Oralchirurgie 28.02.2011
Frühdiagnostik von Hautkrebs im Gesicht
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Fast 200.000 Menschen erkranken in Deutschland jährlich neu an Hautkrebs. Am häufigsten tritt dieser im Kopf- und Gesichtsbereich auf. Somit können auch Zahnärzte effektiv zur Früherkennung maligner Hautveränderungen in diesen Regionen beitragen.
Eigentlich klingen die Zahlen, die während der Pressekonferenz zum Hautkrebsscreening im April 2010 in Berlin präsentiert wurden, ganz optimistisch. Nach zwei Jahren haben über elf Millionen der 45 Millionen Anspruchsberechtigten die Untersuchung bereits genutzt (Katalinic 2010). Allerdings erkranken nach Hochrechnungen von Prof. Katalinic, die auf dem Krebsregister von Schleswig-Holstein basieren, jährlich mehr als 196.000 Patienten neu an Hautkrebs, davon über 24.000 am besonders bösartigen malignen Melanom!
Während das maligne Melanom als gefährlichster Hautkrebs relativ selten ist, dominieren bei den Neuerkrankungen die nichtmelanozytären (epithelialen) oder „hellen“ Hautkrebsformen, das Basalzellkarzinom und das Plattenepithelkarzinom, mit einem Anteil von 60 bzw. 27,5% (Abb. 1). Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zufolge treten weltweit jedes Jahr zwei bis drei Millionen neue Fälle von hellem Hautkrebs sowie mehr als 130.000 neue Fälle von malignem Melanom auf.12 Die Zunahme beim häufigsten Hauttumor, dem Basalzellkarzinom, liegt weltweit bei 10% pro Jahr (Lear und Smith 1997).In Deutschland verstarben 2002 knapp 2.700 Personen am malignen Melanom und knapp 500 Menschen an nichtmelanozytären Hautkrebsen (Breitbart et al. 2004). Das mittlere Erkrankungsalter ist beim malignen Melanom mit 57 Jahren vergleichsweise gering. Beim Basalzellkarzinom liegt es in der Altersgruppe der 65- bis 69-Jährigen, bei den Plattenepithelkarzinomen bei den 70- bis 79-Jährigen (Breitbart et al. 2004). Aus rein demografischen Gründen wird der Anteil alter Menschen und damit die relevante Altersgruppe für maligne Hauttumoren in den nächsten Jahrzehnten deutlich ansteigen. So wird der „Altersquotient 65“, d.h. der Anteil der über 65-Jährigen gegenüber den 20- bis 65-Jährigen, von augenblicklich 30 auf durchschnittlich 65 im Jahre 2050 ansteigen (Glaeske 2009).
Zudem wird sich die gefährliche UV-Strahlung, neben genetischen Faktoren einer der Hauptrisikofaktoren für epithelialen Hautkrebs (Breuninger et al. 2007), durch die abnehmende Ozonschicht in der Stratosphäre verstärken (Vetter 2002). Bereits 1995 wies Härle darauf hin, dass sich bei einer Abnahme der Ozonschicht um 1% die Zahl der Basalzellkarzinome um 5% erhöht (Härle 1995). Neben diesen natürlichen Faktoren führt der ungebrochene Trend zum „gesunden Bräunen“ in Sonnenbänken und zu Urlaubszielen in sehr sonnigen Regionen zu einer weiteren „künstlichen“ UV-Belastung mit negativen Folgen für die Haut (Mang und Krutmann 2003). Immerhin suchen mehr als 12 Mio. Deutsche regelmäßig Sonnenbänke auf, wobei die Gruppe der 18- bis 39-Jährigen mit 69% besonders hoch ist (Abb. 2) (Reisinger 2007). Für diese Gruppe gilt: Wer sich noch vor seinem 30. Lebensjahr regelmäßig der UV-Strahlung aussetzt, erhöht sein Hautkrebsrisiko um 75% (El Ghissassi et al. 2009).
Da das Gesicht und der Halsbereich der Sonne ungeschützt ausgesetzt sind, verwundert es nicht, dass dort 80 bis 90% der häufigen Basalzellkarzinome auftreten (Halling 2002, Breuninger et al. 2007, Esser und Ulrich 2009). Bevorzugt sind diese Tumoren im Mittelgesichtsbereich bzw. in der Medianebene des Gesichtes lokalisiert (Halling 2002, Kaufmann und Wolter 2003) (Abb. 3).
Früh erkannt – Gefahr gebannt?
