Implantologie 22.01.2013
Therapievorschlag: Implantologie, Augmentation und Vestibulumplastik
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Funktion und Ästhetik sind in der Implantologie unabdingbar miteinander verknüpft. Für den dauerhaften Erfolg einer Implantatinsertion ist ein ausreichend dimensionierter Knochen genauso wichtig wie eine gute und harmonische Weichgewebssituation. Unser Autor gibt im Folgenden anhand eines Patientenfalles einen Vorschlag für solch ein implantologisches Vorgehen mit Augmentation und Vestibulumplastik.
Für eine erfolgreiche Implantatinsertion muss nicht nur die Nachbarbezahnung beachtet werden, es muss auch das gingivoperiimplantäre Gewebe sorgfältig überprüft werden, um einem Einfallen der weichgewebigen und alveolären Strukturen bereits im Vorfeld entgegenwirken zu können. Nach Zahnextraktion kommt es zu einem Abbau der krestalen Knochenlamelle. Bei dieser Zone handelt es sich um den sogenannten Bündelknochen, der im vestibulären Bereich am stärksten resorbiert.4,6,7 Der Volumenverlust des Alveolarkamms scheint unvermeidbar zu sein und beträgt 35–50% in den ersten drei bis sechs Monaten.3,8 Gleichzeitig kommt es zu einer Verschiebung der krestalen keratinisierten Gingiva, ein negativer Nebeneffekt dieses Abbauprozesses. Ein gutes Langzeitergebnis kann heutzutage durch geeignete Maßnahmen eingeleitet werden. In der Literatur werden diverse augmentative Konzepte vorgestellt1 – 3 wie zum Beispiel die Socket und Ridge Preservation-Technik.4,5 Bei solchen kleineren Augmentationen kann nach circa drei Monaten im Oberkiefer und nach circa drei bis vier Monaten im Unterkiefer implantiert werden. Bei einer zu frühen Implantation besteht die Gefahr, dass sich das Aufbaumaterial während der Implantatbettaufbereitung ablöst.9,10 Bei zu langer Wartezeit kann eine stärkere Atrophie einsetzten. Die Gingiva sollte zum Zeitpunkt der Implantation die augmentierte Region mindestens seit zwei Wochen bedeckt haben.11
Präoperative Analyse
Die präoperative Analyse umfasst das sorgfältige Betrachten des Orthopantomogramms/DVTs, die Modellanalyse, die Definition des Gingivabiotyps und der befestigten Gingiva, die minutiös erhobene Anamnese und das Aufklärungsgespräch. Gerade bei komplexen Fällen kann eine notwendige größere Augmentation eine erhöhte Morbidität mit sich bringen, über die im Vorfeld genau aufgeklärt werden muss. Das „Backward Planing“ ermöglicht dem Operateur, das prothetische Ziel schon vor der Operation zu definieren. Die Implantatposition und das benötigte Knochenvolumen können dabei über die dreidimensionalen Schichtaufnahmen der digitalen Volumenentomografie (DVT) bei einer im Vergleich zum CT deutlich geringeren Strahlenbelastung und besseren Darstellung der limitierenden anatomischen Strukturen deutlich gemacht werden.12 In der folgenden Falldarstellung wird die Insertion zweier Implantate (XiVE, DENTSPLY Friadent) in die Region 35 und 36 vorgestellt. Das prothetische Ziel ist eine zahn-implantatgetragene Verbundbrücke. Auf- grund der in der Literatur beschriebenen ca. 10 % höheren Verlustquote13,14 sollte der rein zahn- bzw. implantatgetragenen Restauration der Vorzug gegeben werden. Ausnahmen bestätigen auch hier die Regel im Kompromiss (Abb. 1 und 2).
