Implantologie 24.10.2022

Einzelzahnversorgung mit zweiteiligem Keramikimplantatsystem



Einzelzahnversorgung mit zweiteiligem Keramikimplantatsystem

Foto: Dr. med. dent. Harald Fahrenholz

Sofortimplantation und -belastung in der ästhetisch relevanten Zone

Implantologen müssen heute dem wachsenden Patientenwunsch nach langzeitgesundem und ästhetischem Zahnersatz, oftmals im Rahmen von Immediacy-Konzepten wie der Sofortimplantation und -belastung, gerecht werden. Die hohen Inzidenzen biologischer Spätkomplikationen wie Periimplantitis zeigen allerdings Grenzen von konventionellen Titanimplantaten auf.1–6 Vor diesem Hintergrund greifen Implantologen zunehmend zu Keramikimplantaten. Diese können, abhängig von ihrem Design, dank ihrer beschriebenen immunologischen Vorteile Mehrwerte für die periimplantäre Gewebegesundheit bieten.7–11 Im Folgenden wird ein Fall vorgestellt, in dem die ästhetisch relevante Zone einer Patientin mit einem zweiteiligen Keramikimplantatsystem versorgt wurde, das bereits seit über zehn Jahren integraler Bestandteil des Versorgungsangebots des Autors ist. In klinischen Studien hat dieses Implantatsystem gesunde und stabile Hart- und Weichgewebsverhältnisse sowie eine exzellente Ästhetik gezeigt.12, 13 Somit ist es ideal für die hier beschriebene Indikation geeignet.

Erhalt der periimplantären Gesundheit

In einem umfangreichen Literatur-Review schrieb Prof. Dr. Rompen die designspezifischen Merkmale fest, die ein Implantatsystem aufweisen muss, um die Gesundheit und Stabilität der periimplantären Gewebe gewährleisten zu können.19, 20 Rompen argumentiert, dass Implantate mit einem Design auf Gingivaniveau Implantaten mit einem Design auf Knochenniveau, bei denen ein Entfernen und Wiedereinbringen von prothetischen Komponenten notwendig ist, vorzuziehen sind. Nach Rompen haben zudem keramische Materialien mit glatten Oberflächen im transmukosalen Bereich anderen Materialien gegenüber einen Vorteil. Abhängig von ihrem Design können Keramikimplantate in der Lage sein, in diesem Bereich ein vergleichsweise hohes Maß an Weichgewebsanhaftung zu erzielen, durch die das tiefere pe­riimplantäre Gewebe vor dem Eindringen bakterieller Erreger, die Entzündungen der periimplantären Weich- und Hartgewebe fördern würden, geschützt werden kann.7, 17 Dies deckt sich mit Studienergebnissen, die Keramikimplantaten ein vergleichsweise geringes Periimplantitisrisiko attestieren.14, 15 Die Literatur sieht die vorteilhafte Weichgewebs­reaktion von Keramikimplantaten unter anderem in deren elektrochemischer Neutralität und geringen Plaqueaffinität begründet.7– 9, 16

Darüber hinaus ist das Fehlen eines subgingivalen, für die natürliche Reinigung unzugänglichen Mikrospalts für den Erhalt der periimplantären Gewebegesundheit von Bedeu­tung. Untersuchungen haben gezeigt, dass bei Implantaten mit verschraubter Innenverbindung unter funktioneller Belastung ein Mikrospalt auf dem subgingivalen Niveau entsteht, der ein bakterielles Penetrieren des Implantat-Abut­ment-Interfaces zulässt.18 Ein solcher subgingivaler Mikrospalt kann, neben bakteriellem Biofilm als primärem ätiologischem Faktor und Risikofaktoren wie einer bestehenden Parodontitis, Rauchen oder einer unzureichenden Mundhygiene, bei der Entstehung einer Periimplantitis eine Rolle spielen. In der folgenden Falldarstellung wird ein Keramikimplantatsystem angewendet, das die vorteilhaften Desig­nfaktoren nach Rompen erfolgreich berücksichtigt und das keinen Mikrospalt auf dem subgingivalen Niveau aufweist.

