Statements 20.06.2012

Kosten und Kosten - folgen der Prophylaxe



Kosten und Kosten - folgen der Prophylaxe

Ein Statement von Dr. Hans Joachim Lellig, Vorsitzender der Ärztekammer des Saarlandes – Abteilung Zahnärzte – und Vizepräsident der Ärztekammer des Saarlandes

Prävention wird von Politik und Kassenvertretern gerne in den Zenit ihrer gesundheitspolitischen Forderungen gehoben, nicht selten mit dem Unterton, dass dieses Thema von Zahnärzten und Ärzten bisher vernachlässigt worden sei. Auf eigene Versäumnisse weist man schließlich ungern hin. Wer ist nicht geneigt, solche gesetzgeberischen Maßnahmen oder Forderungen der Krankenkassen für gut zu befinden und damit den jeweiligen Autoren Sympathien entgegenzubringen? Schließlich soll Prophylaxe – so das Argument – Krankheiten verhindern oder rechtzeitig entdecken und so zu mehr Gesundheit und weniger Kosten führen.

Stimmen diese Argumente? Bezüglich geringerer Kosten sicher nicht. Aufhängen möchte ich meine Argumentation an der Veröffentlichung des Barmer GEK Zahnreports 2012 vom 24. April 2012 unter der Überschrift „Lücken in der Zahnprophylaxe“. Im Saarland, das hier vergleichsweise im Länderranking am schlechtesten abgeschnitten hatte, lasen wir gar die Botschaft „Saarländer sind Zahnarztmuffel“. Beanstandet wurde insbesondere, dass bundesweit „nur 31 Prozent der unter Sechsjährigen die individuellen Früherkennungsuntersuchungen in den Zahnarztpraxen wahrnehmen“. Hierzu ist dreierlei zu sagen: Zum einen kann nicht die Zahnärzteschaft von sich aus diese „fehlenden Vorsorgeuntersuchungen“ in ihre Praxen holen. Es ist vielmehr auch Aufgabe der Kassen selbst, bei ihren Versicherten erfolgreich dafür zu werben.

Zum Zweiten mag es auch mit den Erfolgen der von der Kollegenschaft aus freien Praxen und des ÖGD getragenen Maßnahmen der Gruppenprophylaxe gem. § 21 SGB V zusammenhängen, im Rahmen derer heute bundes- und länderweit fast flächendeckend Kitas und Grundschulen und – in geringerem Maße auch weiterführende Schulen – betreut werden. Die vonseiten der DAJ in Zusammenarbeit mit den Landesarbeitsgemeinschaften erstellten epidemiologischen Begleituntersuchungen belegen die Erfolge dieser Maßnahmen nachdrücklich. Selbstverständlich soll und kann die Gruppen- nicht die Individualprophylaxe ersetzen, beide ergänzen sich notwendigerweise. Aber ebenso wie die Eltern-arbeit im Rahmen der Gruppenprophylaxe an der mangeln-den Kooperationsbereitschaft gerade derjenigen „leidet“, die es am meisten anginge, spiegelt sich das auch in der Einsicht dieser Eltern in die Notwendigkeit der Teilnahme an der Individualprophylaxe wider. Hinzu kommt noch ein stückweit mangelndes Bewusstsein auch bei „aufgeklärten“ Eltern, dass es neben der Gruppenbetreuung auch schon in diesem Alter die Möglichkeit der Individualprophylaxe gibt. Hier ist ein nicht unbeachtliches Informationsdefizit aufzuarbeiten. An mangelnden Hinweisen der Kolleginnen und Kollegen, die in der Gruppenprophylaxe aktiv sind, liegt es sicher nicht.

Zum Dritten kostet Prävention natürlich auch Geld. Rechnen wir nur einmal nach, wie viel mehr Geld die Kassen aufwenden müssten, wenn statt nur 31 Prozent der unter Sechsjährigen alle Anspruchsberechtigten die Vorsorgeleistung nachsuchen würden und dies einen dann erkannten höheren Therapiebedarf nach sich ziehen würde. Die das Budget belastende Behandlung der Milchzahnkaries würde sich boomartig ausweiten, unterstellt man einmal, dass die Behandlungscom-pliance bei Eltern und Kindern und die Kapazitäten hierfür bei der Zahnärzteschaft überhaupt vorhanden wären.

Um nicht falsch verstanden zu werden: Vorbeugen ist besser als heilen und bringt bei Erfolg den Kindern und uns allen mehr Lebensqualität. Prophylaxe verursacht aber auch Kos-ten und stellt keineswegs die von Politik und Krankenkassen immer erhoffte Sparquelle dar, auch nicht in Form von Kos-tensparungen im höheren Alter. Noch nie besaßen Seniorinnen und Senioren so viele eigene Zähne wie heute. Daher ist die Zahnersatzversorgung im hohen Alter heute so aufwendig, kompliziert und teuer. Schließlich sind die Kosten der Versorgung des teilbezahnten oder implantattragenden Kiefers um ein Mehrfaches höher als die der früher überwiegenden Versorgung von unbezahnten Kiefern.

Prophylaxe bringt also ein Mehr an Lebensqualität vom Kindesalter bis zum Lebensabend. Prophylaxe spart aber keine Kosten. Das Gegenteil zu behaupten ist eine völlig unbelegte Hypothese, die, würde man sie einmal ernsthaft untersu-chen, sicher nicht zu halten wäre, weder in der Zahnheil-kunde noch bei der ärztlichen Versorgung. Politik und Krankenkassen, aber auch wir sollten also nicht so tun, als sei Prophylaxe geeignet, Kosten zu sparen. Ein Bekenntnis zur Prophylaxe muss daher ehrlicherweise auch immer ein Bekenntnis zu ihrer Finanzierung sein. „Nur ein bisschen“ nutzt auch da sehr wenig, das Notwen-dige darf hier nicht durch das Kostenargument verhindert werden. Dass die Gesellschaft insgesamt dies ihren pflege-bedürftigen Mitbürgerinnen und Mitbürgern schuldet, sollte doch wohl nicht infrage stehen.

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