Implantologie 11.08.2016

Die laterale Augmentation ­horizontaler Knochendefekte



Die laterale Augmentation ­horizontaler Knochendefekte

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Teil 2: Vom Knochenerhalt bis zum Knochendefekt

Die Augmentation horizontaler Knochendefekte, sowohl bei einer Spät- als auch bei einer Sofortimplantation, ist eine lang etablierte Methode zur Optimierung des Implantatbettes. In der vorigen Ausgabe des Implantologie Journals (6/2016) wurde eine Fall­serie von unterschiedlichen lateralen Augmentationen beschrieben. Dabei wurden die Fälle in drei Kategorien unterteilt. Kategorie 1 und 2 wurden anhand von Fallbeispielen näher beschrieben. In dieser Ausgabe folgt der zweite Teil. Es handelt sich um einen Patientenfall mit zweizeitigem Vorgehen der Kategorie 3.

Kategorie 3: Massiver horizontaler Defekt, zweizeitiges Vorgehen, Schaltlücke

Massive Knochendefekte sind eine Herausforderung für die Chirurgie. Neben der Anwendung von Knochenblöcken (individuelle oder autologe) oder alloplastischen Formen (Ringe, Platten, Würfel), ist eine Vielzahl von Situationen auch mit Knochenchips vorhersagbar zu augmentieren.

In diesem Fall ist ein ausgeprägter lateraler und vertikaler Defekt in der anterioren Maxilla zu sehen (Abb. 1–4). Vor allem die Region 12 bis 11 zeigt eine defizitäre Knochenhöhe von circa 4–5 mm. Eine Implantation mit simultanem Aufbau wäre in Regio 21 möglich. In Regio 22 wäre ein Aufbau nur mit dem Kompromiss einer sehr langen Krone möglich – eine herausnehmbare Versorgung wäre unakzep­tabel. Die Entscheidung fiel auf ein zweizeitiges Vorgehen. Die Knochenbreite betrug bei 12 circa 2 mm und bei Zahn 22 circa 3 mm (Abb. 5 und 6). Das benötigte Volumen betrug mindestens 6–8 mm lateral und circa 4 mm vertikal. Die Augmentation erfolgte mit einer Kombination von autologem Knochen, resorbierbarem Allograft und HA (Abb. 7 und 8). Der höhere Anteil von HA diente der vertikalen Stabilität des Augmentats und dem langfristigen Erhalt während der Einheilphase. Die Membran war eine kreuzvernetzte Kollagenmembran mit langer Resorptionszeit und wurde in diesem Fall gepinnt.

Bei der Freilegung war ein großer Volumengewinn feststellbar. Im ersten Quadranten wurde eine Breite von 7 mm und im zweiten von 6 mm erreicht. Auffallend war der vertikale Knochengewinn 4,5 mm in Regio 12 bis 11. Dies machte die Angleichung der Knochenhöhe in Regio 21 möglich.

Bei der Insertion der Implantate (3,8 mm) ist die Restknochenbreite lateral von circa 2,5–3 mm deutlich zu erkennen (Abb. 9). Das Implantat 12 wurde 1 mm tiefer als 21 gesetzt (Abb. 10–13), damit das passende Emergenzprofil und der Verlauf der Gingiva realisiert werden kann. Durch die Chirurgie und den dicken Biotyp des Patienten, sowie durch die gute Ausgangssituation der Weichgewebequalität und -quantität, war die prothetische Versorgung leicht durchzuführen (Abb. 14). Der Recall zwei Jahre nach Versorgung zeigt reizlose Gingiva, optimale Volumina an Hart- und Weichgewebe und eine sehr gute Mundhygiene. Somit sind alle Faktoren für den langfristigen Erfolg erfüllt.

Diskussion

Die Knochenblöcke sind in vielen Situ­ationen indiziert und sehr hilfreich. Oft ist es möglich deren Risiken und Nebenwirkungen zu reduzieren. So ist in diesem Protokoll die postoperative Schwellung klein. Die Operationsdauer ist geringer und eine Entnahmestelle für einen Block ist nicht notwendig. Die Limitationen solcher Techniken liegen zum Beispiel in massiven vertikalen Defekten und ungünstigen anato­mischen Gegebenheiten, wie der stark verjüngende Kiefer. Bei einzeitigen Verfahren werden dem Patienten lange Behandlungssitzungen und ein erneuter Eingriff erspart. Bei der Blockaugmentation wird zuerst die Entnahme aus Nachbarregionen des Transplantats versucht.

So werden im Oberkieferseitenzahn­bereich die Crista zygomaticoalveolaris, in der Unterkieferfront das Kinn und in der lateralen Mandibula individuelle ­allogene Knochenblöcke bevorzugt. Die Crista zygomaticoalveolaris weist oft eine dünne Kompakta und eine konvexe Form auf, welche das Auffüllen des Augmentats mit Spänen erforderlich macht. Der Ramus mandibularis ist eine schwer zugängliche Region, das Augmentat ist oft kantig und muss bearbeitet werden – eignet sich hingegen bei größeren Volumina und bietet zugleich auch viel Spongiosa. Die Kinnregion eignet sich ebenso gut für die Entnahme, vor allem für abgerundete Transplantate. Sehr oft und überwiegend im lateralen Mandibula haben sich individuell gefräste allogene ­Blöcke bewährt. Der Verweil und die Bearbeitung außerhalb des Mundes ist gering, die Passung ist optimal und anatomische Schwierigkeiten können im Vorfeld berücksichtigt werden. Solche Blöcke sind allerdings kostenintensiver und bedürfen DVT-Aufnahmen für die Planung. Oft können diese Kosten durch die reduzierte Operationsdauer wieder gutgemacht werden.

