Statements 02.06.2023
Zur Diskussion um die professionelle Zahnreinigung
In vielen Praxen wird die professionelle Zahnreinigung (PZR) intensiv beworben. Doch in den Medien wie auch in Internet-Beiträgen wird ihr medizinischer Nutzen immer wieder in Frage gestellt. Da es sich bei der PZR um eine private Zusatzleistung handelt, zu der gesetzliche Krankenkassen bestenfalls einen Zuschuss zahlen, wünschen sich viele Patienten Aufklärung. Welche Empfehlung kann man Zahnärztinnen und Zahnärzten und ihren Teams geben, wenn Patienten nach dem Nutzen der PZR fragen?
Behandlung orientiert sich am Mundgesundheitsstatus
Zunächst kann festgestellt werden, dass sich die Argumente gegen eine PZR häufig auf den IGel-Monitor aus dem Jahr 2012 beziehen. In diese Untersuchung wurden jedoch nur Menschen mit guter Zahngesundheit einbezogen.
Die Erkrankungslast bei Parodontalerkrankungen ist in Deutschland zwar erfreulicherweise rückläufig, aber nach wie vor hoch. Laut der Fünften Deutschen Mundgesundheitsstudie (DMS V) leiden 65 Prozent der jüngeren Senioren (65 bis 74 Jahre) an parodontalen Erkrankungen. Zudem ist das Krankheitsbild altersassoziiert, sodass im Zuge der demografischen Entwicklung in Deutschland von einem steigenden Behandlungsbedarf ausgegangen werden muss.
Prof. Dr. Johannes Einwag, langjähriger Vorsitzender der Gesellschaft für Präventive Zahnheilkunde und Fortbildungsreferent der BLZK, rät daher zu einer lebenslangen Auseinandersetzung mit dem Thema Mundhygiene und in diesem Zusammenhang mit entsprechender Anleitung und Schulung, „nicht nur zur Stabilisierung des Verhaltens der Patienten, sondern auch, weil sich die Verhältnisse in der Mundhöhle jedes Patienten im Laufe der Jahre ändern. Modifikationen der Maßnahmen zur häuslichen Prophylaxe wie auch der Schwerpunkte und die Frequenz professioneller Prophylaxemaßnahmen sind somit für eine bedarfsgerechte Individualprophylaxe selbstverständlich“.
Differenzierung zwischen den Behandlungsoptionen ist wichtig
Bei der Aufklärung der Patienten erscheint es zunächst wichtig, zwischen Mundhygieneinstruktion (MHI), professioneller Zahnreinigung (PZR) und unterstützender Parodontitistherapie (UPT) zu differenzieren. Patienten sollten über die Unterschiede informiert sein, bevor individuelle Maßnahmen erfolgen.
Mundhygieneinstruktion (MHI)
Im Rahmen einer MHI gilt es, dem Patienten die Zusammenhänge zwischen bakteriellen Zahnbelägen und Karies oder Parodontitis zu erklären. Das Anfärben der Zähne macht die Plaque deutlich sichtbar und zeigt die Schwachstellen der häuslichen Mundpflege.
Der Behandelnde kann auf individuell geeignete Mundhygienemaßnahmen und entsprechende Hilfsmittel hinweisen, die dann vom Patienten zu Hause selbst durchgeführt und eingesetzt werden. Unabhängig vom Mundgesundheitsstatus ist eine regelmäßige Wiederholung der Mundhygieneinstruktion für jeden Patienten sinnvoll, da sie das Bewusstsein für die eigene Mundhygiene stärkt und diese langfristig verbessern kann.
Für parodontal gesunde Menschen ist eine MHI zunächst ausreichend. Allerdings muss festgehalten werden, dass dies nur ein relativ kleiner Teil innerhalb der Bevölkerung ist.