Behandlungplanung
Nach Abschluss der Aufklärungs- und Planungsphase, welche in der Regel mit der Erstellung und Genehmigung des Heil- und Kostenplans sowie dem Einverständnis des Patienten endet, sollte ein klares zeitliches Behandlungskonzept vorgegeben und mit dem Patienten besprochen werden. Unsere Patientin zeigte sowohl allgemein-anamnestisch wie auch zahnärztlich-anamnestisch keine Auffälligkeiten. Es bestanden weder absolute noch relative Kontraindikationen für eine Implantation. Die parodontologische Vorbehandlung nimmt einen besonderen Stellenwert ein. Für die Bestimmung des individuellen Parodontitis-Risikoprofils kann das Risikoevaluationshexagon nach Lang und Tonnetti verwendet werden. Im Falle der positiven Diagnose schließt sich in unserer Praxis die Vorbehandlungsphase an, in deren Rahmen die Hygienephase eine zentrale Rolle spielt. Professionelle Zahnreinigungen dienen dabei dazu, den Patienten in die Lage zu versetzen, eine suffiziente Mundhygiene auszuüben. Die Modellanalyse zeigte uns einen relativ schmalen, spitz zulaufenden Alveolarkamm und eine im Sinne deutlicher Abflachung und Bewegungseinschränkung der Wangenregion schmales Band befestigter Gingiva.
Die Behandlung wurde in folgende Schritte unterteilt:
- 1. Termin: Entfernung der vorhandenen Prothetik mit klinischer Reevaluation der prothetischen Wertigkeit der Pfeilerzähne und Abdrucknahme für ein laborgefertigtes, gefrästes Langzeitprovisorium.
- 2. Termin: Insertion zweier Implantate 3,4 x 11 mm und 3,8 x 9 mm mit gleichzeitiger Augmentation und anschließender geschlossener Einheilung, Eingliederung des Langzeitprovisoriums.
- 3. Termin: Nach vier Monaten Implantatfreilegung.
- 4. Termin: NachzweiWochenAbdrucknahme.
- 5. Termin: Eingliederung der prothetischen Restauration.
- 6. Termin: Vestibulumplastik.
Nach Entfernung der vorhandenen Prothetik wurde die Wertigkeit der zukünftigen prothetischen Pfeiler klinisch neu bewertet und ein Abdruck für ein gefrästes, laborgefertigtes Langzeitprovisorium nach bekannten Modalitäten durchgeführt. Die Patientin erhielt zunächst ein direkt angefertigtes Provisorium. Nun wurde die chirurgische Phase eingeleitet (Abb. 3).
Chirurgisches Vorgehen
Im Hinblick auf die Schnittführung sollte, wenn möglich, weitgehend auf vertikale Entlastungen verzichtet werden. Einen wesentlichen Punkt betrifft die Nahttechnik. Hier wird über Nadelform, Nahtmaterial und dessen Stärke die Wundheilung im Positiven wie auch Negativen beeinflusst. In der Regel wird eine optische Sehunterstützung erforderlich sein, um die Gewebespezifität erkennen und mit dem entsprechenden Mikroinstrumentarium und den Materialien arbeiten zu können. Bei kleineren Augmentationen bekommt der Patient eine Stunde vor der Operation eine Antibiose in Form von 600 mg Clindamycin. Nach Freilegung des OP-Feldes und Darstellung des Implantatlagers muss klar definiert werden, wie breit das Knochenplateau krestal eingeebnet werden kann, um die Implantatbohrungen bis auf den geplanten Durchmesser aufbereiten zu können, ohne die wichtige vestibuläre Knochenlamelle in ihrer geforderten Minimalstärke zu gefährden. Dabei sollte die anatomisch bedingte Limitation nach basal durch den Nervus alveolaris inferior immer präsent sein.