Die meisten Situationen wurden mit diesem Protokoll ohne eine Blockaugmentation gelöst. Ungefähr 85 Prozent der Augmentationen dieser 3. Kategorie (ohne Berücksichtigung von Sinuslift und Sofortimplantationen) könnten konventionell mit Chips oder Spänen sowie Membranen versorgt werden. Weitere 10 Prozent wurden mit nicht resorbierbaren Membranen und/oder Distanzschrauben versorgt (Tenting Screws). In allen Fällen war das Weichgewebemanagement für den Erfolg maßgeblich. Die unterschiedlichen Aufbaumaterialien haben Vor- und Nach­teile, die das Vorgehen nach den ersten Wochen verändern. Unverändert bleibt die Biologie. Der Organismus fängt nach sechs Wochen an, Neuknochen anzubauen. Das Remodeling dauert sechs Monate. Resorbierbare Materialien brauchen mehr als sechs Monate, um umgebaut zu werden. Bei Augmentationen mit autologen Knochen darf nicht lange gewartet werden bis es implantiert wird, weil sonst hohe Volumenverluste entstehen. Innerhalb dieser Vorzüge und Limitationen der verschiedenen Augmentationstechniken schützt und verschließt das Weichgewebe das Augmentat und die Membran. Neben der Quantität ist eine ausreichende keratinisierte Gingiva ausschlaggebend für den langfristigen Erfolg und den Erhalt des krestalen Knochens.

Unterschiedliche Höhenpositionierung der Implantate helfen bei der Manipulation der Weichgewebe. Durch das Arbeiten mit unterschiedlichen Emergenzprofilen und Abutmenthöhen konnte der Gingivaverlauf ästhetisch gestaltet werden. Bei der suprakrestalen Positionierung der Implantate waren die krestalen Optionen des Implantatsystems sehr hilfreich. Maschinerie für die Implantathälse wäre in so einer Situation nicht vorteilhaft. Bone Level Implantate mit Platform Switching oder speziell hergestellten Implantathälsen begünstigen das ästhetische Ergebnis, indem sie die Bildung einer Weich­gewebsmanchette um das Abutment realisieren. Dadurch wird der Versuch unternommen, den krestalen Knochen durch das Weichgewebe zu erhalten.

Kritische Stellungnahme

Diese Technik erreicht ihre Limitation auch in Defiziten bei denen das Foramen inzisivus vestibulär freiliegt bzw. die palatinale Lamelle fehlt. In solchen Fällen empfiehlt sich die Blockaugmentation. Auch die ist allerdings risikoreich, da nur eine Verlagerung des Nervus inzisivus eine Isolierung der Augmentationsstelle gewährleisten kann. Die Augmentationsstelle muss dann auch palatinal mit einer Membran geschützt werden. Wenn das Risiko zu hoch erscheint, ist die Implantation an 12 und 22 vorzuziehen. Dabei handelt es sich um eine bewährte Behandlung mit ästhetisch guten Ergebnissen. Es muss vermerkt werden, dass bei der beschriebenen Technik ein Härteunterschied zwischen ortsständigen Knochen und Augmentat vorliegt. Dies verlangt nach Vorsicht bei der Durchführung der Bohrungen, damit der Bohrer nicht nach vestibulär driftet und keine Perforation apikal stattfindet. Nur so kann das Implantat richtig positioniert werden. Es empfiehlt sich mit niedrigen Umdrehungen zu bohren und die Implantate manuell und ohne Ratsche einzudrehen.

Eine Gefahr der Ablösung des Augmentats vom Kieferknochen besteht nicht und wurde bisher nicht beobachtet. Das Anwachsen des Augmentats am Kieferknochen ist nach der Einheilzeit von über vier Monaten sehr gut gelungen. Die Vaskularisierung ist sehr gut, was auch die Bilder belegen.

Schlusswort

Der Trend in der Behandlung von Implantatwünschen geht mehr und mehr in die minimalinvasive Richtung. Die Patienten sind seltener bereit, mehrere Eingriffe im Anspruch zu nehmen. Eine zweite Operationsstelle, zur Entnahme von Knochen, wird immer öfter abgelehnt. Gleichzeitig steigen die ästhetischen Ansprüche der Patienten – auch im Alter. Zahlreiche Komplikationsfälle der Vergangenheit fordern die Notwendigkeit der fachlichen Expertise in den Bereichen Implantologie, Ästhetik von Weichgewebe und Stabilität. Dieses Protokoll beschreibt eine effektive Behandlungsmethode und setzt die Prioritäten auf Ästhetik und Langfristigkeit.

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