Praxiseinrichtung 22.09.2016

Die barrierefreie Spezial­praxis für Alterszahnmedizin



Die barrierefreie Spezial­praxis für Alterszahnmedizin

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Zielgruppengerechte Praxiskonzepte

Menschen mit Behinderungen oder anderweitig eingeschränkter Mobilität sind auf einen barrierefreien oder zumindest -armen Zugang zur Zahnarztpraxis angewiesen. In der nachfolgend vorgestellten Spezialpraxis wurden alle Aspekte dieser besonderen Erfordernisse berücksichtigt.

Die freie Zahnarztwahl beschreibt als ein Grundelement des Krankenversicherungssystems die Möglichkeit, den Zahnarzt des Vertrauens ohne Bedingungen oder Einschränkungen aussuchen zu können. Für ältere Menschen mit Rollator, Rollstuhl­fahrer, Eltern mit Kinderwagen, Gehbe­hinderte sowie Menschen mit sonstigen ­Behinderungen ist der Geltungsbereich dieses Prinzips deutlich reduziert: In vielen Fällen muss die Zahnarztpraxis nach dem Gebäude und nicht nach dem Zahnmediziner des Vertrauens ausgewählt werden. Noch immer sind zu wenige Praxen in Deutschland barrierefrei zugänglich. Das Problem ist der Zahnärzteschaft bewusst, und sie bekräftigt ihr Ziel, allen Menschen einen zumindest barrierearmen Zugang zu einer bedarfsgerechten Versorgung zu gewährleisten. Letztlich aber ist „der Abbau von Barrieren ein gesamtgesellschaftliches Anliegen“, stellt dazu der KZBV-­Vorsitzende Dr. Wolfgang Eßer fest. Ergänzend konstatiert der Vizepräsident der Bundeszahnärztekammer Prof. Dr. Dietmar Oesterreich: „Barrierefreiheit ist viel umfassender zu interpretieren: Für uns (Zahn-)Mediziner ist es das Inkludieren aller, um gesundheitliche Chancengleichheit zu bewirken.“ Die Bundesregierung hat dieser Forderung Rechnung getragen und den „Nationalen Aktionsplan 2.0“ zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention aufgelegt. So soll es künftig konkrete finanzielle Förderungen für den barrierearmen Aus- und Umbau von Arzt- und Zahnarztpraxen geben. Zur Unterstützung der Praxen hat die KZVB eine Checkliste für einen barrierearmen Außenbereich, Innenbereich und Service erstellt (www.kzbv/checkliste.752.de).
 

Barrierearmut als Kompromiss

Die in Deutschland zugrunde liegende ­gesetzliche Regelung definiert Barrierefreiheit in § 4 des Deutschen Behindertengleichstellungsgesetzes (BGG): „Barrierefrei sind bauliche und sonstige An­lagen, Verkehrs­mittel, technische Gebrauchsgegenstände, Systeme der Informationsverbreitung, akustische und visuelle ­Informationsquellen und Kommunikationseinrichtungen sowie andere gestaltete Lebensbereiche, wenn sie für behinderte Menschen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind.“ In der Alltagspraxis ist Barrierefreiheit jedoch ein nicht immer realisierbares Ideal. Aus diesem Grund wurde im Jahr 2001 von Prof. Dr. Edinger der Begriff „barrierearm“ als „Bündel von Maßnahmen zur Barriere­reduzierung im Bestand zur Erhöhung der Gebrauchstauglichkeit von Wohnungen“ eingeführt, der mittlerweile auch im Bereich Arzt- und Zahnarzt­praxen verankert ist.

Eine Frage der Einstellung

Mein Praxiskonzept für Alterszahnmedizin beruht auf dem grundlegenden Gedanken, neben externen auch interne Barrieren abzubauen. In der Umsetzung bedeutet das eine wertschätzende Einstellung und eine offene Kommunikation gegenüber älteren Menschen mit motorischen und/oder intellektuellen Einschränkungen. Dazu wurde in einem ersten Schritt 2004 die mobile zahnärztliche Behandlungsstruktur in die nicht barrierefreie Stammpraxis integriert und auf nunmehr fünf aufsuchende Behandlerteams weiterentwickelt, die mit mobilen Behandlungseinheiten, Systemtrolleys sowie mobilem Kleinbildröntgengerät vollumfänglich arbeiten können.

Wichtige Synergien

Im Jahr 2014 wurde als Bindeglied dieser beiden Praxisteile eine barrierefreie Praxis mit dem Schwerpunkt Alterszahnmedizin aufgebaut, um letztlich alle Patienten, ­völlig unabhängig von ihren Einschrän­kungen, zahnärztlich zu versorgen. Niederlassungsrechtlich ist diese Praxis als Zweigpraxis mit den entsprechenden ­Kriterien im Sinne einer „Nebenbetriebsstätte“ zu betrachten. Dazu konnten in einem kommunalen Krankenhaus vier Räume – die frühere Entbindungsstation – angemietet werden. Der Hintergrund für diese Entscheidung war einerseits die Barrierefreiheit des Gesamtgebäudes mit dafür wichtigen Parametern, wie entsprechenden Parkplätzen, Aufzügen, überbreiten Türen und Gängen sowie rollstuhlgerechten Toiletten. Andererseits ist auch geschultes und jederzeit ansprechbares Personal zur Patientenbetreuung vorgesehen. Aus fachlicher Sicht ergeben sich synergistische ­Effekte durch die Zusammenarbeit mit den im Krankenhaus vorhandenen Abteilungen der Akutgeriatrie und der Geriatrischen Rehabilitation. Diese Effekte beschränken sich nicht nur auf diagnostische und therapeutische Mittel, sondern zeigen sich auch durch gegenseitige Unterstützung bei Fortbildungsmaßnahmen. Vervollständigt wird der gesamtmedizinische Kontext durch die Mitnutzung des vorhandenen Notfallmanagements, der bei Operationen notwendigen Anästhesisten und durch die ­Betreuung des angeschlossenen Senioren­heims. Aus kommunalpolitischer Sicht soll dieses Krankenhaus mit der zugehörigen Fachschule für Altenpflege, in der mein Praxisteam den Fachunterricht gestaltet, zu einem Zentrum für Altersmedizin ausgebaut werden.

Diese Spezialpraxis ist wie die beiden anderen Praxisteile nach ISO 9001 zertifiziert und wurde in diesem Jahr durch eine Praxisbegehung des Gewerbeaufsichts­amtes ohne Beanstandungen geprüft.

Corporate Architecture 
in der Zahnarztpraxis
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