Oralchirurgie 30.10.2013

Phentolaminmesilat zur Verkürzung der Gewebeanästhesie



Phentolaminmesilat zur Verkürzung der Gewebeanästhesie

Foto: © Sanofi-Aventis Deutschland GmbH

Übersicht und erste klinische Erfahrungen

Einer der Nachteile der üblichen örtlichen Betäubung für routinemäßig durchgeführte Eingriffe beim Zahnarzt ist die lange anhaltende Taubheit im Weichgewebe mit durchschnittlich drei bis fünf Stunden (Hersh et al.1995, Malamed 2004). Dies gilt gerade für kurze Therapiemaßnahmen, die nur mit geringen Schmerzen nach dem eigentlichen Eingriff verbunden sind. Seit 15. März 2013 gibt es in Deutschland nun eine Behandlungsalternative, die ein schnelleres Abklingen von Lokalanästhesien bewirkt. Prof. (Shandong University, China) Dr. med. Frank Liebaug gibt hierzu im Folgenden eine Übersicht und vermittelt erste klinische Erfahrungen.

Die Lokalanästhesie hat in der zahnärztlichen Praxis einen hohen Stellenwert. Das dokumentiert bereits die Zahl von jährlich rund 70 Millionen Injektionen zur Lokalanästhesie bei zahnmedizinischen Eingriffen in Deutschland (Daubländer und Kämmerer 2011). Obwohl die Komplikationsrate insgesamt sehr niedrig ist, gilt es zu beachten, dass die Patienten die Injektion zur Lokalanästhesie oft wie die „Visitenkarte ihres Zahnarztes“ wahrnehmen – ist sie doch für den Patienten der Behandlungsschritt, mit dem in aller Regel die zahnmedizinische Behandlung eingeleitet wird. Die Injektion sollte deshalb möglichst schmerzarm erfolgen, zumal der Patient an seinem Befinden bei der „Spritze“ nicht selten ganz unmittelbar die „Qualität“ seines Zahnarztes bemisst und auch die Frage, ob er diesen künftig weiter konsultieren wird. Es gibt somit eine Reihe guter Gründe, sich um die Lokalanästhesie intensiv zu bemühen und sich gut darüber zu informieren, wie die Injektion für den Patienten optimal zu gestalten ist. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Patienten in die Entscheidung, ob eine Lokalanästhesie erfolgen soll oder nicht, einbezogen werden. Gibt es unterschiedliche Möglichkeiten der Lokalanästhesie, so ist es ratsam, den Patienten darüber zu informieren und das konkrete Vorgehen mit ihm gemeinsam zu besprechen. Das hat positive Rückwirkungen auf die Arzt-Patienten-Beziehung und unterstützt damit generell den Erfolg der Behandlung.

Handelsübliche Dosierung der klinisch zu verwendenden Lokalanästhetika

Je nach klinischer Indikation sind die Substanzen für die dentale Lokalanästhesie in unterschiedlichen Konzentrationen erhältlich. Articain (z. B. UItracain von Sanofi-Aventis, Deutschland GmbH) ist in 4%iger Wirkstoffkonzentration verfügbar. Es ist erhältlich mit einem Vasokonstriktorzusatz (Adrenalin) von 1 : 100.000 (Wirkdauer ca. 75 Min.), 1 : 200.000 (Wirkdauer ca. 45 Min.) oder als adrenalinfreie Anwendung für die kleinen Eingriffe von ca. 20 Min. sowie für Risikopatienten, die kein Adrenalin erhalten dürfen. Lidocain ist in 2 %iger Konzentration mit Zusätzen von 1 : 100.000 bzw. 1 : 50.000, Mepivacain als 3 %ige Lösung ohne Vasokonstriktor und Prilocain in 3 %iger Konzentration mit Felypressinzusatz (1 : 1.850.000; entspricht 0,03 lE pro ml) erhältlich. Der Zusatz von Adrenalin bis zu einer Verdünnung von 1 : 200.000 erniedrigt die Plasmaspiegel der Lokalanästhetika signifikant. Eine hohe Adrenalinkonzentration (1 : 100.000) sollte nur angewendet werden, wenn aus Gründen der Übersicht eine ausgeprägtere Vasokonstriktion notwendig wird. Noch höhere Konzentrationen sollten aufgrund des ansteigenden Nebenwirkungsrisikos nicht eingesetzt werden. Generell kann man davon ausgehen, dass die von den Herstellern empfohlenen Dosierungen so hoch sind, dass eine vollständige Wirkung erzielt wird. Daher kann es möglich sein, auch mit geringeren Dosierungen eine vollständige Wirkung zu erzielen.