Ausgangssituation

Die 41-jährige Patientin stellte sich im Oktober 2021 in der Praxis des Autors vor. Aufgrund einer insuffizienten endodontischen Versorgung in Regio 11 wünschte sie sich in die­sem Bereich eine Restauration mit einem Einzelzahnimplantat (Abb. 1a und b). Die röntgenologische Diagnostik mittels DVT bestätigte, dass ein ausreichendes Knochenan­gebot in Regio 11 für die geplante Implantatinsertion vorhanden war (Abb. 1c).

Behandlungsplan

Der Behandlungsplan sah vor, die insuffiziente Ver­sorgung zu entfernen, die verbleibende Zahnwurzel zu extrahieren und unmittelbar hiernach in die Extraktionsalveole ein zweiteiliges Keramikimplantat (Patent™ Implantatsystem, Zircon Medical Manage­ment) als Sofortimplantat zu inserieren. Weiterhin war geplant, den Glasfaserstift, der als Aufbau des verwendeten Implantatsystems dient, in derselben Behandlungssitzung chairside zu präparieren, intraoral zu zementieren und prothetisch mit einem provi­sorischen Zahnersatz zu versorgen, damit die Patientin die Praxis bereits bezahnt verlassen kann.

Chirurgisches Vorgehen

Unter örtlicher Betäubung wurde zunächst eine labiale Inzision in Regio 11 vorgenommen, um das Entfernen der insuffizienten Krone zu erleichtern (Abb. 2). Nach Entfer­nung der alten Kronenversorgung (Abb. 3) wurde die darunter liegende Zahnwurzel extrahiert (Abb. 4 und 5). Hiernach wurde die Extraktionsalveole sorgfältig kürettiert, um entzündliches Gewebe vollständig zu entfernen (Abb. 6). Die Osteotomie wurde anschließend gemäß des spezifischen Bohrprotokolls des Herstellers für die vorliegende Knochenklasse und unter Wasserkühlung präpariert (Abb. 7). Die vollständig präparierte Osteo­tomie wurde im Anschluss mit Ozon behandelt, um diese zu desinfizieren und zu sterilisieren (Abb. 8). Anschließend wurde das zweiteilige Keramikimplan­tat mit einem Durchmesser von 4,5 mm und einer Länge von 13 mm mit einer Einbringhilfe der Implan­tathülse entnommen (Abb. 9) und in die Osteotomie eingebracht (Abb. 10). Das Eindrehen des Implantats in den Knochen erfolgte unter Verwendung der Drehmomentratsche des Herstellers (Abb. 11). Dabei wurde ein Drehmoment von 35 Ncm nicht überschritten. Es wurde eine hohe Primärstabilität des inserierten Im­plantats erzielt (Abb. 12).

Prothetische Versorgung und Einheilung

Unmittelbar nach Einbringung des Implantats wurde der Glasfaserstift mithilfe eines Diamantbohrers extraoral vorpräpariert und zur Einprobe in die 3C-Implan­tatplattform des inserierten Implantats eingebracht. Die finale Präparation erfolgte intraoral (Abb. 13a). Nach Einprobe der provisorischen Krone, die auf den inserierten Glasfaserstift aufgesetzt wurde, wurden sowohl Stift als auch Krone nochmals entfernt, um die 3C-Plattform des Implantats mit einem dualhärten­den Zement (RelyX Unicem 2, 3M ESPE) aufzufüllen und den Stift darin zu zementieren (Abb. 13b). Überschüssiger Zement wurde entfernt und der Glasfaserstift lichtgehärtet (Abb. 13c). Anschließend erfolgte die Isolie­rung des Stifts mit Vaselineöl und die Aufbringung und Befestigung der provisorischen Krone mithilfe eines provisorischen Zementgemischs (Abb. 14 und 15). Eine Woche nach dem chirurgischen Eingriff wurde die Patientin zu einem Nachsorgetermin in die Wie­ner Praxis des Autors einbestellt. Bereits zu diesem Zeitpunkt zeigte sich eine vorteilhafte und gesunde Weichgewebsreaktion um den Hals des eingesetzten Implantats. Nach erfolgreicher Osseointegration und einer komplikationsfreien Einheilzeit von drei Monaten erfolgte die finale prothetische Versorgung mit der definitiven Krone (Abb. 16a und b). Bei der Nachsorgeuntersuchung nach zwölf Monaten wurden die Weich­gewebeverhältnisse als gesund sowie stabil und das Endresultat nach ästhetischen Gesichtspunkten als zufriedenstellend beurteilt (Abb. 17).

