Statements 29.08.2014

Die Lage ist besser als ihr Ruf



Die Lage ist besser als ihr Ruf

Foto: © Boggy - Fotolia.com

Es vergeht kein Tag, keine Tagung und vor allem kein zahnärztliches Funktionärstreffen in Berufsverbänden und Kammern, die nicht geprägt sind von einem fundamentalen Wehklagen über die schreckliche Lage des Berufsstandes, resultierend aus völlig unzulänglichen Vertrags- und Vergütungssystemen für die zahnärztlichen Leistungen.

Der Berufsstand sei völlig unzufrieden, weil von den Kassen total unterbezahlt, bevormundet, nicht in der Lage, zeitgemäße Zahnheilkunde zu erbringen, und ausgebrannt. Persönliche Erfahrungen aus vielen Kontakten mit, ich betone, sicher erfolgreichen Zahnärzten zeigen mir, dass in Funktionärskreisen gerne ein Zerrbild der Realität im Berufsstand gezeichnet wird, sicher auch, um etwas zum Besseren zu verändern. Dass diese persönlichen Erfahrungen ein Spiegelbild der Situation der Zahnärzteschaft bilden, beweist eine repräsentative Meinungserhebung durch ein Forschungsinstitut für ein internationales Dentalunternehmen, wonach über 85 Prozent der Praxisinhaber mit ihrer Lage wirtschaftlich und von den Rahmenbedingungen her mehr als zufrieden sind und zukunftsorientiert positiv denken. Ja, was die Dentalindustrie erfreut, sie investieren auch, machen die Fortschritte in der Zahnmedizin in ihren Praxen mit.

Man muss sich halt um den Patienten kümmern, man darf die Kasse nur als Patientenpool sehen, aufbauend auf einer rudimentären Grundversorgung, bessere Leistungen schöpfen zu können. Die Berufszufriedenheit basiert also nicht auf den sicher völlig unzulänglichen Rahmenbedingungen unserer Kassenzahnheilkunde, sondern resultiert aus hoher Selbstverantwortung als freier Beruf und medizinischer Selbstverpflichtung, gute Zahnheilkunde zu erbringen. Und hier ist eben vieles nicht in der Solidarverpflichtung zur Grundversorgung zu verankern, wenn sich auch aus der Umfrage ableiten lässt, dass ein hoher Prozentsatz von Praxisinhabern zustimmt, dass man auch auf Kasse als Zahnarzt gut über die Runden kommen kann. „Man muss es nur richtig organisieren“, hieß es. Wie, wurde leider nicht erhoben oder gesagt.

Was die Umfrage auch offenbart, ist, dass nicht nur in der privaten Leistungserbringung, sondern auch aufgrund der politischen Herausforderungen „auf Kasse“ die Pflicht, ein Qualitätsmanagement in der Praxis aufzubauen, von der Patientenbetreuung bis hin zur Evidence-based-Leistungserbringung zur Selbstverständlichkeit werden muss. Hier haben die Körperschaften und Berufsverbände eine Bringschuld, bevor die politische Aufsicht weiter zum Diktathammer greift.

Aus der von der Dentalindustrie beauftragten Studie zeigt sich nur eine große Sorge der niedergelassenen Zahnärzte, besonders jener 20 Prozent, die in den kommenden Jahren ihre Praxis verkaufen möchten, besonders in weniger attraktiven Regionen keinen Nachfolger mehr zu finden. Auch wegen der zunehmenden Feminisierung des Berufsstandes, des Zuges hin zur Kettenpraxis und auch mangelnden Studien-Nachwuchses. Dies als Sorge auch deshalb, weil der Praxisverkauf bisher eine Zulage zur Alterssicherung gebildet hat. Sie sehen, die Lage ist besser als ihr Ruf.

Quelle: Dental Tribune International, German Edition, Ausgabe 9/2014

Mehr News aus Statements

ePaper