Einfluss der Applikationstechnik auf die Wirkdauer

Die intraligamentäre Injektion zeigt allgemein die kürzeste Wirkdauer, gefolgt von der Infiltrationsanästhesie (Liebaug und Wu 2011). Die längste Wirkdauer wird bei der Leitungsanästhesie erreicht. Im Durchschnitt beträgt die lokalanästhetische Wirkdauer bei den handelsüblichen Lidocain- und Articainzubereitungen (mit Vasokonstriktorzusatz) an der Pulpa etwa eine Stunde. Im Weichgewebe ist die Wirkung deutlich verlängert (Daubländer und Kämmerer 2011).

Bestandteile lokalanästhetischer Zubereitungen

Handelsübliche Lokalanästhetika stellen in der Regel Kombinationspräparate aus dem lokalanästhetischen Wirkstoff und einem Vasokonstriktor (Adrenalin oder Vasopressin-Derivate) dar. Katecholamine oxidieren leicht mit der Folge des Wirkverlustes. Daher ist es üblich, ein Antioxidans, meist Natriumdisulfit, beizusetzen. Zugelassen für die zahnärztliche Lokalanästhesie sind in der Bundesrepublik Deutschland die Präparate Articain, Lidocain, Mepivacain und Prilocain. Da in der Mundhöhle nur begrenzte Volumina injiziert werden können, sind sie meist höher konzentriert als die in der Allgemeinmedizin verwendeten Lösungen. Die Anwendung einer geringeren Konzentration kann bei großen zu anästhesierenden Gebieten und bei Patienten mit einem geringeren Körpergewicht (Kindern) sinnvoll sein.

Auswahl des Präparates bei zahnärztlichen Eingriffen

Vor der Applikation müssen Wirksamkeit und Sicherheit des Präparates, Art der Applikation und des Eingriffs, Anwendungsbeschränkungen sowie Kontraindikationen und MaximaIdosen aller beteiIigten Komponenten berücksichtigt werden. Das optimale Lokalanästhetikum besitzt eine ausgeprägte Wirksamkeit und der BehandIungszeit angepasste Wirkdauer bei geringer systemischer Toxizität. Sollte eine Vasokonstriktion nicht erforderlich und eine kurze Wirkdauer ausreichend sein, ist ein Verzicht auf den Vasokonstriktor empfehlenswert. Lösungen ohne Adrenalin und damit auch ohne den Zusatz Natriumdisulfit sollten bei allen Patienten mit Kontraindikationen gegen diese Substanzen appliziert werden. Die Wirkdauer liegt nach Infiltration bei nur 15–20 Minuten, bei der Leitungsanästhesie ist mit einer gering längeren Wirkung zu rechnen.

Pharmakologie der Vasokonstriktoren

Bei allen klinisch einsetzbaren dentalen Lokalanästhetika ist eine vasodilatative Wirkung – und damit eine Beschleunigung der eigenen Resorption – zu beobachten. Das Ausmaß (Procain: hoch; Prilocain, Mepivacain: minimal) variiert und hängt nicht zuletzt vom Ort der Injektion und vom individuellen Patienten ab. Die Vasodilatation kann durch den Einsatz von Vasokonstriktoren aufgehoben werden. Das Lokalanästhetikum wird durch die entstehende lokale Verengung der Arterien und Arteriolen am Injektionsort fixiert. Auch innerhalb der peripheren Nerven-Gefäß-Stränge wird der Blutfluss reduziert. Insgesamt entsteht so eine Wirkdauerverlängerung durch eine verminderte systemische Absorption der lokalanästhetischen Substanzen. Der Zusatz von Vasokonstriktoren ermöglicht zudem, besonders beim Einsatz in gut vaskularisierten Arealen, eine Minimierung des Blutverlustes und eine optimale Übersicht auf den operativen Situs sowie eine erwünschte Ischämie im Gingivabereich bei subgingivalen Präparationsgrenzen in Zusammenhang mit konservierenden oder prothetischen Therapiemaßnahmen.

