette Assistenzzeit. Das waren ausgesprochen lehrreiche Jahre, in denen ich eine sehr gute Ausbildung genossen habe. Ich konnte sofort Verantwortung für meine Patienten übernehmen – für meine ersten Weisheitszähne brauchte ich zwar mehrere Stunden, aber ich habe es von Beginn an gemacht und geschafft und dadurch Vertrauen in mich und meine Arbeit gefasst.

Dr. Strößner mit seinem Praxisteam. © Strößner

Eine Praxisübernahme bietet vor allem anfängliche Vorteile – man übernimmt einen bestehenden Patientenstamm sowie bisherige Praxismitarbeiter und kann auf etablierte Strukturen zurückgreifen. Haben Sie jemals eine Praxisübernahme erwogen?

Kurzzeitig hatte ich die Möglichkeit in Betracht gezogen, aber schnell verworfen. Damals hatte ich mir ausgewählte Praxen in der Umgebung angeschaut, die als „modern“ deklariert wurden und zur Abgabe standen, und musste ganz schnell feststellen, dass das nicht für mich infrage kam. Denn das Attribut „modern“ wurde hier sehr weit gefasst und entsprach in keinster Weise meinen Vorstellungen von modern und zeitgemäß. Und das, was Sie als Vorteile einer Übernahme beschreiben, sehe ich als Nachteile.

Wie das?

Ich hatte mir während der Assistenzzeit einen Patientenstamm aufgebaut, den ich, so war es vereinbart, in meine spätere eigene Praxis mitnehmen würde. Insofern brauchte ich keine weiteren Patienten. Zudem bin ich überzeugt, dass die Übernahme von bisherigen Mitarbeitern eher zu Konflikten führt als Vorteile bringt. Wie kann ich als junger Chef von 30 Jahren einer langjährigen und in der Regel deutlich älteren Mitarbeiterin eine neue Arbeitsweise abringen, ohne dass Frust und Missverständnisse entstehen? Das geht nicht. Und auch die Übernahme der Behandlungseinheiten ist eher eine Last als ein Gewinn, denn das, was man übernimmt, braucht in der Regel bald Updates, in die man dann zwangsläufig investieren muss.

Deshalb war für mich klar, dass ich eine neu gebaute Praxis wollte, die vollkommen meinen Vorstellungen entspricht. Und das trotzt aller damit einhergehenden Risiken. Aber diese Risiken sind, wenn man mal genau hinschaut, vertretbar. Denn was wäre, wenn es (was sehr unwahrscheinlich in unserem Beruf ist) vor den Baum geht, also das „Worst-Case-Scenario“ eintritt? Man ist insolvent, muss über mehrere Jahre angestellt arbeiten und erreicht dann einen Punkt zum Neustart. Das Leben endet nicht, sondern ändert sich allenfalls. Keiner kommt ins Gefängnis, keiner stirbt, wenn das Projekt aus irgendeinem Grund nicht funktioniert. Diese Einstellung hat mir sehr geholfen, auch mit dem großen Investitionsvolumen umzugehen und einen klaren Kopf zu behalten.

Wie hat sich die Grundstückssuche für Ihren Neubau gestaltet?

Meine Standort- bzw. Grundstückssuche war leider vor allem von einer Erkenntnis geprägt: Dass mir keine Institution, die ich dazu kontaktierte, wirklich helfen wollte. Weder Stadt noch Land. Es hieß immer nur: „Nein, das geht nicht!“ – Es hieß nie: „Wir finden eine Lösung.“ In den Medien wird groß postuliert, dass man die jungen Zahnärzte in den kleineren Orten und im Osten halten möchte, aber meine Erfahrung hat leider das Gegenteil gezeigt. Und viele, die mit einschränkenden Vorschriften gegen meine Anfragen argumentierten, kannten die Vorgaben nicht mal. Das war unglaublich. Dabei entsteht nicht alle Tage ein Neubau in der Größenordnung meiner Praxis in Weißenfels, der die Infrastruktur und das Stadtbild stärkt und zugleich attraktive und sichere Arbeitsstellen bietet. Das schien aber keinen zu interessieren. Ich musste mir in dieser Zeit eine wirklich dicke Haut zulegen und viel Geduld und Durchhaltevermögen entwickeln, um mein Projekt voranzubringen.

Letztlich, nach langer Suche, fand ich das Grundstück, auf dem jetzt meine Praxis steht. Das war damals in einem absoluten Urwald-Zustand und keiner wusste, wem es gehörte. Meine Eltern haben dann den Besitzer, die WVW (Wohnungsverwaltung Weißenfels GmbH) ausfindig gemacht. Wir sprachen dort vor, ich zeigte meine genauestens ausgearbeiteten Pläne, einschließlich meines Praxiskonzeptes, und dann gab man mir die Zusage für mein Vorhaben. Das Grundstück war ideal für mein Projekt, mit 2.000 Quadratmetern Fläche und zentral gelegen, umgeben von weiteren Einrichtungen wie dem Deutschen Roten Kreuz, einer Internistenpraxis, Grundschule, Kindergarten und Feuerwehr. Zudem ist das affluente Wohnviertel Weißenfels-West auch gleich um die Ecke.

Stichwort Finanzierung: Wie sind Sie hier vorgegangen?