Nach Implantatinsertion darf die vestibuläre Knochenlamelle die Stärke von 1mm nicht unterschreiten. Die von Grunder, Gracis und Capelli 2005 angegebenen Abstände zwischen Zahn und Implantat von 1, besser 2 mm und zwischen zwei Implantaten von 3, besser 5 mm, müssen ebenfalls beachtet werden. Nach der Implantation wurde die Augmentation durchgeführt. Das Bio-Oss-Granulat wurde in der Körnung 1–2 mm gewählt und kann zusätzlich mit Eigenknochen und/oder Eigenblut vermengt werden. Eine ausreichend hohe Standzeit, verbunden mit einer langsamen Resorption durch Osteoklasten, führt zu einem kontrollierten Knochenum- und Knochenaufbau (Abb. 4–6). Die Bio-Gide-Membran wird zeltartig über das Augmentat gestülpt. Im Anschluss werden die Wundflächen speicheldicht, spannungsfrei und passiv mit einer Naht der Stärke 4-0 vernäht. Nach erfolgter Heilung per priman kann die Naht nach sieben Tagen entfernt werden (Abb. 7 und 8). In diesem Fall erfolgte nach vier Monaten die Freilegung und nach weiteren vier Wochen die Vestibulumplastik. Beide Eingriffe wurden in diesem Fall mit einem Diodenlaser (810 nm) durchgeführt. Diese Schritte sind natürlich auch mit dem Skalpell durchführbar. Die Vorteile des Lasers im Vergleich zur Skalpelltechnik sind die verkürzte Behandlungsdauer mit einer guten Wundheilung, die fehlende Naht, kaum auftretende Schmerzen und, darauf aufbauend, eine gute Patientencompliance. Nachdem das Weichgewebe einem ansprechenden Emergenzprofil gleicht, wurde zwei Wochen nach Freilegung mit der Abdrucknahme die prothetische Phase eingeleitet. Zusammen mit dem Zahntechniker wird die Art des Implantataufbaus ausgewählt (Abb. 9). Die Restauration wird nach entsprechender Gerüsteinprobe und Bissregistrierung dann provisorisch eingegliedert.
Postoperative Maßnahmen
Nach Abschluss der prothetischen Phase imponierte in unserem Fall eine unzureichende Höhe perimplantärer, keratinisierter Gingiva. In Abhängigkeit vom Gingivabiotyp und der Resistenzlage des Patienten ist eine 2–3 mm breite Zone befestigter Gingiva periimplantär wünschenswert. Die Frage nach der Notwendigkeit einer befestigten Mukosa an Implantaten ist in der Literatur nicht eindeutig geklärt. Auch wenn ein evidenzbasierter Nachweis zzt. aussteht, ist ausklinischer Sicht die Gesundheit periimplantärer Mukosa mit der Qualität der umgebenden Gewebestruktur verbunden.
Die Vestibulumplastik ist seit den 1960er-Jahren in der Parodontologie, Oralchirurgie und Perioprothetik bekannt. Es werden verschiedene Techniken beschrieben. Die Zielsetzung ist immer gleich: die Verbreiterung der keratinisierten fixierten Gingiva. Dieser Eingriff kann dabei vor der Extraktion/Explantation, vor einer Augmentation, nach Implantation, mit der Freilegung oder postprothetisch erfolgen. Diese Technik kann konkret auch im Zusammenhang mit einer Weichgewebsverdickung (Biotypswitching) bei einem Gingivabiotyp A, mit der Rezessionsdeckung oder mit Entfernung der Lippen-/Wangenbändchen einhergehen. Bei leichtem Zug der Lippe wird dabei nach erfolgter Anästhesie ein Spaltlappen präpariert. Dabei versucht man möglichst gleichmäßig supraperiostal zu bleiben und den Schnitt in der Breite über die Nachbarzähne hinaus zu extendieren. Hier wurde dafür ein Diodenlaser verwendet. Die 300-μm-Faser muss zügig über das Operationsfeld auf Kontakt geführt werden, um die optimale Energiedichte pro Fläche zu erzeugen. Bei dieser Technik dient das Periost bei der anschließenden freien Granulation als Grundlage für die Wundheilung. Dabei müssen inserierende Bänder in Längsrichtung exzidiert werden (Abb. 10). Der Patient darf postoperativ den Fibrinbelag keinesfalls mit Eiter verwechseln. Es sollte möglichst auf säurehaltige Getränke verzichtet werden, um eine beschwerdefrei ablaufende Heilung zu gewährleisten. Die Wundheilung ist nach circa vier Wochen vollständig durch Epithelisierung abgeschlossen. Man hat im Ergebnis knapp 2 mm keratinisierte Gingiva hinzugewonnen und kann bei regelmäßig durchgeführtem Recall von einem stabilen Langzeitergebnis ausgehen (Abb. 11 und 12).
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