Lang anhaltende Taubheit nach zahnärztlichen Routineeingriffen in Lokalanästhesie für Patienten oft subjektiv störend

Einer der Nachteile der üblichen örtlichen Betäubung für routinemäßig durchgeführte Eingriffe beim Zahnarzt ist die lange anhaltende Taubheit im Weichgewebe mit durchschnittlich drei bis fünf Stunden (Hersh et al. 1995, Malamed 2004). Dies gilt gerade für kurze Therapiemaßnahmen, die nur mit geringen Schmerzen nach dem eigentlichen Eingriff verbunden sind (Abb. 1). Hierzu zählen:

  • Zahnreinigung,
  • subgingivale Zahnsteinentfernung,
  • Wurzelglättung,
  • Präparation von Füllungskavitäten und die Präparation von Inlays, Teilkronen, Kronen und Brückenpfeilern – sowie endodontische Therapien.

Nach solchen Behandlungsmaßnahmen empfinden erwachsene Patienten die anästhesiebedingten Einschränkungen beim Sprechen, Lächeln, Essen und Trinken als ausgesprochen unangenehm (Hersh et al. 2008, Laviola et al. 2008). Auch unkontrollierter Speichelfluss kann zu Peinlichkeiten führen. Bei Kindern kommen bei anhaltender Betäubung versehentliche Bisse in Lippen, Zunge und Wangen vor (Tavares et al. 2008). Manche Kinder neigen auch zum Kauen auf der anästhesierten Lippe mit daraus resultierender Hämatombildung und Schwellung, welche dann auch noch Tage nach der eigentlichen Behandlung anhalten kann. So wurden in einer prospektiven Studie an 320 Kindern nach einer Unterkieferleitungsblockade je nach Alter bei 13–18 Prozent der Kinder Bissverletzungen nachgewiesen (College et al. 2000).

So war es kein Wunder, dass seit langer Zeit die zahnärztlichen Behandler und ihre Patienten den Wunsch hatten, diese subjektiv als unangenehm empfundene Taubheit so schnell wie möglich nach der eigentlichen Behandlung wieder zu verlieren. In meinem täglichen Patientengut wurde ich von einigen Berufsgruppen wie Rechtsanwälten, Lehrern, Verkäufern oder im Management tätigen Menschen darauf angesprochen, ob es eine Möglichkeit oder ein Gegenmittel für die zunächst erwünschte Schmerzausschaltung gäbe, da sie oft unmittelbar oder zeitnah nach der notwendigen zahnärztlichen Therapiesitzung wieder ihren beruflichen Verpflichtungen nachkommen müssten.

Seit 15. März 2013 gibt es in Deutschland nun eine solche Behandlungsalternative, die in den USA schon seit einigen Jahren bekannt ist. Bei der hierzu benötigten Substanz handelt es sich um Phentolaminmesilat, welches bereits seit 1952 in der inneren Medizin als Vasidilatator eingesetzt wurde.
Im Jahr 2008 wurde Phentolaminmesilat von der US-amerikanischen FDA zur submukosalen Injektion unter dem Handelsnamen OraVerse® für ein schnelleres Abklingen von Lokalanästhesien und der damit verbundenen anhaltenden Taubheit von Lippen und Zunge zugelassen (siehe Fachinformation OraVerse®, Sanofi-Aventis Deutschland GmbH, Februar 2012). Diese Zulassung ist auf Lokalanästhetika mit Zusatz eines Vasokonstriktors beschränkt. Kinder unter sechs Jahren oder mit einem Körpergewicht unter 15kg dürfen wegen fehlender klinischer Daten das Präparat nicht erhalten! Die Substanz selbst ist schon seit Jahrzehnten bekannt. Ursprünglich zur Hypertoniebehandlung entwickelt, wird der kompetitive nicht selektive Alpha-1- und Alpha-2-Adrenorezeptorenblocker heute hauptsächlich zur Diagnose und Behandlung der schweren Hypertonie bei Patienten mit Phäochromozytom, einem adrenalinbildendenTumor der Nebenniere, eingesetzt (Manhem und Wahrenberg 2002, Rhoney und Peacock 2009).

