Implantologie 13.04.2012
Abformung und Registrierung für implantatgetragenen Zahnersatz
share
Eine implantatprothetische Rehabilitation zahnloser Patienten erfordert eine exakte Abformung und Registrierung. Hier wird eine Methode vorgestellt, die ein Duplikat der Totalprothese als individuellen Löffel für die Abformung und galvanisch geformte Goldkäppchen (AGCs) für die Übertragung der Implantatabutmentposition verwendet. Diese Methode ermöglicht eine exakte Abdrucknahme, Kieferrelations- und Bisshöhenbestimmung bei gleichzeitiger Beschleunigung der Behandlung. Sie erfordert allerdings ein hoch spezialisiertes Dentallabor.
Im zahnlosen Kiefer wird üblicherweise eine Totalprothese nach Extraktion und/oder Implantatinsertion angefertigt. Für gewöhnlich wird die Prothese verwendet, bis die endgültige Versorgung durchgeführt wird. Eine gut konstruierte Totalprothese sollte die folgenden Kriterien erfüllen:
1. korrekte Bisshöhe und maxillomandibuläre Relationsbeziehung;
2. exakte Okklusion;
3. passende Zahnauswahl in Bezug auf Form, Länge, Breite und Position;
4. adäquate Lippenunterstützung, und
5. korrekte Funktion und Ästhetik, um den Erwartungen des Patienten gerecht zu werden. Die endgültige Versorgung sollte das erreichte Ergebnis ebenfalls erfüllen oder sogar übertreffen. Eine korrekte Abformung und genaue Beurteilung der Kieferrelation sowie die Bestimmung der exakten Position der gesetzten Implantate sind oft anspruchsvolle und zeitraubende Aufgaben.1
Ziel des vorliegenden Berichts ist die Vorstellung einer Abform- und Registrierungstechnik, die die Übertragung der Kieferrelation, Bisshöhe und Ästhetik ermöglicht, die zu Beginn verwendet wurden, um die Totalprothese als Vorlage für die endgültige implantatgetragene Rekonstruktion anzufertigen.
Materialien und Methoden
Nach Extraktion einer nicht erhaltungswürdigen Restbezahnung und Insertion von sechs Zahnimplantaten (Fa. Dentegris, Duisburg) an den Positionen 15, 14, 13, 23, 24 und 25 wurde eine Totalprothese angefertigt. Nach Abheilung der Extraktionsstellen und Beseitigung von Druckstellen wurden Funktion und Ästhetik der Prothese optimiert. Bei Bedarf wurden die Angulationen, Form und Farbe der Prothesenzähne sowie die Form der Prothesenbasis korrigiert (Abb. 1a). Die daraus resultierende Prothese wurde vom Patienten bis zum Einsetzen der endgültigen Versorgung verwendet. Für die endgültige Restauration des Oberkiefers war eine auf Implantaten herausnehmbare, gaumenfreie teleskopgetragene Prothese geplant. Nach Freilegung der Implantate wurde die Prothese modifiziert, um ausreichend Platz für die Einheilabutments zu schaffen. Ein Duplikat der Prothese („duplicate of the denture“, DentDu) wurde aus transparentem Kunststoff (Paladur, Heraeus, Hanau) hergestellt (Abb. 1b). Das DentDu wurde anprobiert und kleinere okklusale Diskrepanzen korrigiert (Abb. 1c). Bissregistrate wurden in zentrischer Okklusion mit Modellierkunststoff (Pattern Resin®, GC, Alsip, IL, USA; Abb. 1c) genommen. Dabei wurden die Modelle der Originalprothese verwendet. Danach erfolgte mithilfe der Bissregistrate eine Kontrolle der Okklusion des DentDu in einem Artikulator (Abb. 2a). Zur Abformung wurde die geschlossene Abformtechnik unter Verwendung eines Übertragungssystem, bestehend aus einem Titanpfosten mit integrierter Kunststoffabdruckhülse (Pick-up, Dentegris, Duisburg; Abb. 2b), durchgeführt. Das DentDu wurde im Bereich der Implantate durch großzügiges Ausschleifen sorgfältig modifiziert, sodass es als individueller Abdrucklöffel verwendet werden konnte. Dies ermöglichte ein exaktes Einsetzen über die auf den Implantaten befindlichen Abdruckpfosten. Die Abformung erfolgte mit einem Polyethermaterial (Impregum, 3M ESPE, St. Paul, MI, USA). Während der Abformung wurde das DentDu mithilfe der Bissregistrate in zentrischer Okklusion gehalten (Abb. 3a).
