Statements 11.12.2024
Schluss mit Rollenklischees, Zahntechnikerinnen an die Macht!
Wie lassen sich die Arbeitsbedingungen im Zahntechniker-Handwerk so gestalten, dass insbesondere Frauen nicht nur überleben, sondern regelrecht aufblühen? Das Plädoyer einer Laborinhaberin.
Frauen im Handwerk, vor allem in der Zahntechnik, haben es oft nicht leicht. Obwohl etwa 64 Prozent der Zahntechniker in Deutschland Frauen sind, verlassen viele den Beruf oder haben Probleme, Karriere zu machen. Der Grund? Zu viele Überstunden, Stress im Labor wegen fehlender Mitarbeiter und vergleichsweise schlechte Bezahlung.
Ein Bewerbungsgespräch ist mir besonders im Gedächtnis geblieben: Eine talentierte Zahntechnikerin hatte sich bei mir vorgestellt und doch gezögert, den Job zu wechseln, obwohl sie erschöpft und unglücklich war. Warum? Ihr Mann hatte gerade einen neuen Job angefangen und sie wollte ihren sicheren alten Arbeitsplatz nicht aufgeben, obwohl der lange Pendelweg und die schlechte Stimmung im dortigen Team sie sehr belastet haben.
Das hat mich sehr nachdenklich gemacht – das konnte ich so nicht so stehen lassen. Daher habe ich beschlossen, die Arbeitsbedingungen in meinem Labor weiter zu verbessern, um Frauen wie ihr eine echte Möglichkeit anzubieten – eine Option sowohl beruflich als auch persönlich zu wachsen. Denn Fakt ist: Viele Frauen stecken trotz ihrer Qualifikationen in alten Rollenbildern fest und stecken oft zurück. In meinem Labor bin ich dieses Problem aktiv angegangen:
- Flexible Arbeitszeiten gehören zu den wichtigsten Maßnahmen, um Frauen im Handwerk zu unterstützen. Viele müssen Beruf und Familie unter einen Hut bringen. Die Möglichkeit, die Arbeitszeit je nach Bedarf zu reduzieren oder zu erhöhen, kann dabei eine große Hilfe sein. Neben dem Kita-Zuschuss gibt es in unserem Labor in Ludwigsfelde für den Notfall ein Familienzimmer.
- Überstunden sind in der Zahntechnik normal, oder? Eben nicht. Zahntechniker brauchen Zeit und Ruhe für ihre präzise Arbeit. Ständiger Zeitdruck und Überstunden schaden langfristig der Qualität und der Gesundheit. Zahnärzte und Patienten sollten zukünftig verstehen, dass gute Zahntechnik trotz moderner Hightech nicht immer express geht. Ohne realistische Zeitpläne und faire Arbeitsverteilung läuft bei mir nichts.
- Fortbildungen sind oft ein Knackpunkt: Durch die Verpflichtungen im Job und in der Familie haben Frauen oft keine Chance, daran teilzunehmen. Die Folge: Sie fühlen sich nicht nur benachteiligt, sondern werden gleichzeitig in ihrer Karriere ausgebremst. Deshalb suchen wir in unserem Labor gezielt nach Online-Weiterbildungen, die den zeitaufwendigen Fahrtweg sparen, oder holen uns die Referenten direkt ins Haus. Denn von dem neu erworbenen Wissen profitiert automatisch das ganze Laborteam.
- Bezahlung von Zahntechnikern ist vergleichsweise schlecht? Pauschal lässt sich das nicht beantworten. Zahntechniker mit Spezialisierungen in mehreren Bereichen verdienen durchaus sehr gut. Faire Chefs geben ihren Mitarbeitern jedes Jahr Feedback zu deren Leistungen und passen die Gehälter entsprechend an. In meinem Labor musste noch nie jemand nach einer Gehaltserhöhung fragen – das läuft bei mir ganz automatisch.
Fördern statt fordern
Der Tag des Handwerks im September war die perfekte Gelegenheit, um zu zeigen, was Frauen im Handwerk alles draufhaben und alte Rollenbilder über Bord zu werfen. Zahntechnikerinnen im Speziellen sind ein hervorragendes Beispiel dafür, wie Frauen im ständigen Wandel und mit zunehmender Digitalisierung Ihren Berufszweig voranbringen. Wenn wir die alten Klischees überwinden, schaffen wir ein Handwerk mit Zukunft, in dem alle Frauen ihre volle Stärke entfalten können. In diesem Sinn, packen wir’s an!
Autorin: Andrea Korndörfer
Dieser Beitrag ist in der ZT Zahntechnik Zeitung erschienen.