Pharmakologie und Wirkungsmechanismus von Phentolaminmesilat

Die zahnmedizinisch angewandten Dosen von 0,4 mg Phentolaminmesilat pro Zylinderampulle liegen weit unter den intramuskulär und intravenös üblichen Dosen von 5–10mg bei Erwachsenen. Bei jenen Dosierungen kommt es zu einer deutlichen Blutdrucksenkung durch Vasodilatation, da Adrenalineffekte an Alpha-1- und Alpha-2-Rezeptoren antagonisiert werden. Bei den niedrigen Dosen (0,2–0,8 mg) hingegen, die in den zahnmedizinischen Studien angewandt wurden, wurden keine signifikanten kardiovaskulären Effekte beobachtet (Hershetal.2008, Laviolaetal.2008, Tavaresetal.2008). Da publizierte Studien zur Pharmakokinetik nach intravenöser Gabe fehlen, kann kein direkter Vergleich der Plasmaspiegel durchgeführt werden. Unter Annahme einer linearen Pharmakokinetik dürften jedoch die Plasmakonzentrationen nach intravenöser Gabe von 5–10 mg Phentolaminmesilat theoretisch um das etwa Hundertfache höher liegen als nach submukosaler Injektion von 0,4 oder 0,8 mg. Angesichts so niedriger Blutspiegel nach der dentalen Dosierung erklärt sich wahrscheinlich das Nichtauftreten kardiovaskulärer Nebenwirkungen in den durchgeführten klinischen Studien, selbst bei versehentlicher intravaskulärer Injektion.

Die Injektion von Phentolaminmesilat bewirkt über eine lokale Vasodilatation einen schnelleren Abtransport des Lokalanästhetikums von der Injektionsstelle (Moore et al. 2008; Abb. 2). In der Bundesrepublik Deutschland ist Phentolaminmesilat unter dem Präparatenamen OraVerse® der Firma Sanofi-Aventis Deutschland GmbH erhältlich (Abb. 3).

Bezeichnung des Arzneimittels
OraVerse® 400 Mikrogramm pro 1,7 ml Injektionslösung.

Qualitative und quantitative Zusammensetzung
Phentolaminmesilat 400 Mikrogramm in 1,7 ml Injektionslösung (235 Mikrogramm/ml). Sonstige Bestandteile mit bekannter Wirkung: Natrium 0,5 mg in 1,7 ml. Vollständige Auflistung der sonstigen Bestandteile in der Fachinformation des Herstellers.

Darreichungsform
Injektionslösung in Patronenform für spezielle Injektionssysteme mit Aspirationsmöglichkeit (z.B. Unijekt, Sanofi-Aventis Deutschland GmbH) (Abb. 4–7). Klare, farblose, isotonische Lösung ohne Konservierungsmittel. Der pH-Wert der Lösung liegt zwischen 3,5 und 4,5.

Klinische Angaben

1. Empfohlene Anwendungsgebiete
Aufhebung der Gewebeanästhesie (Lippen und Zunge) und der damit einhergehenden funktionellen Defizite im Zusammenhang mit der intraoralen submukösen Injektion eines Lokalanästhetikums mit Catecholamin-Vasokonstriktor (wie zum Beispiel Epinephrin) nach zahnmedizinischen Routineeingriffen wie:

  • Zahnreinigung,
  • Entfernen von Zahnstein und subgingivalen Konkrementen (Abb. 8)
  • Wurzelglättung,
  • Präparation von Kavitäten zum Einsetzen von Füllungen und Kronen (Abb. 9–12)
  • endodontische Therapie, insbesondere bei Vitalexstirpationen (Abb. 13)

Das Präparat wird angewendet bei Erwachsenen und Kindern im Alter von sechs Jahren und älter und mit einem Körpergewicht von mindestens 15 kg.

