Implantologie 10.03.2016
Anwendung einer neuen resorbierbaren Kollagenmembran
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Die gesteuerte Knochenregeneration (GBR) kann heutzutage als therapeutisches Standardverfahren zum Aufbau knöcherner Defekte in der Implantologie sowie in der Oral- und Kieferchirurgie angesehen werden.4 Aktuelle systematische Reviews zeigen, dass die GBR--Technik ein zuverlässiges Verfahren, insbesondere zum horizontalen Aufbau des Alveolarfortsatzes, darstellt.3,5,6 Das Prinzip dieses Verfahrens beruht auf der Isolation potenziell regenerativer Zelltypen durch den Einsatz resorbierbarer oder nicht resorbierbarer Membranen.1,10,12 Neben der Barrierefunktion müssen Membranen für die GBR-Technik eine hohe Biokompatibilität und Formstabilität sowie ein einfaches Handling aufweisen.1,9
Während in der Anfangsphase der GBR-Technik überwiegend nicht resorbierbare Membranen eingesetzt wurden, sind heutzutage in der klinischen Anwendung vermehrt resorbierbare Membranen verbreitet, die aus bovinem und porkinem Kollagen Typ I und III gewonnen werden.10–12,14,16
Für den Einsatz von Kollagen spricht die Tatsache, dass es eine strukturelle Komponente besitzt und eine aktive Rolle bei der Ausbildung des Blutkoagulums spielt (hämostatische Eigenschaft). Somit kann es den Wundbereich stabilisieren. Weiterhin hat Kollagen eine chemotaktische Wirkung auf desmodontale Fibroblasten (Gewebeintegration) und es besitzt semipermeable Eigenschaften (transmembranöse Angiogenese).1,4,16
Kollagenbarrieren sind in tierexperimentellen Untersuchungen und auch in Studien mit Patienten umfassend untersucht worden – die klinischen Ergebnisse sind mit denen nicht resorbierbarer Membranen vergleichbar.4,7,8,14–16 Kollagenmembranen zeigen in diesem Vergleich auch eine niedrigere Inzidenz spontaner Expositionen.15 Darüber hinaus verläuft die Weichgewebsheilung mit Kollagenbarrieren nach einer Exposition infek-tionsfrei.1,14–16 Ein potenzieller Nachteil des nativen Kollagens ist jedoch seine verhältnismäßig kurze Standzeit, da es rasch durch gewebespezifische Proteasen, Kollagenasen und Makrophagen abgebaut wird.2,4,15,16 Aus diesem Grund sind die Anforderungen an die Standzeit und die Formstabilität – insbesondere bei der Augmentation großvolumiger Defekte, bei denen von einer insgesamt längeren Regenerationszeit auszugehen ist – erhöht.1
Zur Verbesserung der Barrierefunktion und Formstabilität nativer kollagener Membranen werden bereits seit mehreren Jahren unterschiedliche Verfahren zur Quervernetzung (Druck, Temperatur, UV-Licht, chemische und enzymatische Behandlungen) eingesetzt.2,15,17
Dies führt zu steiferen Kollagenmembranen und verlangsamter enzymatischer Degradierung. In tierexperimentellen Untersuchungen zeigte sich, dass die Resorption quervernetzter kollagener Membranen deutlich verlangsamt erfolgt. Gleichzeitig werden mit steigendem Quervernetzungsgrad auch die Biokompatibilität und die Gewebeintegration negativ beeinflusst. Entsprechend zeigten insbesondere chemisch quervernetzte Kollagenmembranen ein höheres Risiko von Wunddehiszenzen und Membranexpositionen.4,14–16
Neuere Entwicklungen im Bereich der bioresorbierbaren Barrieremembranen haben sich daher auf die Entwicklung von Kollagenmembranen mit verlängerter Standzeit fokussiert, ohne dabei die Komplikationsraten zu erhöhen.2,9,17 Mit dem Verzicht auf eine chemische Quervernetzung wurde ein wesentlicher Schritt in diese Richtung getan.9,15