Hautkrebs gilt als das perfekte Modell für Krebsverhütung durch Aufklärung der Bevölkerung und regelmäßige Hautuntersuchungen (Fleming et al. 1995). Die Früherkennung ermöglicht verbesserte Heilungsraten mit reduzierter Morbidität und geringere Behandlungskosten (Rishiraj und Epstein 1999). Es stellt sich die Frage, ob sich deutsche Zahnärzte bereits mit dieser Thematik beschäftigt haben und wie sie selbst zur Hautkrebsvorsorge stehen.
Eine Umfrage
105 hessische Zahnärzte erhielten einen anonymisierten Fragebogen, in dem neben allgemeinen Angaben zum Alter, Geschlecht und der Dauer der zahnärztlichen Berufstätigkeit insbesondere nach Erfahrungen mit Hautveränderungen bei Patienten sowie mit der eigenen Hautkrebsvorsorge gefragt wurde. Die Auswertung der Daten erfolgte mit dem Statistikprogramm SPSS für Windows. Zur Untersuchung der Zusammenhänge zwischen der Art der Antworten und der Geschlechtszugehörigkeit der Befragten wurde ein Korrelationstest nach Spearman vorgenommen (Du Prel et al. 2010).
Das Ergebnis
74 Fragebogen konnten ausgewertet werden (Rücklaufquote 70,5%). 29 Fragebogen (39,2%) waren von Zahnärztinnen und 45 Fragebogen (60,8%) von Zahnärzten ausgefüllt worden. Das Durchschnittsalter aller an der Umfrage beteiligten Zahnärzte lag bei 45,4 Jahren und die Dauer der zahnärztlichen Berufstätigkeit betrug 18,3 Jahre (min. 3, max. 36 Jahre), wobei die Zahnärztinnen durchschnittlich fünf Jahre weniger zahnärztlich tätig waren als die Zahnärzte.
Im speziellen Teil der Umfrage zeigte sich, dass nur ein Kollege häufig von Patienten zu Hautveränderungen im Gesicht befragt worden war. Mehr als drei Viertel der Zahnärzte (78,1%) gaben an, nur selten und ein Fünftel noch nie von Patienten auf Hautveränderungen angesprochen worden zu sein. Etwa zwei Drittel der Befragten hatten noch nie bei einem Patienten Hautkrebs diagnostiziert, bei einem Drittel war dies zumindest einmal während der beruflichen Tätigkeit der Fall gewesen. Über 90% der Zahnärzte hatten schon einmal einem Patienten wegen eines Hauttumors im Gesicht geraten, einen Facharzt aufzusuchen. Die meisten Empfehlungen betrafen Dermatologen (79,7%), 32,4% rieten zur Konsultation eines MKG-Chirurgen (Abb. 4). Knapp 30% der Befragten empfahlen verschiedene Facharztgruppen, am häufigsten die Kombination Hautarzt und Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurg.
Mehr als 80% der befragten Kollegen halten die Integration der Hautkrebsfrüherkennung im Gesicht in die zahnärztliche Praxistätigkeit für sinnvoll (Abb. 5). Allerdings fühlen sich 70,8% der Zahnärzte/-innen nicht ausreichend über bösartige Hauterkrankungen informiert.
Bezüglich der eigenen Hautkrebsvorsorge gaben 78% an, bisher selten oder noch nie an einem Hautkrebsscreening teilgenommen zu haben. Nur 11% konsultieren einmal jährlich und ebenfalls 11% zweimal jährlich einen Dermatologen zur Hautkrebsfrüherkennung. 45% beteiligen sich seltener als alle zwei Jahre an einer Screeninguntersuchung und 33% nie (Abb. 6).
Bei der statistischen Auswertung ergaben sich keine Signifikanzen, lediglich geschlechtsspezifische Trends. So fühlte sich nur ein Viertel der Zahnärztinnen, aber ein Drittel der Zahnärzte ausreichend über Hautkrebs informiert. Hingegen lassen Zahnärztinnen bei sich selbst häufiger eine Hautkrebsvorsorgeuntersuchung durchführen als ihre männlichen Kollegen.
Diskussion
Hautkrebs ist die beim Menschen am häufigsten diagnostizierte Krebsform (U.S. Preventive Task Force 2009). Bezogen auf die Lebenszeit haben hellhäutige Menschen ein Risiko von etwa 30%, im Laufe ihres Lebens ein Basalzellkarzinom zu entwickeln (Kunte und Konz 2007). In Deutschland erkranken zwischen 130 und 140 Menschen/100.000 Einwohner neu an Hautkrebs (Teltzrow 2010) (Abb. 7).