2. Dosierung und Art der Anwendung
Dosierung bei Erwachsenen: Die empfohlene Dosis basiert auf der Anzahl der zuvor verabreichten Patronen an Lokalanästhetikum mit Vasokonstriktor, wie die Abbildung 14 als Beispiel illustrieren soll. Eine entsprechende Anweisung über die Dosierung wird durch Tabelle 1 gegeben. Die maximal empfohlene Dosis beträgt für Erwachsene zwei Patronen OraVerse® (entspricht 800 Mikrogramm Phentolaminmesilat) und für Kinder bis elf Jahre nur eine Patrone. Dosierung bei Kindern und Jugendlichen: Wie auch bei Erwachsenen basiert die empfohlene Dosis des Präparats bei Kindern und Jugendlichen auf der Anzahl der verabreichten Patronen an Lokalanästhetikum mit Vasokonstriktor. Die zu verabreichende Höchstdosis sollte auf der Basis von Alter und Körpergewicht des Patienten nach Tabelle 2 bestimmt werden. Die Wirksamkeit des Präparats bei Kindern unter sechs Jahren ist bisher noch nicht nachgewiesen! Deshalb darf in dieser Altersgruppe keine Anwendung erfolgen!

Besondere Patientengruppen
Patienten mit eingeschränkter Leberfunktion: OraVerse® wurde nicht an Patienten mit eingeschränkter Leberfunktion untersucht. Da Phentolaminmesilat vorwiegend in der Leber verstoffwechselt wird, darf es bei Patienten mit eingeschränkter Leberfunktion laut Fachinformation des Herstellers nur mit Vorsicht angewendet werden. Ich rate in diesen Patientenfällen von der Applikation ab. Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion: Bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion ist keine Dosisanpassung erforderlich, da Phentolaminmesilat vorwiegend in der Leber verstoffwechselt wird und weniger als 10 Prozent der Substanz unverändert im Urin ausgeschieden werden. Ältere Patienten: Bei älteren Patienten ist keine Dosisanpassung des Präparats erforderlich.

Klinische Durchführung und dentale Anwendung
OraVerse® ist als intraorale submuköse Injektion nach dem zahnmedizinischen Eingriff zu verabreichen. Dabei ist bzw. sind die gleichen Lokalisation(en) und Technik(en) (Infiltration oder Blockinjektion) anzuwenden wie zuvor bei der Verabreichung des Lokalanästhetikums. Zu beachten ist, dass unbedingt für die Applikation bzw. Injektion des Präparats der gleiche Injektionsort aufgesucht wird wie bei der vorher durchgeführten Applikation des Lokalanästhetikums mit Vasokonstriktorzusatz. Die Patrone muss mit einem geeigneten Spritzensystem angewendet werden, das eine Aspiration vor und während der Injektion der Lösung ermöglicht. Ich verwende hierzu das Unijekt®K-Spritzensystem, da die Konstruktionselemente eine sichere Aspiration während des Injektionsvorganges zulassen (Abb. 5–7).  Eine Überfüllung der Patrone bis zu 0,2 ml durch den Hersteller ermöglicht eine Aspiration vor und während der Verabreichung.

3. Gegenanzeigen
Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff Phentolaminmesilat oder einen der sonstigen Bestandteile.

4. Besondere Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung
Die Patienten sind darauf hinzuweisen, dass sie nichts essen oder trinken sollten, bis die normale Sensibilität im Mundbereich wiederhergestellt ist. Das Präparat darf nicht angewendet werden, wenn es eine Verfärbung oder Partikel aufweist. Es wird nicht empfohlen, OraVerse® im Rahmen von komplexen zahnmedizinischen Eingriffen anzuwenden, bei denen Schmerzen oder Blutungen nach dem Eingriff erwartet werden. Es liegen nur begrenzt Daten zur Anwendung bei Patienten mit erhöhtem Blutungsrisiko, wie z.B. mit Antikoagulanzien behandelten Patienten, vor. Das Präparat darf bei diesen Patienten wegen des erhöhten Risikos für Blutungen an der Injektionsstelle nur mit Vorsicht angewendet werden. Um das Risiko einer intravasalen Injektion zu vermeiden, muss vor und während der Injektion des Präparats eine Aspiration erfolgen. Wird dabei Blut aspiriert, muss die Nadel so lange neu positioniert werden, bis bei der Aspiration kein Blut mehr auftritt. Da es bei Anwendung von Phentolaminmesilat und anderen alpha-adrenergen Blockern zu Hypotonie, Tachykardie und Herzrhythmusstörungen kommen kann, muss der Zahnarzt besonders auf Anzeichen und Symptome derartiger Ereignisse achten. Das Präparat wird nicht empfohlen bei Patienten mit schwerer oder nicht medikamentös eingestellter kardiovaskulärer Erkrankung. Das Präparat enthält Natrium, aber weniger als 1 mmol (23 mg) Natrium pro Patrone.

5. Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln und sonstige Wechselwirkungen
Es sind keine klinischen Arzneimittelwechselwirkungen bekannt. Nach Verabreichung von OraVerse® als intraorale submuköse Injektion 30 Minuten nach Injektion eines Lokalanästhetikums mit 2 % Lidocain-HCl und 1 : 100.000 Epinephrin stieg die Lidocain-Plasmakonzentration unmittelbar nach der intraoralen Injektion an.

Zusammenfassung

OraVerse® ist das erste und bisher einzige reversierende Präparat zur Aufhebung einer dentalen Lokalanästhesie mit Vasokonstriktor auf dem bundesdeutschen Arzneimittelmarkt. Zu beachten ist, dass das Präparat erst nach Abschluss der zahnärztlichen Routinebehandlung injiziert wird. Außerdem ist unbedingt ein Injektionssystem mit Aspirationsmöglichkeit zu verwenden. Die handelsüblichen Spritzensysteme, die sowohl einen Ring zum Zurückziehen des Spritzenstempels für den Daumen als auch Krallen für den Gummistopfen der Wirkstoffpatrone enthalten, sind zu favorisieren (Abb. 4–7). Insgesamt scheint die Gabe von Phentolaminmesilat sowohl bei Erwachsenen als auch bei Kindern schon ab einem Alter von sechs Jahren eine gut verträgliche und effektive Methode zu sein, um die Dauer einer lokalen Betäubung abzukürzen (Hersh et al. 2008, Laviola et al. 2008, Tavaresetal.2008). Erste Sicherheitsdaten weisen auf ein vorteilhaftes Verträglichkeitsprofil bereits bei Kindern ab vier Jahren hin (Tavares et al. 2008). Diese Altersgruppe darf aber, bis weitere gesicherte Ergebnisse vorliegen, nicht in die Anwendung einbezogen werden. Ausgehend von einer früheren Studie (Rafique et al. 2003), in der 22 Patienten entweder mittelgradige (86 Prozent) oder sogar hochgradige (14 Prozent) Unzufriedenheit mit der anhaltenden Betäubung nach einem zahnärztlichen Routineeingriff kundtaten, kann man davon ausgehen, dass vielen Erwachsenen und Jugendlichen eine Abkürzung der Lokalanästhesiewirkung mit Phentolaminmesilat entgegenkommen dürfte. Wünschenswert scheint auch die Möglichkeit einer Anästhesieabkürzung im kinderzahnärztlichen Bereich, jedoch muss noch abgewartet werden, ob diese wirklich zu einem Rückgang von Lippen- und Zungenbissen führt.

Die Patientenvorteile auf einen Blick:

  • Schneller wieder normal sprechen können
  • Schneller wieder essen und trinken können
  • Sicherer Schutz vor Bissverletzungen im anästhesierten Weichgewebsbezirk
  • Normale Gesichtsmimik schon kurze Zeit nach der Behandlung

Nach meinen ersten klinischen Erfahrungen verkürzt das beschriebene Arzneimittel die für den Patienten oft belastende Weichgewebsanästhesie um mehr als 50 Prozent.

Die vollständige Literaturliste finden Sie hier.

*1 Mod. nach Fachinformation Ultracain® D-S/D-S forte, Stand Oktober 2009, und Hersh et al.: Reversal of soft-tissue local anesthesia with phentolamine mesylate in adolescents and adults. J Am Dent Assoc.2008Aug;139(8):1080–93.

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