Statements 04.10.2011

Rückblick – oder der Kampf gegen die Vollprothese?



Rückblick – oder der Kampf gegen die Vollprothese?

Foto: © Privat

Am Anfang stand die Frage: Sind Prothesen schöner als eigene Zähne? Denn es wurde manchmal leichtsinnig extrahiert, zur Herstellung partieller oder kompletter gingivalgetragener Prothesen. Die Folgen waren damals noch nicht abzusehen: Zerstörung des Restzahnbestandes und Druckatrophie der Kiefer mit dem Verlust der vertikalen Dimension. Nach meiner Niederlassung in Bremen 1955 wurde schon seit Anfang der 60er-Jahre auch im Ausland mit enossalen und subperiostalen Implantaten experimentiert: Bekannt dafür sind Dahl in Schweden, Tramonte, Pasqualini, Muratori und Ciuffini in Italien, Chercheve, Scialom und Juillet in Frankreich, Gershkoff, Lew, Linkow, Babbush, Mentag und Judy in den USA, und viele andere.

Erste Versuche mit nicht osseointegrierenden Implantaten, die noch eine periimplantäre bindegewebige Einscheidung hatten, wurden so auch in Europa unternommen. Das Implantatmaterial wandelte sich aber von Stahl über Chrom-Kobaltlegierung für subperiostale Implantate, von Tantal bis Titan für enossale Implantate, zunächst mit unbearbeiteter, dann mit strukturierter Oberfläche, bis mit diversen Oberflächenbeschichtungsmethoden gearbeitet wurde. Das Ziel war, die beschleunigte Einheilung und direkten Knochenkontakt ohne eine schlecht kontrollierbare bindegewebige Membran zu erreichen. Mit meinem ersten Implantologie-Kongress in Deutsch­land gemeinsam mit dem Pionier und herausragenden Referenten aus New York Leonard I. Linkow, dem sogenannten Linkow-Seminar in Bremen im November 1969, an dem immerhin zwei Universitätsprofessoren teilnahmen und mit den 85 Teilnehmern die Idee der ­Gründung der DGZI entstand, wurden erstmals die schmalen keilförmigen sogenannten Blattimplantate in Deutschland eingeführt. Hierbei wurde der Knochen mit dünnen Fräsen und kreisförmigen Sägen schlitzförmig präpariert und die keilförmigen Implantate unter Friktion in den atrophierten Knochen inseriert. Die ersten Mitglieder der DGZI benutzten vorwiegend diese Implantate, die in vielen verschiedenen anatomisch angeglichenen Formen entwickelt wurden.

Die erste Statistik der DGZI über 3.341 dieser Blattimplantate über einen Zeitraum von fünf Jahren (1970–75) ergab eine Erfolgsquote von 92,9 Prozent, wobei die Misserfolge damals wie heute durch Fehler bei der Insertionstechnik sowie unter anderem auch durch ungeeignete prothetische Versorgung entstanden waren. Als die DGZI längst den Kinderschuhen entwachsen war, gründete sich auch ein Arbeitskreis Implantologie innerhalb der DGZMK, der 1985 die zweite Jahrestagung in Berlin veranstaltete und auch einige Referenten aus der DGZI (Grafelmann, Brandt, Duelund, Bürkel, K. Jacobs) eingeladen hatte. So konnten wir dort über eineinhalb Jahrzehnt implantologischer Erfahrungen – unter gemischter Anerkennung unserer Referenten – berichten, aber auch bereits Kontraindikationen und Ursachen für negative Ergebnisse vorstellen. Auch ­Spiekermann und Ledermann referierten über ihre Anfangserfahrungen mit TPS-beschichteten Schrauben­implantaten, lange bevor andere mit dem Begriff „Osseointegration“ auftauchten. Es erfüllt mich mit Genugtuung und Freude, dass die DGZI zu einer großen Gesellschaft für Wissenschaft und Praxis mit internationalen Kontakten herangewachsen ist; getreu dem Ziel der Gründungsmitglieder – denen neben den Kollegen Bieg, Brandt, Hüngerle, Koch, Steiner und mir auch die Zahnärztin Elisabeth Triebel angehörte –, den Austausch von Neuentwicklungen und Implantattechnik zeitnah zu verbreiten und die heranwachsenden Nachfolger in der implantologischen Praxis zu schulen, um Misserfolge zu vermeiden. Leider war es den Kollegen Hüngerle, Koch, Steiner und Triebel nicht vergönnt, die rasante Entwicklung der Implantologie in der DGZI in den letzten Jahren mitzuverfolgen. Nun ist auch mein Freund und Kollege Zahnarzt Hans Hennig Bieg im Juli verstorben, der sich nicht nur für die Belange der DGZI als Mitglied der ersten Stunde engagierte, sondern auch langjährig als Vorsitzender des Freien Verbandes Deutscher Zahnärzte und Autor DGZI-fördernd verdient gemacht hat. Im Sinne des stetigen Fortschritts wünsche ich der DGZI einen erfolgreichen Jubiläumskongress und weiterhin viele Jahrzehnte des Erfolgs.

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