Die Titan-Abdruckpfosten wurden mit den Implantatanalogen und mit den Kunststoff-Abdruckhülsen verbunden, die in das Abdruckmaterial eingebettet waren (Abb. 3b). Anschließend wurde ein Meistermodell hergestellt und mithilfe der Bissregistrate einartikuliert (Abb. 3c, 4a und b). Die Implantat-Abutments wurden mit individualisierbaren Abutments (Platin/Iridium PTIR, Dentegris, Duisburg) hergestellt. Parallelität, Angulation, Position und Form der Implantatabutments wurden mithilfe einer Vorwahl aus C-Silikon (Zetalabor, Zhermack SpA, Badia Polesine, Italien) festgelegt (Abb. 5). Zahnarzt und Zahntechniker haben zwei Alternativen bei der Auswahl der individualisierten Abutments:
1. Verwendung von individualisierbaren UCLA-Abutments (Fa. Dentegris, Duisburg) für den Guss mit einer Goldlegierung (z.B.: Portadur P4, Au 68,50%, Wieland, Pforzheim; Abb. 6a), oder
2. Verwendung von individualisierbaren Platin-Iridium-Abutments (PTIR, Dentegris, Duisburg) für den Guss mit einer Chrom-Kobalt-Legierung (CrCo) (z.B.: Ankatit, Anka Guss, Waldaschaff; Abb. 6b).
Nach dem Guss wurden die individualisierten Implantatabutments ausgearbeitet und poliert. Sie dienten als Grundlage für die Herstellung von Galvanokäppchen (AGC) aus reinem Gold mit einer Dicke von 0,25mm (AGC Galvanogold, Au > 99,9%, Wieland, Pforzheim; Abb. 6c).2–4 Danach wurde das Gerüst mit CAD/CAM konstruiert. Um eine korrekte Funktion des Gerüsts sicherzustellen, wurden sowohl das Gerüst als auch ein temporärer festsitzender Zahnersatz aus Kunststoff (ZENO-PMMA, Wieland, Pforzheim) gefräst. Die individualisierten Implantatabutments, die AGCs, das Kunststoffgerüst und das Provisorium lieferte das Dentallabor für die nächste klinische Sitzung. Die Abutments wurden mithilfe eines Transferschlüssels (Pattern Resin, GC, Alsip, IL, USA) übertragen, auf den Implantaten positioniert und mit 35Ncm angezogen (Abb. 7a und b). Die individualisierten Abutments wurden ab diesem Zeitpunkt nicht mehr abgenommen, um mögliche Ungenauigkeiten zu vermeiden. Die AGCs wurden auf die Implantatabutments (Abb. 7c) und das Kunststoffgerüst über die AGCs gesetzt sowie die Okklusion anhand der Bissregistrate überprüft (Abb. 8a und b). Es wurde eine endgültige Abformung mit einem Polyether-Abformmaterial (Impregum, 3M ESPE, St. Paul, MI, USA) mit den AGCs und dem Kunststoffgerüst genommen und zur Herstellung eines neuen bzw. endgültigen Meistermodells verwendet. Nach der Abformung wurde das Provisorium mit temporärem Zement (TempBond, Kerr, Orange, CA, USA) auf den Implantatabutments fixiert und bis zum Einsetzen der endgültigen Versorgung dort belassen (Abb. 8c).
Das neue Meistermodell wurde mithilfe der AGCs und des Kunststoffgerüstes einartikuliert. Das Metallgerüst wurde gefräst (im hier vorgestellten Fall aus Titan Zenotec TI, Wieland, Pforzheim; Abb. 9a). Die Verblendung
der Suprastruktur erfolgte mit einem lichthärtenden, indirekten Keramikkomposit (Ceramage, Shofu, Menlo Park, CA, USA; Abb. 9a–c). Die AGCs wurden mit einem selbsthärtenden Kompomerzement (AGC Cem, Wieland, Pforzheim) im Metallgerüst fixiert (Abb. 10).
