Statements 04.02.2015
Kehrtwende der Berufspolitik
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Die sehr viel kommentierte Generation Y kommt in den nächsten Jahren in die Praxis. Es sind die Digital Natives der Jahrgänge ab 1980, die als erste Generation mit Internet und digitaler Kommunikation in einem digital bestimmten Leben aufgewachsen sind. Sie werden bis 2020 bereits mehr als ein Viertel der Zahnärzte in Österreich stellen. Mit ihnen wird sich vieles an neuen Herausforderungen in der Gestaltung der Leistungserbringung in der Zahnheilkunde ergeben. Die Signale aus der verfassten Berufsvertretung selbst werden aber auch immer deutlicher, dass man sich diesen Forderungen der Generation Y auf einen Paradigmenwechsel in der Standesorganisation stellen, diesen sich positiv öffnend, voranbringen wird.
Die Generation Y gehört mit der erfolgreich erworbenen Zahnmedizin-Approbation zu den High Potentials ihrer Generation. Nicht allein am Bestehenden nachbessern, sondern vieles gänzlich neu machen, lautet deren Handlungsprinzip. Gegenüber herkömmlich gewachsenen Institutionen, so auch den eigenen Körperschaften, zeigen sie sich skeptisch, sie wirken für sie altmodisch, als Kartell zur Sicherung des Gesterns. Sie setzen auf die „Digitale Praxis“, weil sie daraus geschäftliche Chancen erkennen, vieles wird organisatorisch einfacher, was sonst nur Belastung ist, man gewinnt vor allem aber mehr Raum für die medizinische Kompetenz, den Patienten und die Qualitätssicherung der Leistung. Für die Generation Y ist die Einzelpraxis der Goldstandard von gestern. Man kann sich auch gut vorstellen, als „Angestellter“ leistungsorientiert zu wirken, ohne finanzielle Investitionsverantwortung, vor allem in einem Team, partnerschaftlich beteiligt, ein breiteres Patientengut zahnmedizinisch umfassend zu betreuen. Die Mehrbehandlerpraxis, in welcher alternativen Praxis-Unternehmensform auch immer, schafft mehr Flexibilität, weniger Verwaltungsbelastung für den einzelnen Zahnarzt und eröffnet die Chance zur Selbstbestimmung des Leistungseinsatzes. Dies alles kommt vor allem der Entwicklung, dass bald mehr als 50 Prozent aller Zahnärzte Frauen mit anderen, auch vielen privaten Ansprüchen an die Lebens- und Berufsgestaltung sein werden, sehr entgegen. Die ganz überwiegende Organisation der zahnmedizinischen Versorgung in der Einzelkämpferpraxis ist nicht mehr zeitgemäß, nicht allein aus dem Streben der Generation Y nach mehr Freiheit und Mobilität. Multidisziplinarität ist zunehmend gefordert, um den mündigeren Patienten mit ihren fachlich immer breiter werdenden Anforderungen gerecht werden zu können. Dem Fortschritt der Zahnmedizin folgend kann kein Behandler mehr alle Spezialbereiche abdecken. Die Weiterbildung muss sich hin zu anerkannten Spezialisten, zum Fachzahnarzt in einzelnen Disziplinen der Zahnmedizin öffnen. Jeder Zahnarzt soll das Recht zur umfassenden Erbringung des zahnmedizinischen Leistungsspektrums behalten, aber auch die Chance haben, sich als Fachspezialist öffentlich nach gesicherter Zusatzausbildung auszuzeichnen.
Eine völlig andere, liberalere und breitere Auffassung hat die Generation Y auch zum Einsatz der Heilhilfsberufe in der Zahnmedizin, so voran der Prophylaxeassistentin/ Dentalhygienikerin, als besondere Fachkräfte zur Erbringung umfassender prophylaktischer Leistungen in Delegation von Verant- wortung. Dies auch auf entsprechend gesicherter Ausbildungsgrundlage bis hin zur Bachelor-DH, als Fundament eines wirtschaftlich eigenen Praxis-Ertragszentrums.
Spannend ist auch die geringe Bindungsneigung der Generation Y an die klassischen „Betreuungsstrukturen“ der Zahnarztpraxen aus Dentalindustrie und -handel heraus, bis hin zur scharf kritisierten Industrieabhängigkeit einzelner Fachgesellschaften. Bleibt nicht zuletzt der Wunsch der Generation Y, dem stringenten, leistungsvernichtenden Honorar- und Zulassungssystem zu entrinnen durch eine Neudefinition von Festzuschuss-Kategorien in der Zahnmedizin hin zu frei mit den Patienten vereinbarten Therapien. Viel zu tun, viel zu überlegen, den Wünschen aus der Generation Y gerecht zu werden, die Zukunft für die neue Zahnheilkunde zu öffnen,
toi, toi, toi, Ihr J. Pischel