Professionelle Zahnreinigung (PZR)
Laut GOZ umfasst die PZR „das Entfernen der supragingivalen/gingivalen Beläge auf Zahn- und Wurzeloberflächen einschließlich Reinigung der Zahnzwischenräume, das Entfernen des Biofilms, die Oberflächenpolitur und geeignete Fluoridierungsmaßnahmen, je Zahn oder Implantat oder Brückenglied“.
Dieses Maßnahmenbündel ist besonders dann ein wesentlicher Baustein zum Erhalt der Mundgesundheit, wenn sich trotz der Mundhygieneinstruktion Schwächen beim individuellen häuslichen Biofilmmanagement zeigen (erkennbar beispielsweise am Vorliegen von Belägen, einer Gingivitis, Initialkaries oder an kariösen Defekten). Kosmetisch störende Zahnbeläge, verursacht durch Kaffee, Tee oder Rauchen, werden durch die PZR ebenfalls beseitigt.
Mundhygieneinstruktion und professionelle Zahnreinigung ergänzen sich gegenseitig. Sie sind die entscheidenden Maßnahmen der Primärprophylaxe, also jener Maßnahmen, mit denen verhindert werden soll, dass gesunde Personen erkranken.
Unterstützende Parodontitistherapie (UPT)
Die unterstützende Parodontitistherapie (UPT) umfasst alle Maßnahmen, mit denen verhindert werden soll, dass ehemals an Parodontitis erkrankte und durch eine systematische Parodontitistherapie erfolgreich behandelte Patienten erneut erkranken.
Bei der UPT handelt es sich somit nicht um eine Prophylaxemaßnahme, sondern um eine Therapieergänzung, die je nach Risiko ein- bis viermal jährlich und in der Regel lebenslang erfolgen muss, um den Mundgesundheitszustand zu stabilisieren. Im Zentrum der Maßnahmen steht auch hier das professionelle Biofilmmanagement sowie die Notwendigkeit, die Patienten immer wieder zu motivieren und auf die Möglichkeiten der eigenen Mundhygiene hinzuweisen.
Wichtig ist ein Bündel an Maßnahmen
Als Basis einer guten Individualprophylaxe sieht Einwag stets das Zusammenspiel mehrerer Maßnahmen, nicht allein die PZR. Darin besteht für ihn auch das Problem einzelner Aussagen in den Medien, die immer nur vergleichen, „was passiert, wenn die Beläge häuslich oder professionell entfernt wurden, nicht aber, wie es ausschaut, wenn professionell gereinigt plus instruiert plus motiviert wurde“.
Aufklärung müsse daher ein wesentlicher Bestandteil der Behandlung sein. Wissenschaftliche Studien bestätigen das: „In Langzeitstudien bis zu 30 Jahren wurde nachgewiesen, dass ein professionelles Maßnahmenbündel, bestehend aus supra- und subgingivaler Zahnreinigung plus Fluoridierung plus Motivation plus Instruktion das Risiko für die Entwicklung der häufigsten Zahnerkrankungen Karies und Parodontitis dramatisch verringert“, so Einwag.
Mundgesundheit wirkt sich auf die Allgemeingesundheit aus
Einen weiteren Aspekt bringt die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) in die Diskussion ein: Präventive Maßnahmen seien auch deshalb so wichtig, weil die Mundgesundheit ein wesentlicher Teil der Allgemeingesundheit ist.
Die BZÄK sieht in der professionellen Zahnreinigung eine ideale Ergänzung zur häuslichen Mundhygiene und zu den Leistungen der GKV. „Denn der mikrobielleZahnbelag kann nicht nur orale Erkrankungen auslösen, sondern hat auch Einfluss auf die Allgemeingesundheit. Kardiovaskuläre Erkrankungen, Frühgeburten, Lungenentzündungen oder Diabetes mellitus können alle durch Zahnbelag ausgelöst bzw. negativ beeinflusst werden“, informiert die BZÄK.
Autorin: Dagmar Loy
Dieser Beitrag ist im BZB plus erschienen.