Resorbierbare, nicht quervernetzte Kollagenmembranen (creos xenoprotect, Nobel Biocare Deutschland GmbH), die aus einem faserigen Netzwerk porkiner Kollagen- und Elastinfasern bestehen (Abb. 1), zeigten in histologischen Untersuchungen eine deutlich verlängerte Resorptionszeit und verbesserte Revaskularisation sowie eine vergleichbare Biokompatibilität und Gewebeintegration wie Membranen aus nativem Kollagen.2 In weiteren Untersuchungen wies das Material im Vergleich zu anderen resorbierbaren Membranen eine verbesserte Dehnbarkeit und eine signifikant erhöhte Nahtstabilität auf.17
Erste Ergebnisse klinischer Untersuchungen belegen zudem eine Dehiszenzrate, die mit den in der Literatur beschrieben Expositionsraten für resorbierbare Membranen aus nativem Kollagen vergleichbar ist.3,5,6,14–16,18
Zielsetzung der hier vorliegenden Fallserie war es, die klinische Bewährung von GBR-Maßnahmen unter Verwendung einer neu entwickelten, nicht quervernetzten, resorbierbaren Kollagenmembran unter den typischen Anwendungsbedingungen einer zahnärztlichen Praxis zu dokumentieren. Hauptzielparameter stellte dabei die Ermittlung der Dehiszenzrate bei ausgedehnten lateralen Augmentationen mit kombinierter Anwendung autogener Knochenblock-augmentate und bovinem deproteinisiertem Knochenersatzmaterial (Bio-Oss, Geistlich Biomaterials) dar. Der zweite in dieser Anwendungsbeobachtung erfasste Indikationsbereich stellt die externe Sinusbodenaugmentation mit ausschließlicher Anwendung von bovinem deproteinisiertem Knochenersatzmaterial dar.
Material und Methode
Die vorliegende prospektive Fallserie -beschreibt eine Nachuntersuchung teilbezahnter Patienten mit der Indikation zur ausgedehnten Augmentation im Rahmen einer implantatprothetischen Versorgung. Die Behandlung erfolgte von Januar bis November 2015 in einer privaten zahnärztlichen Praxis. In die Fallserie wurden Patienten eingeschlossen, die folgende Kriterien erfüllten:
- Indikation zur horizontalen Augmentation mit kombinierter Anwendung von autogenen retromolaren Knochenblocktransplantaten und xenogenem Knochenersatzmaterial
- Indikation zum externen Sinuslift mit lateralem Zugang
Patienten mit der Indikation für eine zusätzliche vertikale Augmentation wurden ausgeschlossen.
Im Rahmen der Fallserie wurden ausschließlich eine resorbierbare, nicht quervernetzte Kollagenmembran sowie bovines deproteinisiertes Knochenersatzmaterial eingesetzt. Bei der lateralen Augmentation erfolgte die Fixation der Knochenblöcke mit Titan-Mikroschrauben (micro-screw-System nach Prof. Khoury, Stoma Dentalsysteme GmbH). Die konturverbessernde Augmentation erfolgte mit dem bereits erwähnten xenogenen Knochenersatzmaterial. Abschließend wurde das Augmentat mit der vorgenannten resorbierbaren Kollagenmembran abgedeckt (Abb. 2a–e). Die Fixierung der abdeckenden Membran erfolgte, falls erforderlich, mittels Titan-Pins (FRIOS Membrannägel, DENTSPLY Implants). Die Sinusbodenaugmentationen fand ausschließlich unter Verwendung des gleichen xenogenen Knochenersatzmaterials statt. Die abschließende Abdeckung des lateralen Zugangsfensters erfolgte wiederum mit der bereits erwähnten resorbierbaren Kollagenmembran. Im Falle einer Perforation der Schneider’schen Membran wurde ergänzend eine Abdeckung der Perforation, wiederum mit der gleichen resorbierbaren Kollagenmembran, eingebracht (Abb. 3a–c).