Nachdem ich also den Kauf des Grundstücks finalisiert hatte, musste ich eine Baufirma finden. Denn für die Finanzierung über die Bank braucht man neben dem Konzept und der Standortanalyse eine gewisse Kalkulation, also Zahlen, und für diese Zahlen braucht man wiederum eine Planung des Gebäudes durch ein Bauunternehmen bzw. ein Architekturbüro. Für die Erstellung der Planung werden zehn bis 15 Prozent vom Gesamtwert veranschlagt. Ich hatte also zu diesem Zeitpunkt schon Kosten für das Grundstück und die Planung generiert, ohne eine wirkliche Summe auf dem Konto zu haben. Doch die Suche nach einer Baufirma lief ins Leere: Zwar sagten mir die Firmen im Ort anfänglich schnell einen Hausbau zu, als es aber konkret wurde und der an meinen Skizzen orientierte, fertige Entwurf der Räumlichkeiten von der Innenarchitektin vorlag, war Funkstille. Keine Firma meldete sich zurück. Schließlich erfuhr mein Unternehmensberater über Kontakte von einer Firma aus Bautzen, die den Bau dann umsetzte.

Ich arbeitete damals mehr als 40 Stunden in der Praxis am Stuhl, nahm ständig Termine nebenbei wahr und promovierte noch dazu! Das war eine kräftezehrende Phase. Mit der Kalkulation stellte mein Unternehmensberater die notwendigen Unterlagen zusammen und reichte diese bei drei verschiedenen Banken ein, von denen ich allesamt eine Zusage bekam. Als dann das Onlinebanking bei der Bank meiner Wahl freigeschalten wurde und ich plötzlich mit einer riesengroßen Summe hantieren konnte, hatte ich vor meinem eigenen Einsatz doch etwas Ehrfurcht. Mit nur dreißig Jahren überwies ich Summen im sechsstelligen Bereich. Das war keine Kleinigkeit.

Letztlich aber habe ich einen großen Vorteil gegenüber anderen mittelständischen Unternehmen, die mit ähnlichen Summen kalkulieren – während man im freien Handel Kunden von einem Produkt überzeugen muss, ist das bei mir nicht der Fall. Mich sehen die Patienten und wissen sofort, dass sie mich brauchen. Das ist, wenn man es so betrachtet und etwas salopp formuliert, total easy.

Der eigentliche Praxisbau ist ja oftmals eine weitere Herausforderung. Wie war das bei Ihnen?

Ende 2016 hatte ich alle notwendigen Unterlagen eingereicht und dann zog sich der eigentliche Bau nochmal in die Länge, da ich mich ständig wegen Details in Ämtern rückversichern musste. Vieles davon war absurd. Zum Beispiel rief mich das Gesundheitsamt an und fragte: „Herr Strößner, was ist eigentlich ein OP-Eingriffsraum?“. Als ich dann um den dafür zuständigen Verantwortlichen, der das genehmigen sollte, bat, sagte mir die Dame am Telefon: „Das bin ich.“ Wie war das möglich! Die Person, die diesen Raum genehmigen sollte, wusste nicht worum es sich handelte. Ich verantwortete ein Projekt über Millionen und musste solche Telefonate führen! Manchmal dachte ich wirklich, ich sei bei „Verstehen Sie Spaß“.

Und gleichzeitig lief mir die Zeit davon. Ich hatte meine Patienten vorausschauend ab dem 2. Januar 2018 einbestellt. Wenn ich dieses Zeitfenster nicht geschafft hätte, wären die Patienten woanders hingegangen. Der Druck war spürbar und wurde durch die zahlreichen bürokratischen Hürden nicht weniger. Letztlich wurde die Praxis innerhalb von acht Monaten fertiggestellt und ich eröffnete wie geplant am ersten Werktag im Januar 2018.

Was würden Sie in einer Anleitung zur Gründung unbedingt raten?

Ich kann aus ganzer Überzeugung sagen: Man macht schon vieles richtig, wenn man es anders macht als alle anderen. Ich wurde am Anfang von fast allen Seiten nur belächelt. Der Tenor war: „Was ich da vorhabe, das wird nichts. Den Berater brauche ich nicht, der zockt mich nur ab.“ Hätte ich auf die anderen und ihre Agenda gehört, wäre ich heute nicht hier. Es ist wichtig, dass man sich entscheidet, einem bestimmten Kreis an Menschen ohne Abstriche zu vertrauen. Für mich waren das vor allem meine Eltern und Großeltern sowie mein Unternehmensberater. Und man sollte versuchen, wenn auch nur kurzzeitig, zu verstehen, was man unterschreibt. Das sind ja zum Teil wahnsinnige Verklausulierungen und viel Kleingedrucktes. Ich habe mir immer alles von meinem Unternehmensberater erklären lassen und dann sofort unterschrieben, solange ich noch wusste, worum es ging.

Es ist wichtig, dass man eine gute Mischung aus Vertrauen und Verstehen entwickelt und auch einen „Plan B“ im Hinterkopf hat, für den (wenn auch unwahrscheinlichen) Fall, dass etwas schiefgeht und man von vorne starten muss. Aber da man, wenn einmal die Kredite erteilt sind, nicht alleine im Boot sitzt und viele (allen voran die Bank) daran Interesse haben, dass man erfolgreich ist und Gewinne einfährt, hat das Risiko von Plan A gewissermaßen eine Rückversicherung. Das Ganze so zu denken, hat mir sehr geholfen und ich kann es, wie zu Beginn den Zeitstrahl, nur empfehlen.

Das Interview ist in der dentalfresh erschienen.

Foto Teaserbild: Strößner

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