Mögliche analoge Verwendung
Die gleichen Verfahren könnten darüber hinaus bei Fällen durchgeführt werden, bei denen ein festsitzender Zahnersatz für die Rehabilitation des gesamten Kiefers geplant wird (Abb. 11 a und b, Abb. 12a–c) sowie bei Fällen, bei denen noch einzelne natürliche Zähne parodontal stabil sind und als Pfeiler verwendet werden können, wobei die Immediat-Vollprothese als Deckprothese/Coverdenture gestaltet werden kann. Anhand dieser Deckprothese könnte ein DentDu hergestellt und wie oben beschrieben weiterverwendet werden (Abb. 13a–c). Für die Verblendung festsitzender Zahnersatzgerüste kann dann Keramik verwendet werden. Wenn die Angulation der Implantate keine Abdrucknahme wie beschrieben erlaubt und eine Abformung mit offenem Löffel vorzuziehen ist, wird das DentDu mit Fenestrationen versehen (Abb. 14).
Diskussion
Die Rekonstruktion des zahnlosen Kiefers mit implantatgetragenem Zahnersatz erfordert eine gründliche Planung sowie einen präzisen und passiven Sitz der Suprastruktur. Eine frühere Studie zeigte, dass ein passiver Sitz zwischen der Implantatsuprastruktur und den darunterliegenden Abutments entscheidend für den langfristigen Erfolg des Zahnersatzes ist.5 Um einen passiven Sitz zu erreichen, muss eine exakte Positionierung der Implantatanaloge im Meistermodell gewährleistet sein. Die Abdrucktechnik und die Verblockung (oder Nicht-Verblockung) der Abdruckpfosten gehören zu den Faktoren, die zu Fehlern bei der endgültigen Positionierung der Implantatanaloge beitragen können und so zu Ungenauigkeiten bei der Passform der endgültigen Suprastruktur führen.5–10 Darüber hinaus können die Angulation oder enge Nachbarschaft der Implantate das korrekte Einsetzen der Abdruckkäppchen und/oder Kappen behindern, was ebenfalls negative Auswirkungen auf die Registrierung der Implantatposition haben kann.11 Die präzise Aufzeichnung der maxillomandibulären oder interokklusalen Verhältnisse bzw. Kieferrelation ist eine Grundvoraussetzung für das Erreichen einer korrekten Okklusion und damit eines erfolgreichen Behandlungsergebnisses.1,10
Die zu Beginn angefertigte Prothese erlaubte die Bestimmung der Kieferrelation, Bisshöhe, Zahnform und -farbe sowie der Angulationen während der gesamten Einheilphase. So konnte sich der Patient allmählich an die Funktion und Ästhetik der Prothese gewöhnen. Mit der beschriebenen Methode der Verwendung eines Duplikats der Totalprothese als individuellen Löffel für den Abdruck wurde eine exakte Abformung und Registrierung erreicht. Deshalb war es nicht notwendig, alle normalerweise erforderlichen Schritte zur Kieferrelationsbeziehung, der Wachsaufstellung etc. bei der Anfertigung der endgültigen Restauration zu wiederholen. Wenn eine Abformung mit offenem Löffel bevorzugt wird, sind nur kleinere Abänderungen des Verfahrens erforderlich. In solchen Fällen ist es ratsam, zwei DentDu’s anzufertigen. Das erste DentDu sollte für die Abformung und das zweite für die restlichen Schritte verwendet werden. Die hier beschriebene Methode basierte auf einer früheren Veröffentlichung.12 Bei beiden Methoden wird ein DentDu angefertigt, das man für Abdrücke und Transfer verwendet. Bei der vorliegenden Methode wurden jedoch individualisierte Abutments anstelle eines Stegs sowie AGCs als Präzisionstransferkappen verwendet und Sekundärteleskope sowie andere Technologien für die Übertragung der Implantatposition und Herstellung der Suprastruktur angewandt.