Bei beiden Augmentationsarten erfolgte der spannungsfreie speicheldichte Nahtverschluss nach tiefer Periostschlitzung und ausreichender Mobilisation des Mukoperiostlappens mit einem nicht -resorbierbaren Polyamid-Nahtmaterial (Seralon 5.0, Serag Wiesner). Sämtliche Augmentationsmaßnahmen liefen unter systemischer Antibiose (Amoxicillin 3-mal täglich 1.000 mg oder im Falle einer Penicillin-Allergie Clindamycin 3-mal täglich 300 mg) für jeweils sieben Tage, beginnend einen Tag präoperativ, ab. Die Naht wurde 14 Tage postoperativ entfernt. Die nachfolgende Implantation ereignete sich bei lateralen Augmentationen nach einer minimalen Einheilzeit von vier bis fünf Monaten und bei der Sinusbodenaugmentation nach fünf bis sechs Monaten.
Zielparameter der Fallserie waren die Ermittlung der postoperativen Dehiszenzrate für die beiden Augmentationsarten. Im Rahmen der separat durchgeführten Implantation wurde zudem beurteilt, ob eine Implantation ohne weitere augmentative Maßnahmen möglich war oder ob simultan zur Implantation nochmals augmentative Maßnahmen erforderlich waren. Die Datenerhebung für die vorliegende Fallserie wurde durch die Ethikkommission der Georg-August-Universität Göttingen evaluiert und zustimmend beurteilt (Antragsnummer 3/2/10).
Ergebnisse
In der Zeit vom Januar bis Juni 2015 konnten 31 Patienten (13 männlich/18 weiblich, durchschnittliches Alter: 53,2 Jahre) mit einer Indikation für eine horizontale Augmentation oder einem externen Sinuslift im Rahmen einer implantatprothetischen Versorgung identifiziert und behandelt werden.
Bei elf Patienten wurde eine horizontale Augmentation unter kombinierter Anwendung autologer Knochenblöcke und xenogenem Knochenersatzmaterial mit abschließender Membranabdeckung vorgenommen. Bei 20 weiteren Patienten wurde ein externer Sinuslift mit ausschließlicher Anwendung von xenogenem Knochenersatzmaterial und einer Membranabdeckung durchgeführt (Tab. 1). Bei vier dieser 20 Patienten wurde zeitgleich mit der Augmentation die Abdeckung einer intraoperativ festgestellten Perforation der Schneider‘schen Membran durchgeführt.
In der Gruppe der lateralen Augmentationen kam es zu einer Wunddehiszenz. Die exponierte Membran konnte belassen werden. Die exponierten Areale wurden über einen Zeitraum von fünf Tagen täglich gereinigt (dreiprozentiges Wasserstoffperoxid) und es erfolgte eine lokale antiseptische Therapie mit einprozentigem CHX. Während dieses Zeitraums kam es zum Beginn der sekundären Wundheilung. Ein vollständiger Verschluss der Dehiszenz war nach vier Wochen erreicht. Die patientenbezogene Dehiszenzrate wurde mit 8,3 Prozent ermittelt. Es kam zu keinem vollständigen Verlust eines Augmentates (Tab. 1).
Bei den 19 Patienten mit einer externen Sinusbodenelevation wurde ebenfalls eine Dehiszenz festgestellt, die in analoger Weise wie die Dehiszenz bei der horizontalen Augmentation aufgetreten war. Auch in diesem Fall kam es innerhalb von einer Woche zum Beginn der sekundären Wundheilung, und die Dehiszenz war bei der Kontrolle vier Wochen postoperativ vollständig verschlossen. Die Dehiszenzrate bei den externen Sinusliftaugmentationen betrug 5,3 Prozent. Eine Infektion oder ein vollständiger Verlust des Augmentates wurde nicht beobachtet (Tab. 1).