Obwohl sich die Menschen nach einer repräsentativen Umfrage des Magazins Focus am meisten vor einer Krebserkrankung fürchten (Kowalski 2007), benutzen 40% der Deutschen nie eine Sonnencreme (Vetter 2002). Dazu passt, dass nur 30% der Befragten einer anderen Umfrage wussten, dass Sonne der Haut am meisten schadet (Halling 2002). So ist es nicht erstaunlich, dass eine Vielzahl von Patienten erst mit relativ großen Hauttumoren Facharztpraxen oder Kliniken aufsuchen (Halling 2002) (Abb. 8).
Da Zahnärzte das Gesicht des Patienten bei optimaler Beleuchtung aus nächster Nähe betrachten, haben sie wie kaum eine andere Arztgruppe die Möglichkeit, Veränderungen der Haut in diesem Bereich frühzeitig festzustellen und nach Möglichkeit einer fachgerechten Diagnostik und Therapie zuzuführen (Goerz 1994, Härle 1995). Zudem weisen Zahnärzte nach den Allgemeinmedizinern die häufigsten Arzt-Patienten-Kontakte auf (Halling 2002). Das bedeutet, dass Zahnärzte die ersten Ansprechpartner für potenzielle Patienten sein könnten. Leider wurden Zahnärzte nach den vorliegenden Daten nur selten oder nie zu Hautveränderungen von Patienten befragt. Dies deckt sich mit einer Studie von Papadopoulos und Gängler (2007), in der nur 12,2% der befragten Patienten von ihrem Zahnarzt Informationen über pathologische Veränderungen des Gesichts wünschten. Die Autoren ziehen den Schluss, dass der Zahnarzt immer noch primär als Behandler von Karies und Parodontalerkrankungen und nicht als Informationsquelle für den gesamten oralen und perioralen Bereich gesehen wird.
Die Zahnärzte selbst sind allerdings durchaus an einer verstärkten Einbindung in die Hautkrebsfrüherkennung interessiert. Immerhin halten mehr als zwei Drittel der Befragten diese in ihrer Praxis für sinnvoll. Allerdings ist der Kenntnisstand über bösartige Hauterkrankungen recht gering. Nach der Selbsteinschätzung der Zahnärzte haben fast drei Viertel in diesem Bereich Informationslücken. Dies spiegelt sich auch in der Tatsache wider, dass die Häufigkeit der eigenen Hautkrebsvorsorgeuntersuchungen der Zahnärzte sich nicht wesentlich von derjenigen unterscheidet, die im Rahmen einer repräsentativen Untersuchung bei 2.500 Bundesbürgern für die von Dermatologen empfohlenen Zeiträume „einmal jährlich“ und „alle zwei Jahre“ ermittelt wurde (Halling 2002).
Zurzeit liegen noch keine abschließenden Daten vor, ob das Hautkrebsscreening, das für jeden GKV-Versicherten über 35 Jahre in den Leistungskatalog der GKV aufgenommen worden ist, wirklich effektiv ist (N. N. 2010). So fanden Forscher in den USA eine ungenügende Evidenz für den Vorteil eines Hautkrebsscreenings im Rahmen einer Untersuchung des gesamten Körpers (U.S. Preventive Task Force 2009, Wolff und Miller 2009). Andererseits wird in einigen amerikanischen Publikationen empfohlen, die Zahnärzte in der Hautkrebsvorsorge zu schulen, um gezielt die Gesichtshaut untersuchen zu können (Goldenberg 2000, Kutcher und Rubenstein 2004, Rishiraj und Epstein 1999).
In Deutschland sollten die zahnärztlichen Verbände darauf hinwirken, dass interessierte Zahnärzte nach einer entsprechenden fachlichen Schulung durch die Kammern ebenso wie andere Nicht-Dermatologen die Leistung „Früherkennungsuntersuchung von Hautkrebs“ erbringen können. Dafür müssten seitens der Kostenträger allerdings entsprechende finanzielle Ressourcen bereitgestellt werden. Zudem wäre es zweckmäßig, einen formalen und professionellen Überweisungsweg vom Zahnarzt zum Facharzt (in diesem Fall z. B. dem Dermatologen) zu etablieren, der über eine Empfehlung an den Patienten zur Konsultation eines (Fach-)Arztes hinausgeht (Noack 2007). Somit könnten auch Zahnärzte einen wichtigen Beitrag zu einer patientenorientierten medizinischen Versorgung leisten und die Rolle eines Verteilers im medizinischen Versorgungsnetzwerk übernehmen (Noack 2007).
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