Recht 08.06.2015
Schüler haben Hitzefrei ... und Angestellte?
Jeden Sommer wünschen sich viele Angestellte Hitzefrei und verweisen darauf, dass es viel zu heiß für eine produktive Arbeit sei. Auch dieses Jahr gab es bereits Tage mit einer deutlich überdurchschnittlichen Temperatur. Zwar ist das menschliche Temperaturempfinden sehr unterschiedlich, doch endet der als angenehm empfundene Bereich regelmäßig bei 26 Grad. Ab 32 Grad ist die interne Hitzeregulierung des menschlichen Körpers überfordert und die Kühlung erfolgt hauptsächlich über Transpiration. Spätestens ab diesem Zeitpunkt möchte man den Tag lieber am Strand oder Pool verbringen, als in der Zahnarztpraxis.
Dieser Wunsch ist menschlich durchaus nachvollziehbar. Fraglich ist jedoch, ob nicht möglicherweise auch ein Anspruch auf Hitzefrei für Mitarbeiter in der Zahnarztpraxis bestehen könnte.
Übermäßige Hitze
Gemäß § 618 Absatz 1 Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) hat der Praxisinhaber „Räume, Vorrichtungen oder Gerätschaften, die er zur Verrichtung der Dienste zu beschaffen hat, so einzurichten und zu unterhalten und Dienstleistungen, die unter seiner Anordnung oder seiner Leitung vorzunehmen sind, so zu regeln, dass der Verpflichtete (also der Arbeitnehmer) gegen Gefahr für Leben und Gesundheit so weit geschützt ist, als die Natur der Dienstleistung es gestattet.“ Eine konkrete Regelung über die erlaubte Temperatur am Arbeitsplatz sucht man jedoch vergebens. Allerdings ist es durchaus anerkannt, dass eine übermäßige Hitze eine Gefährdung im Sinne des § 618 Abs. 1 BGB darstellen kann. Auch die Vorschriften des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) und der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) helfen letztlich nicht weiter. Die ArbStättV regelt lediglich, dass der Arbeitgeber Schutzmaßnahmen unter anderem nach dem Stand der Technik, Arbeitsmedizin und Hygiene festzulegen sowie gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse zu berücksichtigen hat (§ 3 ArbStättV) und zudem in den Arbeitsräumen während der Arbeitszeit für „eine gesundheitlich zuträgliche Raumtemperatur“ Sorge trägt (ArbStättV, Anhang, Punkt 3.5). Eine Temperaturangabe, ab der ein Arbeiten nicht mehr zulässig wäre, sucht man auch hier vergeblich. Abhilfe bieten erst die sogenannten technischen Regeln für Arbeitsstätten (ASR), welche definieren, was tatsächlich der Stand der Technik, Arbeitsmedizin und Arbeitshygiene sowie sonstige gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse für das Einrichten und Betreiben von Arbeitsstätten ist. Die ASR A3.5 konkretisiert die Anforderungen der ArbStättV für die Raumtemperatur dahingehend, dass die Lufttemperatur in Arbeitsräumen 26 Grad nicht überschreiten soll. Überschreitet die Raumtemperatur die 26 Grad und liegen auch Außentemperaturen von mehr als 26 Grad vor, soll der Arbeitgeber bestimmte Maßnahmen ergreifen. Die ASR empfiehlt beispielsweise, Jalousien auch nach der Arbeitszeit geschlossen zu halten, elektrische Geräte nur bei Bedarf zu betreiben, Räume in den frühen Morgenstunden zu lüften oder geeignete Getränke wie etwa Trinkwasser bereitzustellen. Diese Maßnahmen dürften zwar sinnvoll sein, letztlich aber nur einen überschaubaren Einfluss auf die Raumtemperatur haben. Unter Umständen sind auch die Kleidervorschriften zu lockern. Wobei es natürlich gerade in diesem Bereich Grenzen gibt, die nicht überschritten werden sollten. Trotz warmer Sommertemperaturen sollte die Freizügigkeit bereits aufgrund des Kontaktes mit Patienten in der Zahnarztpraxis auf ein angemessenes Maß begrenzt werden. Hierbei ist auf die Branchenüblichkeit auch bei Hitze abzustellen (BAG, Urteil v. 10.10.2002, DB 2003 S. 830). Kurze Hosen und Flipflops können daher auch unter diesen Umständen vom Praxisinhaber untersagt werden. Auch kann der Praxisinhaber wohl darauf bestehen, dass auch bei größter Hitze etwas „drunter“ getragen wird (vgl. LAG Köln Az. 3 TaBV 15/10). Erreicht die Lufttemperatur im Raum mehr als 30 Grad, müssen vorstehende oder vergleichbare Maßnahmen ergriffen werden, um den Arbeitsplatz auf ein erträgliches Klima abzukühlen und so die Beanspruchung der Beschäftigten zu reduzieren. Spätestens zu diesem Zeitpunkt empfiehlt es sich, in den Praxisräumen Ventilatoren oder mobile Klimaanlagen aufzustellen. Kommt es trotz sämtlicher Maßnahmen zu einer Überschreitung der Lufttemperatur im Raum von mehr als 35 Grad, so ist dieser nicht mehr als Arbeitsraum geeignet. Laut der ASR wäre eine Tätigkeit nur dann zumutbar, wenn technische Maßnahmen (z.B. Luftduschen, Wasserschleier) oder organisatorische Maßnahmen (z.B. Entwärmungsphasen) ergriffen würden. Derartige Maßnahmen wären in einer zahnärztlichen Praxis wohl wenig alltagstauglich.
Fazit
Eine Verpflichtung gegenüber den Angestellten, bei großer Hitze freizugeben, existiert also nicht. Dennoch bestehen gewisse Pflichten, die an besonders heißen Tagen zu berücksichtigen sind. Ergreift man keine Maßnahmen, um das Klima in der Praxis in einem erträglichen Rahmen zu halten, können die Praxisangestellten ihre Arbeitsleistung verweigern. Unabhängig von den Vorschiften des ASR sollte der Praxisinhaber grundsätzlich an einer angemessenen Raumtemperatur interessiert sein, da die Produktivität der Mitarbeiter ab einer gewissen Temperatur erwiesenermaßen spürbar nachlässt. Somit ist es letztlich im Interesse aller, dass ein „Wohlfühlklima“ in der Praxis herrscht.