Die Verwendung individualisierter Implantatabutments ermöglichen sowohl bessere Angulationen und Formgebung als auch eine verbesserte Kaukraftübertragung von der Krone zum Implantat und Knochen. Außerdem vereinfachen sie die Herstellung einer ästhetisch ansprechenden implantatgestützten Prothese. Zu den Faktoren, über die das Abutmentdesign zur Ästhetik beiträgt, gehören Veränderungen der Position der Krone sowie der Abmessung und/oder Form der restaurativen Plattform. Außerdem tragen Merkmale des Abutmentdesigns zur Gesundheit und Dimensionsstabilität des Weichgewebes bei. Aktuelle Versuche einer objektiven Ästhetikdefinition einer Implantatrestauration haben sich auf die periimplantären Schleimhautparameter konzentriert.13,14 Die Einführung des UCLA-Abutments bot eine individuelle Lösung für Implantatrestaurationen. Dieses Konzept der direkten Restauration auf dem Implantat sorgte für Anpassungsfähigkeit. Durch Aufwachsen und Gießen konnten Höhe, Durchmesser und Angulationen beeinflusst werden, um eine breite Palette von klinischen Lösungen für Probleme in Verbindung mit eingeschränktem Interokklusalabstand, Approximalabstand, Angulationen und damit verbundenen Weichgewebereaktionen zu bieten.15
Die individualisierten Implantatabutments dienten als Primärteleskope und die AGCs als Sekundärteleskope in Fällen, bei denen eine herausnehmbare Prothese mit teleskopierenden Kronen als Verbindungselement verwendet wurde. Die Verwendung von AGCs ist mit mehreren Vorteilen verbunden, sowohl in Kombination mit herausnehmbaren als auch festsitzenden Restaurationen. Die Galvanotechnik ergab ein präzise passendes Sekundärkäppchen, dass mit einer Spaltbreite von nur 12–30µm auf dem Implantatabutment sitzt. Das AGC spart Platz und besteht aus einem qualitativ hochwertigen Material.2–4 Die Verwendung der AGCs für die Abformung ermöglicht die exakte Übertragung der Form, Angulationen und Positionen der eingesetzten individualisierten Implantatabutments. Mithilfe des gefrästen Kunststoffgerüsts konnten auch die künftige Passform des mit CAD/CAM hergestellten Metallgerüsts beurteilt und notwendige Änderungen der Form der Restauration sowie der Okklusion vorgenommen werden. Die Durchführung dieser Änderungen an der Kunststoffmodellation war einfacher und weniger zeitraubend als am Metallgerüst. Außerdem war es dann möglich, diese per CAD/CAM auf das endgültige Gerüst zu übertragen. Darüber hinaus führte die Kunststoffmodellation fast zu einer „Verblockung“ der Galvano-Goldkäppchen während der Abformung, was eine exakte Übertragung der Abutmentposition ermöglichte. Gleichzeitig wurden die vertikale Höhe und die interokklusale Lagebeziehung aufgezeichnet.
Die Eingliederung einer gefrästen provisorischen Versorgung ermöglichte eine langsame und nicht progressive Belastung der Implantate, was zu einer Knochenremodellierung führt.16 Die Abutments wurden nach dem Einsetzen im Mund belassen. In Verbindung mit der Tatsache, dass ein neues Modell hergestellt wurde, verringerte dies weiter die Gefahr von Ungenauigkeiten während des Übertragungsvorgangs. Zusätzlich zu den bereits beschriebenen Vorteilen führte die Verwendung dieser Technik zu einer Verkürzung der benötigten Behandlungszeit am Stuhl. Bis heute wurde diese Methode jedoch nicht in Verbindung mit sofortiger Implantatbelastung verwendet. Die hier beschriebene Methode könnte für die Restauration des gesamten Zahnbogens sowohl mit festsitzenden als auch herausnehmbaren implantatgestützen Prothesen verwendet werden. Nachteile dieser Technik liegen in der Tatsache, dass sich auch Zahnärzte einige zusätzliche Fertigkeiten aneignen müssen und die Qualitätsanforderungen an die Arbeit des Zahntechnikers höher sind. Daraus resultieren die Notwendigkeit eines hochqualifizierten Dentallabors und damit verbunden höhere Zahntechnikerkosten als bei der Verwendung vorgefertigter Implantatabutments aus Titan. Zahnärzte und Patienten erwarten jedoch heute dieses Niveau an Genauigkeit, Präzision, langfristigem Erfolg und Ästhetik ihrer Restaurationen.
Schlussfolgerungen
Die hier beschriebene Methode ermöglicht eine exakte Abdrucknahme und Übertragung von Okklusion und vertikalen Dimensionen sowie der Implantatposition bei gleichzeitiger Vereinfachung der Versorgung ganzer Zahnbögen und Verkürzung der benötigten Behandlungszeit.