In allen Fällen war nach einer Einheilzeit zwischen vier und sechs Monaten eine Implantation möglich. Bei den 19 Patienten mit einer externen Sinus-bodenelevation waren in keinem Fall weitere augmentative Maßnahmen zeitgleich mit der Implantation erforderlich. Demgegenüber war bei den elf Patienten mit einer lateralen Augmentation bei zwei Patienten zusammen mit der Implantation noch einmal eine augmentative Maßnahme erforderlich, da es im Rahmen der Implantatbettaufbereitung zu Dehiszenzen im Bereich der Implantatschulter kam (Tab. 1). Bei einem dieser Fälle handelte es sich um den Patienten, bei dem eine Wund-dehiszenz festgestellt wurde. Die augmentativen Maßnahmen erfolgten unter ausschließlicher Anwendung von xenogenem Knochenersatzmaterial und resorbierbarer, nicht quervernetzter Kollagenmembran. In den verbleibenden neun Fällen konnten die Implantate ohne weitere Augmentationsverfahren inseriert werden (Abb. 4a und b). Alle inserierten Implantate heilten komplikationslos ein und konnten prothetisch versorgt werden.
Diskussion
Im Rahmen dieser prospektiven Fallserie konnten Dehiszenzraten im Bereich von fünf bis acht Prozent für die Indikationen „Horizontale Augmentation“ und „Externer Sinuslift“ festgestellt werden. Diese Dehiszenzraten sind vergleichbar mit den Werten, die für bereits lang-jährig im Markt etablierte resorbierbare Kollagenmembranen beschrieben sind.3,5,6,14–16 Die Ergebnisse sind zudem vergleichbar mit den Dehiszenzraten, von denen Wessing et al. (2015) im Rahmen einer Fallserie berichten, in der die gleiche Membran wie in der vor-liegenden Fallserie verwendet wurde.18 In dieser Studie mit 36 Patienten und der Versorgung von 49 Defekten wurde eine Dehiszenzrate von zwölf Prozent er-mittelt. Unter Berücksichtigung der geringen Fallzahl scheint die in dieser Fallserie verwendete resorbierbare, nicht quervernetzte Kollagenmembran eine vergleichsweise geringe Dehiszenzrate in typischen Anwendungsindikationen (horizontale Augmentation/externer Sinuslift) aufzuweisen. Die bereits in In-vitro-Untersuchungen2,17 nachgewiesenen verbesserten mechanischen Eigenschaften (erhöhte Reißfestigkeit) und die -verzögerte biologische Degradation, die zu einer verlängerten Barrierefunktion führt, scheinen dabei nicht wie bei chemisch quervernetzten Membranen mit einem erhöhten biologischen Komplikationsrisiko (Dehiszenzen) verbunden zu sein.15
Trotz ermutigender erster klinischer Ergebnisse sind insbesondere weitere klinische Untersuchungen mit größeren Fallzahlen notwendig, um die potenziellen Vorteile dieses neuen Membrantyps klinisch zu verifizieren.
Schlussfolgerungen
Die in der vorliegenden praxisbasierten Fallserie verwendete resorbierbare Kollagenmembran bietet eine interessante Alternative zu den langjährig bewährten resorbierbaren Membranen aus nativem Kollagen. Diese Membran vereint die positiven Eigenschaften eines einfachen Handlings mit verlängerter Resorptionszeit und die bekannt gute Biokompatibilität von Kollagenmembranen. Diese Kombination ist insbesondere bei ausgedehnten Augmentationen mit der GBR-Technik interessant und scheint nicht wie bei chemisch quervernetzten Membranen mit einem erhöhten Dehiszenzrisiko verbunden zu sein. Die initial positiven klinischen Erfahrungen sollten jedoch noch durch weitere klinische Untersuchungen abgesichert werden.
Danksagung
Die Durchführung dieser Fallserie wurde von Nobel Biocare durch die kostenfreie Zurverfügungstellung der resorbierbaren Kollagenmembranen unterstützt.
Eine ausführliche Literaturliste gibt es hier.