Kinderzahnheilkunde 30.08.2021

Narkose bei Kindern in der Praxis – doch nicht so schlimm? 



Narkose bei Kindern in der Praxis – doch nicht so schlimm? 

Foto: alla – stock.adobe.com

Hören Eltern, dass für eine zahnmedizinische Behandlung ihres Kindes eine Narkose notwendig ist, bekommt der Zahnarzt häufig ein besorgtes Gesicht zu sehen. Das Wort Narkose ist für Patienten mit Risiko verbunden, allein deshalb, weil immer wieder von Zwischenfällen oder Komplikationen bei Narkosen zu lesen ist.1 

Nichtsdestotrotz bildet diese Behandlungsart teilweise die einzige Möglichkeit, einem nicht kooperations- bzw. behandlungsfähigen Kind zahnmedizinisch zu helfen. Ohne die Entfernung der kariösen Zähne würde sich eine starke Bakterienbesiedlung im Mund und damit im gesamten Blutkreislauf des Kindes entwickeln. Der ganze Organismus und die folgenden bleibenden Zähne leiden darunter. Eine Narkose ist dann häufig der einzige Ausweg zu einer guten zahnmedizinischen Behandlung. Morray et al. beschreiben in einer Studie, dass 1:7.000 Kleinkinder einen Herzstillstand während einer Narkose .2 Ausschlaggebend ist allerdings, dass 50% dieser Zwischenfälle bei Kindern unter einem Jahr passieren und dass die Erfahrung des Anästhesisten eine signifikante Rolle spielt.3 Zunehmende Erfahrung im Umgang mit pädiatrischen Patienten senkt das Risiko erheblich. The Lancet Respiratory Medicine hat anhand von 31.127 Narkosen aus 260 europäischen Kliniken gezeigt, dass mit jedem zusätzlichen Jahr an Erfahrung des Anästhesisten, das Risiko für eine schwere Komplikation während der Anästhesie sank.4 Kleine Kinder brauchen doppelt so viel Sauerstoff pro Kilogramm wie Erwachsene. Zudem zeigt sich, dass Kinder eine Veränderung der Vitalparameter nicht kompensieren können. Tritt allerdings ein Vorfall ein, entwickelt sich dieser rasant schnell. Anästhesisten, die größtenteils nur Erwachsene behandeln, fehlt häufiger das intuitive Gefühl im Monitoring der Kinder. Die Vorbereitung durch die Eltern (Kind muss nüchtern sein, darf nicht erkältet sein) senkt das Risiko ebenso stark. 

Eine Zwischenbilanz von 2016 beschreibt, dass Kinder nach einer Narkosebehandlung im Vergleich zu Kindern ohne Narkosebehandlung keine neurologischen Entwicklungsunterschiede zeigen. Eine Anästhesie, die bis zu 60 Minuten dauert, stellt keinerlei Problem dar. Ein geeignetes Monitoring und die für den Anästhesisten geeigneten Räumlichkeiten sind essenziell für eine komplikationslose Behandlung. 

Auch durch die Wahl der Narkoseführung lässt sich das Risikoprofil steuern. So zeigt sich ein bedeutend niedrigeres Risiko bei der Verwendung einer Larynxmaske gegenüber eines endotrachealen Tubus. Ebenso ist eine inhalative Gasmaske mit N2O und Sevofluran mit Spontan- oder assistierter Atmung weniger belastend als eine i.v. Narkose. 

Der Zahnarzt sollte nach kritischer Abwägung mit den Eltern die Vorteile der Behandlung unter Narkose für ihr Kind deutlich aufzeigen: viele Patienten (60% in Deutschland) leiden auch im Erwachsenenalter noch unter einer Zahnbehandlungsangst – bis hin zu einer -phobie, die sehr häufig auf schlimmen (nicht anders möglichen) zahnmedizinischen Erfahrungen aus der Kindheit basieren.5 Durch die Durchführung der Behandlung unter Narkose wird die Entstehung dieser Zahnbehandlungsangst mit ihren Folgen (Mundgesundheit wird immer schlechter durch Vermeidung des Zahnarztbesuches bis hin zur Abnahme der Lebensqualität) vermieden. Es sollte zwischen unterschiedlichen Möglichkeiten der Narkose differenziert werden: Muss nur ein Zahn extrahiert werden, ist eine kurze Maskenbeatmung meist ausreichend, da die Wahrscheinlichkeit für Komplikationen sehr gering ist. Müssen mehrere Füllungen oder Stahlkronen appliziert werden, wobei eine Wasserkühlung notwendig ist, ist eine Larynxmaske zur Sicherung der Atemwege sicherer. 

Zusammenfassend bringt eine zahnmedizinische Behandlung von Kleinkindern (frühestens ab dem 2. Lebensjahr) durch erfahrene Kinder-Anästhesisten mehr Vorteile für die kleinen Patienten mit sich. 

Quellen, Literatur: 

1 https://www.zwp-online.info/zwpnews/dental-news/branchenmeldungen/erneuter-zwischenfall-nach-zahn-op-4-jaehrige-erleidet-hirnschaeden

2 Morray JP, Geiduschek JM, Ramamoorthy C, Haberkern CM, Hackel A, Caplan RA (2000): Anesthesia-related cardiac arrest in children: initial findings of the Pediatric Perioperative CardiacArrest (POCA) Registry. Anesthesiology;93:6-14 

3 Ungern-Sternberg BS, Boda K, Chambers NA, Rebmann C, Johnson C, Sly PD (2010): Risk assessment for respiratory complications in paediatric anaesthesia: a prospective cohort study. Lancet;376[9743]:773-783 

4 Habre W, Disma N, Virag K (2017): Incidence of severe critical events in paediatric anaesthesia (APRICOT): a prospective multicentre observational study in 261 hospitals in Europe. Lancet Respir Med 5:412–425 

5 Leitlinie Zahnmedizin S3 Leitlinie Zahnbehandlungsangst beim Erwachsenen Oktober 2019 Arbeitskreis Psychologie und Psychosomatik in der DGZMK (AKPP) Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) 

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