Diskussion

Das hier verwendete zweiteilige Implantatsystem aus Zirkoniumdioxid kommt in der Praxis des Autors standardmäßig und fast ausschließlich zum Einsatz. Dank seiner hochrauen enossalen Oberfläche ist eine vorhersagbare Knocheneinheilung zu erwarten.21 Die Hauptherausforderung bei einer Sofortimplantation in der Front, wie sie in diesem Fall dargestellt ist, liegt darin, den Knochen – insbesondere die bukkale Wand – bei der Extraktion nicht zu zerstören. Auch ist eine korrekte Positionierung und Richtung des zu setzenden Implantats von großer Bedeutung, um zu verhin­dern, dass die Implantatspitze den bukkalen Knochen penetriert. Aus die­sem Grund ist es notwendig, während der Präparation des Implantatbetts aus der Alveolenrichtung mehr palatinal zu bohren. Darüber hinaus wird das verwendete Implantat aufgrund seines Soft-Tissue-Level-Designs (auf Gingivaniveau) epigingival platziert, wodurch der Kronenrand während der gesamten prothetischen Versorgung gut einsehbar ist. Aus diesem Grund lässt sich überschüssiger Zement im Anschluss zur Zementierung des Glasfaserstifts einfach und restlos entfernen. Folglich ist das Risiko einer Zementitis durch subgingival liegende Zementanteile praktisch ausgeschlossen. Zudem wird durch eine epigin­givale, und nicht zu tiefe, Implantatpositionierung eine zu starke Kom­pression auf den kortikalen Knochen, die sich nachteilig auf die marginale Knochenstabilität auswirken würde, vermieden.22 Weiter bietet der Glasfaserstift, der als Aufbau in das zweiteilige Implantat zementiert wird, einen bedeutenden Mehrwert in puncto Stabilität: Mit seinem dentinähnlichen Elastizitätsmodul fungiert der Glasfaseraufbau als flexibles Dämpfungselement im Rahmen der Gesamtversorgung und er weiß ein­wirkende Kaukräfte vorteilhaft abzuleiten, wodurch das Frakturrisiko der Implantatkomponenten minimiert wird.13 Die Präparation des Stifts mithilfe eines Diamantbohrers ist deckungsgleich mit dem bekannten Vorgehen bei der Präparation von natürlichen Zähnen oder Wurzelstiftaufbauten.

Fazit

Mit dem hier verwendeten keramischen Implantatsystem lassen sich dank seiner zahnähnlichen Farbe und seiner vorteilhaften Weichgewebsintegration optimale Versorgungen in der ästhetisch relevanten Zone er­zielen. Weiter ist dank des Soft-Tissue-Level-Implantatdesigns, welches keinen subgingivalen Mikrospalt aufweist, und des gewebefreundlichen und plaqueabweisenden Implantatmaterials Zirkoniumdioxid ein erfolg­reiches Langzeitergebnis mit einem minimalen Risiko von biologischen Spätkomplikationen wie Periimplantitis oder marginalem Knochenverlust zu erwarten. Der Autor hat in der täglichen Praxis bei der Anwendung dieses Implantatsystems seit über zehn Jahren noch keinen Fall einer Periimplantitis erlebt.

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